Der Rahmen war gesetzt für einen Moment, der bewegte und in dem Bochums Torwart Andreas Luthe einer war, der im Mittelpunkt stand. Ein 0:3 hatte sein Team aus dem Rückspiel aufgeholt, was es in der Historie der Bundesliga-Relegation noch nie gab.
Verlängerung, Elfmeterschießen – und dann Luthes Bravourstück: Er hält den ersten Elfmeter der Düsseldorfer. Linkes unteres Eck, der 37-Jährige spekuliert richtig, streckt seine 1,97 Meter voll aus und pariert den Schuss von Andre Hoffmann. Später, nach Bochums Klassenerhalt, wird er auf Händen getragen, von seinen Mitspielern in die Höhe geworfen.
Nun steht er da, seine Tränen sind mittlerweile getrocknet, Kamera läuft, neben ihm Sat.1-Experte Stefan Kuntz. Beide haben eine Bochumer Vergangenheit. Kuntz war damals Manager, als Luthe in der zweiten VfL-Mannschaft Fuß fasste und seinen Weg in den Profifußball zu ebnen begann. Hier und jetzt soll die Karriere enden, so hat es Luthe für sich ausgemacht. War‘s das, wird Luthe gefragt. Ja, sagt er: „Das ist nichts mehr für mein Herz, ich muss auch an meine Gesundheit denken. Ich werde nicht noch mal verlängern.“
Sein letztes Spiel also, der Klassenerhalt als Schlusspunkt unter 16 Jahre Wegstrecke. „Ein großartiger Mensch geht dem Fußball verloren“, sagt Kuntz. Bochum, Augsburg, Union Berlin, Kaiserslautern und seit der Rückrunde eben wieder Bochum. Als Ersatz für Manuel Riemann geholt, nach dessen Ausbootung wegen interner Querelen kurz vor dem ersten Relegationsspiel zur Nummer eins befördert. Ende gut, alles gut. Was für ein märchenhaftes Ende einer langen Karriere.
„Ich habe nur noch funktioniert“, sagt Luthe
Bochum war mit der Entscheidung ins Risiko gegangen, den in Ungnade gefallenen Riemann aus dem Team zu werfen und den erst im Winter als Ersatz geholten Luthe zu befördern, ohne Frage. Aber der Routinier war am Ende doch noch einer der Faktoren des Erfolgs. Er strahlte Ruhe aus, seiner Mannschaft tat das in Düsseldorf augenscheinlich gut.
Letztendlich, sagte Luthe, sei das „genau das Ziel gewesen: Dass ich mit meinem Verein, wo alles angefangen hat, noch mal die Klasse halte und gebührend Danke sagen kann. Dass es dann so hektisch und nervenaufreibend wird, hatte ich nicht geplant. Manchmal ist der Fußball halt verrückt. Da konnte ich heute meinen kleinen Beitrag leisten“.
Nervosität nach all der Aufregung um Riemann und der plötzlichen Beförderung zum Stammtorwart in einer existenziellen Phase des Klubs? Nicht wirklich, sagte Luthe: „Am Ende habe ich wirklich nur noch funktioniert. Du ratterst es einfach nur runter, machst das, was du dein ganzes Leben lang gemacht hast. Außen herum waren die Leute, glaube ich, aufgeregter als ich.“
Er habe schon viele tolle Momente in seiner Karriere gehabt, erzählte Luthe, „aber das ist noch einmal das i-Tüpfelchen. Das hier wird in die Geschichte des Vereins eingehen. Es gibt nicht viele Leute, die uns das wirklich zu getraut haben“.
Luthe berichtete auch, dass er telefonischen Kontakt mit dem ausgemusterten Riemann hatte. „Manu ist ein wichtiger Teil von uns und hat mit uns dafür gesorgt, dass wir lange in einer tollen Position waren, um die Klasse zu halten. Dass wir es am letzten Spieltag verspielt haben, ist extrem bitter. Er ist mit dem Herzen immer VfL-er gewesen – auf seine Art und Weise mit viel Emotionen. Da muss man ihn so nehmen, wie er teilweise ist. Wir beide könnten uns nicht mehr unterscheiden. In der Kombination sieht man, dass wir beide es geschafft haben, dass wir in der Liga bleiben. Daher ist es Teamsport. Der eine ist nicht da, der andere übernimmt. Ganz einfach“, sagte Luthe.
Riemann habe ihm in den Spielen „viel geholfen“ und sei „ein sehr geschätzter Kollege. Dass ich noch mal so eine aktive Rolle spiele, da muss ich auch ihm danken. Dafür: Chapeau.“
Einen Rückzieher vom Rückzug, das stellte er auf Nachfrage noch mal klar, werde es nicht geben. „Ich habe eine unfassbar schöne Karriere gehabt, habe unheimlich allen Leuten zu danken, die mir den Weg bereitet und mich unterstützt haben. Dann ist jetzt glaube ich auch der richtige Zeitpunkt, bei meinem Verein mit dem Klassenerhalt Danke zu sagen und dann war es schön.“