Die Rechtsaußen-Fraktion Identität und Demokratie (ID) im Europaparlament hat sämtliche Mitglieder der europäischen AfD-Delegation ausgeschlossen. Nach WELT-Informationen stimmten Lega (Italien), Rassemblement National (Frankreich), Vlaams Belang (Belgien) sowie Freiheit und direkte Demokratie (Tschechien) für einen entsprechenden Antrag des Fraktionschefs Marco Zanni (Lega).
Zuvor war mitgeteilt worden, dass eine Nichtbeantwortung wie üblich als Zustimmung gewertet werde. Die Dänische Volkspartei hatte sich nicht an der Abstimmung beteiligt und wird daher zu den Ja-Stimmen gezählt. Für den Ausschluss von Fraktionsmitgliedern ist laut Satzung eine absolute Mehrheit notwendig – demnach müssen fünf Delegationen zustimmen.
Die AfD, die österreichische FPÖ und die Estnische Konservative Volkspartei stimmten gegen den Ausschluss aller AfD-Mitglieder. Sie hatten zuvor einen alleinigen Ausschluss von Maximilian Krah beantragt.
Die tschechische Delegation hatte die Frage, ob ein Ausschluss befürwortet oder abgelehnt wird, nicht klar beantwortet. „Wir unterstützen die Meinung von Marine Le Pen“, schrieb Delegationsleiter Ivan David in einer WELT vorliegenden Mail an das ID-Präsidium. Dies wurde als Zustimmung gewertet. Erst nach Schluss der Abstimmung teilte Ivan David mit: „Mit der Unterstützung der Stellungnahme von Marine Le Pen habe ich gemeint, dass ich mit dem Beschlussentwurf einverstanden bin.“
Die AfD-Delegation erkennt darin eine ungültige Stimme und wird Widerspruch einlegen. Davids Antwort sei „keine gültige Antwort“, heißt es in einer WELT vorliegenden Mail der AfD-Delegationsleiterin Christine Anderson an das ID-Präsidium. „Die Abstimmung ist geschlossen, und daher ist jede Klarstellung nach dem Ende der Abstimmung unzulässig.“
„Zieht leider gesamte AfD in Mitleidenschaft“
In dem Antrag des Fraktionschefs war der Ausschluss der AfD-Delegation mit einer „Reihe von Vorfällen“ begründet worden, „in die Herr Maximilian Krah und – im weiteren Sinne – die deutsche Delegation der Fraktion verwickelt waren“. Diese Vorfälle hätten „dem Zusammenhalt und dem Ansehen der Fraktion geschadet“.
AfD-Spitzenkandidat Krah hatte am Mittwoch seinen Rückzug vom Europawahlkampf und seinen Rücktritt aus dem AfD-Bundesvorstand verkündet. Zuvor hatten die bisherigen französischen und italienischen Partnerparteien – Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen und Lega von Matteo Salvini – angekündigt, im künftigen Europäischen Parlament nicht mehr mit der AfD zusammenarbeiten zu wollen. Anlass war unter anderem ein Interview, in dem Krah behauptet hatte, dass nicht jeder SS-Soldat ein Verbrecher gewesen sei.
RN-Delegationsleiter Jean-Paul Garraud begründet die Stimme seiner Delegation für den Ausschluss der AfD mit Krahs Äußerungen zur SS. Diese seien „für die RN-Partei inakzeptabel“, heißt es in einer WELT vorliegenden Mail an das ID-Präsidium. „Diese Erklärung des deutschen Spitzenkandidaten ist nicht nur unstatthaft, sondern zieht leider auch die gesamte AfD in Mitleidenschaft.“
Gerolf Annemans, Delegationsleiter der dänischen Regionalpartei Vlaams Belang, teilte in einer Mail an das ID-Präsidium mit: „Die flämische Delegation stimmt nach Gesprächen mit allen betroffenen Parteivorsitzenden (traurigerweise) formell zu.“
Die AfD-Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla teilten mit: „Die AfD wird selbstverständlich anstreben, mit einer verstärkten Delegation für eine schlagkräftige Fraktion im Europäischen Parlament zu sorgen. Um in Brüssel politisch wirken zu können, ist ein Zusammenarbeiten mit nahestehenden Parteien unerlässlich. Wir sind daher zuversichtlich, auch in der neuen Legislaturperiode verlässliche Partner an unserer Seite zu haben.“