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Städtereisen Polen

Warum Kazimierz das coolste Viertel von Krakau ist

Ursprünglich ein selbstständiger Ort, ist Kazimierz heute ein Stadtteil Krakaus – der aber nach wie vor mit einem ganz eigenen Flair fasziniert. Wir nennen fünf Gründe, die für einen Besuch des schönsten und interessantesten Viertels der polnischen Metropole sprechen.
Krakau: Im Viertel Kazimierz gibt es viele Restaurants, in denen man köstlich speisen kann Krakau: Im Viertel Kazimierz gibt es viele Restaurants, in denen man köstlich speisen kann
In Krakaus Viertel Kazimierz gibt es viele Restaurants, in denen man köstlich speisen kann
Quelle: pa/NurPhoto/Artur Widak

Es begann im Jahre 1335 mit dem Befehl des polnischen Königs Kasimir des Großen: Neben Krakau sei eine neue Stadt zu gründen, die seinen Namen tragen solle – einer Legende nach als Geschenk an seine jüdische Geliebte. Kazimierz entstand; es ist heute ein Stadtteil Krakaus, fasziniert aber mit einem ganz eigenen Flair. Fünf Seiten eines Viertels, das zu den interessantesten in Europa gehört.

1. Kazimierz – das Viertel der Juden

Herrlich, wie die Sonne durch die Mosaikfenster leuchtet und das Blattgold an der Empore erstrahlen lässt, das Mahagoni der Pfeiler und den blauen Samt des Thoravorhangs! Die im 19. Jahrhundert im maurischen Stil erbaute Tempel-Synagoge ist noch immer das schönste Gebetshaus von Kazimierz. Und auch wenn die meisten Besucher Touristen sind und Gottesdienste nur unregelmäßig stattfinden, ist die Synagoge heute wieder eine lebendige Stätte jüdischen Glaubens.

Dass Kazimierz als „Jüdisches Viertel“ Besucher aus aller Welt anzieht, hat seinen Ursprung in seiner frühen Geschichte. Nach dem Tod des aufgeklärten Herrschers Kazimierz im Jahr 1370 wurden Krakaus Juden vertrieben, hier fanden sie Zuflucht. Der Aufstieg der Stadt begann, Kazimierz wurde zum religiösen und kulturellen Zentrum der Juden in Polen.

Das Viertel Kazimierz in Krakau, Polen
Quelle: Infografik WELT

Erst knapp fünf Jahrhunderte nach ihrer Gründung in Krakau eingemeindet, blieb Kazimierz eine faszinierende Welt für sich. Juden und Christen arbeiteten in kleinen Werkstätten zusammen, in engster Nachbarschaft entstanden Synagogen, Kirchen und Klöster – all das nicht immer konfliktfrei und doch ziemlich außergewöhnlich.

Die deutsche Okkupation 1939 beendete dies radikal. Kazimierz’ Juden wurden vertrieben und in ein Getto auf der anderen Weichselseite gepfercht; dort oder in Auschwitz wurden die meisten von ihnen ermordet – eines der vielen Massenverbrechen der Nazis, von dem unter anderem Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ (1993) Zeugnis gibt.

Nach 1945 ließen die Moskau-hörigen polnischen Kommunisten den Stadtteil verkommen, Synagogen wurden zu Lagerhallen, die ehemals jüdischen Wohnungen zu Absteigen, das Viertel galt als Sammelpunkt für Kriminelle, Alkoholiker und Prostituierte. Umso rasanter der Aufstieg nach 1989: Überall wurde gewerkelt und restauriert, Synagogen glänzten bald wieder in alter Pracht, Restaurants, Cafés, Clubs und Boutiquen entstanden.

Krakau: Die im 19. Jahrhundert im maurischen Stil erbaute Tempel-Synagoge ist das schönste Gebetshaus in Kazimierz
Die im 19. Jahrhundert im maurischen Stil erbaute Tempel-Synagoge ist das schönste Gebetshaus in Kazimierz
Quelle: pa/Bildagentur-online/AGF/Hermes Images-AGF

Hollywood war daran nicht ganz unschuldig. „Schindlers Liste“, der Erfolgsfilm über den deutsch-mährischen Fabrikanten Oskar Schindler, der in der Zeit des Holocaust etwa 1200 jüdische Zwangsarbeiter vor Vernichtungslagern rettete, wurde zu großen Teilen an Originalschauplätzen in Krakau gedreht – vor allem auch in Kazimierz. Touristen und Einheimische entdeckten das Viertel und seine jüdische Geschichte, Filmtouren führen heute durch Kazimierz und zur tatsächlichen Fabrik von Oskar Schindler im gegenüberliegenden Viertel Podgorze am anderen Weichselufer.

