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Human Resources
Zwischen Job-Boom und Entlassungswelle: Wie der deutsche Arbeitsmarkt kippt

Zwischen Job-Boom und Entlassungswelle: Wie der deutsche Arbeitsmarkt kippt

Marié Detlefsen | 05.07.24

Das Risiko, arbeitslos zu werden und länger zu bleiben, nimmt zu. Gleichzeitig verzeichnet der Arbeitsmarkt einen Anstieg bezüglich der Beschäftigung, wobei 1,5 Millionen Stellen unbesetzt bleiben. Was sind die Ursachen dafür?

Der Arbeitsmarkt droht weiter zu zerreißen: Trotz steigender Beschäftigungszahlen wächst die Gefahr der Arbeitslosigkeit. Auf der einen Seite zeigt sich der Arbeitsmarkt robust, mit einer wachsenden Zahl von Beschäftigten und offenen Stellen. Auf der anderen Seite steigt das Risiko, arbeitslos zu werden und Schwierigkeiten zu haben, schnell wieder einen vergleichbaren Job zu finden. Dies verdeutlichen die aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Wir stellen dir die Ergebnisse vor und erklären die Gründe für die zwiespältige Situation auf dem Arbeitsmarkt.

Arbeitslosenquote bleibt bei 5,8 Prozent

Im Juni waren in Deutschland 2,73 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Dies entspricht einer Zunahme von 4.000 Personen im Vergleich zum Vormonat und 172.000 Personen im Jahresvergleich. Die Arbeitslosenquote bleibt stabil bei 5,8 Prozent. Zusätzlich zur offiziellen Arbeitslosenzahl umfasst die Unterbeschäftigung, die Personen in Weiterbildungen, Sprachkursen oder vorübergehender Arbeitsunfähigkeit einschließt, im Juni 3,55 Millionen Menschen. Dies bedeutet eine Steigerung um 142.000 Personen im Vergleich zum Vorjahr. Andrea Nahles, Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, spricht von einer anhaltenden Schwäche des Arbeitsmarktes.

Die Schwäche am Arbeitsmarkt hält weiter an. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung nahmen im Juni saisonbereinigt spürbar zu. Die Unternehmen sind weiter zurückhaltend bei der Suche nach neuem Personal.

Trotz der wirtschaftlichen Stagnation bleibt der Arbeitsmarkt erstaunlich widerstandsfähig. So stieg im Mai die Beschäftigung auf 45,9 Millionen Menschen an, was 68.000 mehr als im März und 119.000 mehr als im Vorjahr bedeutet. Laut dem Statistischen Bundesamt hatten noch nie mehr Menschen in Deutschland Arbeit als aktuell.

Unternehmen suchen Fachkräfte, aber Stellen bleiben unbesetzt

Während also die Zahl der Beschäftigung steigt, nimmt auch die Arbeitslosigkeit zu. Doch wie kann das sein? Dies liegt vor allem daran, dass viele Unternehmen in Deutschland immer noch nach Arbeits- und Fachkräften suchen. Laut einer Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) konnten zuletzt über 1,5 Millionen offene Stellen nicht besetzt werden. Ein wesentlicher Grund ist die Diskrepanz zwischen den Anforderungen der Stellen und den Qualifikationen oder Erwartungen der Arbeitssuchenden. Darunter fällt zum Beispiel eine nicht passende Ausbildung oder der eigene Wohnort, welcher zu weit weg vom Firmensitz ist.

Ein weiterer Faktor liegt auch im Anstieg der erwerbsfähigen Bevölkerung, insbesondere durch den Zuzug von Geflüchteten aus der Ukraine. Diese dürfen in Deutschland sofort arbeiten und tauchen somit in den Arbeitsmarktstatistiken auf beiden Seiten auf – sowohl als Beschäftigte als auch als Arbeitssuchende.

Wirtschaftsflaute macht dem Arbeitsmarkt zu schaffen

Die zunehmende Beschäftigung und die hohe Zahl unbesetzter Stellen zeigen die Chancen am Arbeitsmarkt auf. Doch die anhaltende Wirtschaftsflaute hinterlässt deutliche Spuren. Der Aufbau von Beschäftigung verlangsamt sich und die Spaltung des Arbeitsmarktes wird deutlicher. Während einige Unternehmen weiterhin Mitarbeiter:innen einstellen möchten, stellen andere ihre Einstellungspläne zurück und entlassen Personal. Dies führt zu einem höheren Risiko, den Job zu verlieren und erschwert es, eine neue, vergleichbar gute Anstellung zu finden.

Der Aufbau von Beschäftigungen kommt nur langsam voran.
Der Aufbau von Beschäftigungen kommt nur langsam voran, © Business Insider

Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibt angespannt

Die Unsicherheit über die Zukunft des Arbeitsmarktes spiegelt sich in den Umfragen des ifo Instituts wider. So zeigte das ifo-Beschäftigungsbarometer eine leicht gesunkene Bereitschaft zur Personaleinstellung. Im Juni stieg es geringfügig auf 95,9 Punkte, was weiterhin auf eine abnehmende Beschäftigung hinweist. Zum Vergleich: 100 Punkte stellen eine stabile Beschäftigungsquote dar.

Das ifo-Beschäftigungsbaromter stieg im Juni auf 95,9 Punkte an.
Das ifo-Beschäftigungsbaromter stieg im Juni auf 95,9 Punkte an, © ifo Institut

Besonders in der Industrie, im Handel und im Baugewerbe planen Firmen eher den Abbau von Arbeitsplätzen, während im Dienstleistungssektor noch Einstellungen geplant sind. Über die aktuelle Aussicht sagt ifo-Ökonom Klaus Wohlrabe:

In der Industrie denken die Firmen eher über einen Arbeitsplatzabbau nach. Offene Stellen werden nicht nachbesetzt. Auch im Handel und im Bau deutet die Stimmungslage auf einen Rückgang der Beschäftigtenzahl hin. Einzig bei den Dienstleistern sind weiterhin Neueinstellungen geplant. Dies gilt insbesondere für den Branchen Touristik, die IT sowie die Unternehmens- und Steuerberater.

Dennoch zeigen sich auch in diesen Bereichen deutliche Unterschiede. Gegenüber den Daten des ifo Instituts stieg das IAB-Arbeitsmarktbarometer im Juni auf einen neutralen Wert von 100 Punkten, was eine stabile Beschäftigung signalisiert. Darin zeigte sich eine anhaltend positive Beschäftigungsentwicklung, jedoch keine Trendwende bei der Arbeitslosigkeit. Auch wenn die Konjunkturaussichten sich leicht verbessern und ein Wachstum von 0,3 Prozent für dieses Jahr prognostiziert wird, bleibt die Lage auf dem Arbeitsmarkt somit weiterhin angespannt.


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