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Griechenland führt 6-Tage-Woche ein: Ein Modell für den deutschen Arbeitsmarkt?

Griechenland führt 6-Tage-Woche ein: Ein Modell für den deutschen Arbeitsmarkt?

Marié Detlefsen | 03.07.24

Griechenland führt die 6-Tage-Woche ein, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen und Schwarzarbeit zu reduzieren – ein Modell, das auch in Deutschland Aufmerksamkeit erregt. Doch könnte dieser radikale Ansatz auch hierzulande zur Lösung von Arbeitsmarktproblemen beitragen? Wir stellen dir das Konzept vor.

Die Arbeitswelt in Griechenland steht vor einer bedeutenden Veränderung: Festangestellte sollen künftig sechs Tage pro Woche arbeiten dürfen – gegen eine entsprechende Vergütung. Mit diesem Schritt will die konservative Regierung sowohl dem Fachkräftemangel entgegenwirken als auch die Schwarzarbeit reduzieren. Während in Deutschland die Diskussionen um eine 4-Tage-Woche lauter werden, geht Griechenland einen entgegengesetzten Weg. Doch wie sieht dieses Modell im Detail aus und könnte es auch in Deutschland Anwendung finden?

Hintergründe der 6-Tage-Woche in Griechenland

Griechenland kämpft seit Jahren mit einem erheblichen Fachkräftemangel, verschärft durch die Abwanderung gut ausgebildeter junger Menschen während der Finanzkrise von 2010 bis 2018. Diese Situation zwingt viele Unternehmen, auf Überstunden zurückzugreifen, die oft nicht offiziell gemeldet werden. Mit der Einführung der 6-Tage-Woche soll dem nun entgegengewirkt werden. Laut der neuen Regelung erhalten Arbeitnehmer:innen, die einen sechsten Arbeitstag übernehmen, seit dem 01. Juli 40 Prozent mehr Gehalt. Sollte dieser Arbeitstag auf einen Sonn- oder Feiertag fallen, gibt es sogar 115 Prozent zusätzlich. Diese gesetzlich geregelten Zuschläge sollen den Arbeitsanreiz erhöhen und die Attraktivität des legalen Arbeitsmarktes steigern.

Damit würden Arbeitnehmer:innen in Griechenland noch mehr von ihren Arbeitgeber:innen gefordert werden. Laut Statistikbehörde Eurostat steht Griechenland bereits jetzt im europäischen Vergleich auf Platz eins mit durchschnittlich 39,8 Arbeitsstunden pro Woche. Deutschland verzeichnet vergleichsweise nur 34 Wochenstunden.

Griechenland liegt auf Platz eins mit der höchsten wöchentlichen Arbeitszeit.
Griechenland liegt auf Platz eins mit der höchsten wöchentlichen Arbeitszeit, © Eurostat

Griechenland kämpft am meisten mit der Schattenwirtschaft

Trotz der finanziellen Anreize gibt es Kritik. Gewerkschaften und Arbeitsrechtler:innen bezeichnen die 6-Tage-Woche als potenzielle Ausbeutung der Arbeitnehmer:innen. Arbeitsminister Adonis Georgiadis von der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia, hält jedoch dagegen: Er betont, dass die neue Regelung notwendig sei, um die häufig schwarz geleisteten Überstunden zu legalisieren und somit fair zu entlohnen.

Eine Prognose des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung unterstreicht den Bedarf an Maßnahmen gegen die Schattenwirtschaft. Schätzungen zufolge macht diese etwa 21,9 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts aus – der höchste Wert in Europa. Die neue Gesetzgebung könnte also einen wichtigen Schritt darstellen, um diesen Anteil zu reduzieren.

Laut dem IAW macht die Schattenwirtschaft etwa 21,9 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts aus.
Laut dem IAW macht die Schattenwirtschaft etwa 21,9 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts aus, © IAW

6-Tage-Woche auch in Deutschland durchsetzbar

Auch hier in Deutschland wird das griechische Modell mit Interesse beobachtet. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat bereits vorgeschlagen, die deutsche Wirtschaft solle sich ein Beispiel an Griechenland nehmen. Er fordert zusätzliche Anreize für Mehrarbeit, wie die Steuerfreiheit für Überstunden. Angesichts des schwächelnden Wirtschaftswachstums plant unter anderem auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Einführung von Steuerfreiheit für Überstunden. Laut dem Vorschlag der FDP soll die Steuerfreiheit allerdings erst ab der 41. Arbeitsstunde pro Woche greifen. Damit würden ausschließlich Vollzeitkräfte von der Befreiung von zusätzlichen Steuern auf ihren Lohn profitieren.