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Zu den schönen Gebetshäusern in Kazimierz zählt außerdem die Kupa-Synagoge gleich neben der Tempel-Synagoge – ein Ort von ähnlicher Pracht, der aber auch hier nie überbordend wirkt, sondern wie eine Einladung: Schau genau hin! Da sind etwa die Wandmalereien zur biblischen Geschichte, restauriert und dem Vergessen entrissen. Und doch gibt es nirgendwo die Illusion einer Kontinuität, die behaupten würde, die Jahrzehnte zwischen 1939 und 1989 hätten nie existiert.

Im Gegenteil, und gerade das Erinnern macht die Würde und die zum Teil verstörende Schönheit des Viertels aus. Etwa auf dem Neuen Jüdischen Friedhof (der freilich bereits seit 1800 existiert), wo aus Grabplatten-Fragmenten ein gemauertes Denkmal entstand. Sie wurden nach der deutschen Okkupation gerettet, denn die Nazis hatten auch hier Grabsteine zerstört und als Baumaterial verkauft.

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Die vollständig erhaltenen Steine mit den hebräischen Inschriften stünden hier wohl ganz unbeachtet, kämen nicht die Touristen. Denn die allermeisten Nachfahren der einst Verstorbenen leben ja längst nicht mehr, sondern wurden im Holocaust ermordet.

Krakau: Auf dem Friedhof der Remuh-Synagoge wurden die zerstörten Grabsteine zu einer Art Klagemauer
Auf dem Friedhof der Remuh-Synagoge wurden die zerstörten Grabsteine zu einer Art Klagemauer
Quelle: pa/imageBROKER/Egmont Strigl

Eine ähnliche Geschichte hat der Friedhof der ebenfalls sehenswerten Remuh-Synagoge. Hier sind die zerstörten Grabsteine zu einer Art Klagemauer geworden, an der Reisende aus allen Teilen der Welt verharren. Am Schabbat-Abend gibt es in der weiterhin aktiven Synagoge einen Gottesdienst. Doch nicht nur zu dieser Zeit ist es ein Ort voller Leben. Die Ulica Szeroka, wo außer der Remuh-Synagoge auch die Alte Synagoge und die Popper-Synagoge stehen, ist nur einen kurzen Spaziergang von der Burg Wawel entfernt und gilt heute wieder als Zentrum des Viertels.

2. Jiddische und polnische Spezialitäten

In der berühmten Ulica Szeroka, wo drei der sieben Synagogen des Viertels stehen, schlägt auch das kulinarische Herz von Kazimierz – oder besser gesagt: eines seiner Herzen und vielleicht auch das umstrittenste. Manche nämlich kritisieren den „Mischmasch“, der hinter den auf Schtetl getrimmten Fassaden serviert wird.

„Jerusalemer Tomatensuppe“ – was wird das wohl sein, und weshalb muss vor gefühlt jedem Gericht das zur Werbung gewordene Adjektiv „jewish“ stehen? Solche Kritik hat gewiss ihre Richtigkeit, wahr ist aber auch: Das alles schmeckt köstlich, und die Preise sind weiterhin äußerst moderat. Pikanter Hirschgulasch im ausgehöhlten Brotlaib fragt nicht nach zusätzlicher Benennung.

Wer sichergehen will, kann im „Klezmer-Hois“ traditionelle jiddische Spezialitäten wie Gefilte Fisch oder das Eintopfgericht Tscholent (mit Lamm oder auch vegetarisch) bestellen. Und dann bei einem Weißwein aus dem israelischen Galiläa bei abendlich aufspielender Klezmer-Musik ganz gelassen darüber nachdenken, wie es denn wäre, wenn es solche vermeintlich „aufgehübschten“ Orte nicht gäbe – und so die Nazis letztlich vollständig triumphiert hätten mit ihrem Auslöschungswahn.

Nicht nur das Essen, auch das Ambiente lohnt einen Besuch der Gaststätten. Im „Klezmer-Hois“ mit seinen teppichbelegten G��ngen stapeln sich ins Polnische übersetzte Bücher von Stefan Zweig und Joseph Roth an den Wänden – das Restaurant beherbergt nämlich auch einen kleinen Verlag.

Das helle „Hamsa“ mit seinen frischen Hummus- und Salatspezialitäten erinnert auch mit den aufgehängten Farbfotografien an Tel Aviv, während man im Restaurant „Singer“ an Nähmaschinen-Tischen sitzt, um polnische Spezialitäten der Region zu kosten. Etwa Rote Bete- und gesäuerte Zurek-Suppe mit Ei oder die leckeren Piroggen – Teigtaschen, gefüllt mit Waldpilzen, Frischkäse, Kraut oder Fleisch. Und nur kein Dünkel, diese einfachen Gerichte schmecken selbst den verwöhntesten Foodies.

3. Die Heimat von Helena Rubinstein

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Die Welt kennt Helena Rubinstein (1872–1965) als amerikanische Multimillionärin und Königin der Kosmetikindustrie; geboren wurde sie als Chaja Rubinstein am 25. Dezember 1872 in Kazimierz. Anlässlich ihres 150. Geburtstages zeigt das Galicia Jewish Museum in ihrem Geburtsviertel noch bis April 2023 eine Sonderausstellung zu ihrem abenteuerlichen Leben.

Das Museum, dank seiner komplexen und ansprechenden Darstellung jüdischen Lebens im damaligen Galizien ohnehin ein Besuchermagnet, lässt hier eine einzigartige Erfolgsgeschichte Revue passieren. Eine junge Frau, aufgewachsen in eher bescheidenen Verhältnissen in Kazimierz, zieht nach Wien und wandert dann nach Australien aus, wofür sie ihren Vornamen in Helen ändert.

Helena Rubinstein bei der Arbeit in ihrem Labor um 1910
Helena Rubinstein bei der Arbeit in ihrem Labor um 1910
Quelle: pa/Everett Collection/Copyright © CSU Archives/Everett Collectio

In Down Under experimentiert sie erstmals mit Hautcremes, ehe sie dann in Paris und in New York so richtig erfolgreich wird, Schönheitssalons gründet, ihr wachsendes Imperium quasi globalisiert und auch als Mäzenin tätig wird. 1937 lässt sie sich scheiden und heiratet einen knapp 30 Jahre jüngeren georgischen Prinzen.

Als große Förderin der Künste posierte Helena Rubinstein an der Seite von Picasso, Dalí und Hemingway, dabei präsentierte sie den Kameras stets ein makelloses Gesicht. Und blieb doch weiterhin „das Mädchen aus Kazimierz“, das sechs ihrer Schwestern zu sich in die USA holte (die siebte kam im Holocaust um) und in ihrem Nobel-Apartment bodenständige Piroggen kochte.

Die Königin der Cremedöschen und Flakons starb 1965 im hohen Alter von 92 Jahren, die nach ihr benannte Luxusmarke gehört inzwischen L’Oréal, doch die legendäre Unternehmerin bleibt unvergessen. Interessant ist auch eine geführte Tour auf den Spuren von Helena Rubinstein durch Kazimierz, die in der Ausstellung gebucht werden kann.

4. Sehenswerte christliche Kirchen

Das Innere der Fronleichnamkirche zeigt eine Opulenz, die angesichts der strengen Backsteingotik außen überrascht. Ein Zauberkästchen mit Weihrauch und Orgelklang, Marmor und goldenen Verzierungen, zahlreichen Kunstwerken, darunter das Gemälde „Krakauer Madonna“ des deutschen Renaissance-Malers Lucas Cranach des Älteren.