Doch wäre eine 6-Tage-Woche hierzulande überhaupt rechtens und durchsetzbar? Holger Schäfer vom Institut der Deutschen Wirtschaft weist darauf hin, dass eine 6-Tage-Woche auch in Deutschland theoretisch möglich sei und individuell zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen vereinbart werden könne. Schätzungen zufolge könnten bis 2035 etwa sieben Millionen Arbeitskräfte fehlen, daher müsse Deutschland angesichts des absehbaren Fachkräftemangels über neue Arbeitszeitmodelle nachdenken, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Laut Schäfer könne ein höherer Arbeitseinsatz notwendig sein, um Wohlstandseinbußen zu vermeiden. Damit stellt er sich klar gegen neuere Arbeitsmodelle:

Wenn wir das nicht machen, werden wir Wohlstand verlieren. Wenn wir alle weniger arbeiten, produzieren wir auch weniger.

Dennoch müssen sich Arbeitgeber:innen in Deutschland an gesetzlich festgelegte Ruhephasen halten. Auch die maximale Arbeitszeit darf nicht überschritten und die Regelungen zu Feiertagen nicht missachtet werden. Mit mehr Arbeitstagen würde außerdem der Anspruch auf Urlaubstage steigen. Mehr Infos dazu gibt es unter verdi.de.

6-Tage-Woche gegen 4-Tage-Woche

Die Einführung einer 6-Tage-Woche steht jedoch im starken Kontrast zu den aktuellen Diskussionen um die 4-Tage-Woche in Deutschland. Befürworter:innen argumentieren hingegen, dass kürzere Arbeitszeiten zu weniger Krankheitstagen und höherer Motivation führen. Langfristig könnten Unternehmen sogar profitieren, wenn die Mitarbeiter:innen gesünder und produktiver arbeiten. Viele Unternehmen haben das Modell bereits getestet und berichten häufig von positiven Auswirkungen wie einer besseren Work-Life-Balance, weniger Überstunden und verbesserten zeitlichen Arbeitsabläufen.

Dennoch lassen sich die positiven Ergebnisse nicht ohne weiteres auf alle Bereiche anwenden. So funktioniert das Modell einer 4-Tage-Woche nur für bestimmte Branchen. In Unternehmen mit hoher Krankenquote muss daher abgewogen werden, ob eine Arbeitszeitverkürzung wirtschaftlich sinnvoll ist. Außerdem bedeutet die Reduzierung der Arbeitszeit nicht immer automatisch eine höhere Effizienz. Eine Maschine läuft somit nicht automatisch schneller, nur weil jemand weniger arbeitet und dadurch eventuell motivierter ist. Auch Oliver Bierhoff kritisiert die 4-Tage-Woche und warnt vor einem Rückstand Deutschlands im internationalen Wettbewerb:

Wenn man um die Spitze mitspielen will, wird kein Trainer sagen: Wir nehmen mal Tempo und Intensität raus und trainieren kontinuierlich einen Tag weniger.

Ob also eher das Modell der 6-Tage-Woche oder das der 4-Tage-Woche in Deutschland Anklang finden wird, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass die Debatte über Arbeitszeitmodelle angesichts des demografischen Wandels und der wirtschaftlichen Herausforderungen weiter an Bedeutung gewinnen wird. Während die 6-Tage-Woche in Griechenland eine pragmatische Lösung darstellt, könnten in Deutschland flexible Modelle, die sowohl die Bedürfnisse der Wirtschaft als auch die der Arbeitnehmer:innen berücksichtigen, der Schlüssel zu einer nachhaltigen und produktiven Arbeitswelt sein.


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Nicht nur die 6-Tage-Woche ist in der Kritik, auch die 4-Tage-Woche wird bemängelt.
© cmophoto.net – Unsplash

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