Krakau: Marmor, goldene Verzierungen und zahlreichen Kunstwerke schmücken das Innere der Fronleichnamkirche in Kazimierz
Marmor, goldene Verzierungen und zahlreichen Kunstwerke schmücken das Innere der Fronleichnamkirche
Quelle: pa/Bildagentur-online/AGF/Hermes Images-AGF

Draußen rieselt still der Schnee, die Straßenbahn surrt über die Krakowska-Straße – und in der Sichtachse der Kirche ist ein weiteres architektonisches Highlight zu entdecken: die berühmte Paulinerbasilika. Die spätbarocke Kirche aus dem frühen 18. Jahrhundert zählt ebenfalls zu den christlichen Sakralbauten, die man in Kazimierz besichtigen sollte.

Innen beeindruckt eine atemberaubende Architektur, in der sich die verzierten Gewölbebögen zwischen den Zeiten zu spannen scheinen. Unten in einem der Sarkophage in der Krypta ruht kein Geringerer als Czeslaw Milosz, Polens berühmtester Dichter, Solidarnosc-Unterstützer, Literaturnobelpreisträger und skeptischer Gläubiger, der 2004 in Krakau verstarb.

5. Ein Ausgehviertel in Krakau

In Kazimierz beginnt das Ausgehen oft schon am späten Nachmittag. Man macht es sich gemütlich unter alten Bildern und Wandteppichen in Café-Restaurants wie dem „Mleczarnia“ oder in den Clubs wie dem „Alchemia“, wo vorne Grog und Absinth getrunken und hinten für ein abendliches Jazz-Konzert geprobt wird.

Kazimierz in Krakau: In Clubs wie dem „Alchemia“ trifft man sich gern auch schon nachmittags
In Clubs wie dem „Alchemia“ trifft man sich gern auch schon nachmittags
Quelle: pa/imageBROKER/Petr Svarc

Einladend auch das Klingeling an den Türen der zahlreichen Vinyl-, Vintage- und Retro-Läden in der Ulica Józefa, benannt nach dem einstigen österreichischen Kaiser. Und dann rund um Mitternacht: Polyglotter Chic in der Cocktailbar „Sababa“, studentische Bier- und Weinseligkeit in den Kneipen in der Nähe des Plac Nowy, freudiges Weiterziehen in das „Café Hevre“, eine Bar in einer ehemaligen Synagoge, die am Wochenende zum Dancefloor wird.

Krakau: Das „Café Hevre“ befindet sich in einer ehemaligen Synagoge, die am Wochenende zum Dancefloor wird
Das „Café Hevre“ befindet sich in einer ehemaligen Synagoge, die am Wochenende zum Dancefloor wird
Quelle: pa/NurPhoto/Jakub Porzycki

Man hört eine Stimmensymphonie aus Polnisch, Englisch, Hebräisch, Deutsch und Ukrainisch. So auch im schwul-lesbischen „Zoo Klub“, wo geflüchtete junge Frauen aus Kiew oder Charkiw ihren polnischen Freunden und hereingeschneiten Touristen aus aller Welt von vergangenen Schrecken erzählen – und vom erleichterten Durchatmen, nun hier zu sein, in der Geborgenheit von Kazimierz.

Tipps und Informationen:

Anreise: Bequem und umweltfreundlich mit der Bahn, etwa ab Berlin mit dem EC ohne Umsteigen in sieben Stunden nach Krakau. Von Frankfurt und München gibt es zum Beispiel Direktflüge mit Lufthansa oder LOT.

Touren: Individuell und in kleineren Gruppen führt die deutschsprachige Kazimierz-Kennerin Sylwia Jeruzal durch die Stadt (jers11@op.pl). Eine Tour „Auf den Spuren von Schindlers Liste“ zum Erkunden auf eigene Faust ist auf der Tourismus-Website von Krakau beschrieben (krakow.travel/de/wycieczki/22736).

Unterkunft: In Kazimierz gibt es gut eingerichtete Apartment-Wohnungen, Ferienwohnung für Zwei ab 80 Euro(oldtownresidence.pl/en), aber auch Hotels mit Atmosphäre, etwa das „Hotel Estera“, Doppelzimmer ab 85 Euro (hotelestera.pl/en/) oder das „Rubinstein Hotel“, Doppelzimmer ab 50 Euro (rubinstein.pl/en/).

Auskunft: Polnisches Fremdenverkehrsamt (polen.travel/de); Touristinfo Krakau (krakow.travel/de/).

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt vom Polnischen Fremdenverkehrsamt. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter axelspringer.com/de/werte/downloads.

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