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Deutschland Wahlparty

AfD erklärt sich selbst zur neuen Volkspartei

„Sie haben uns als Pack bezeichnet, wollten uns aber nie hören“

Großer Jubel bei der AfD: In allen drei Ländern ziehen sie auf Anhieb in die Parlamente ein. Teilweise als zweitstärkste Kraft. Triumph und Genugtuung bei den Spitzenkandidaten, Entsetzen bei den politischen Gegnern.

Quelle: Die Welt

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Die Anhänger der AfD strotzen vor Selbstbewusstsein. Sie begreifen sich als die neue, wahre Opposition, die jetzt auftrumpfen kann. Und sie haben hochfliegende Pläne für die kommenden Wahlen.

Nur für einen Moment ist der Saal still. Schwarze, rote und grüne Balken wachsen auf der Leinwand. Doch wo bleibt die AfD? Die erscheinenden Balken werden immer kleiner. Verunsicherung. Kann das sein? Waren die Ergebnisse in Sachsen-Anhalt doch nicht so gut? Dann sprießt der blaue Balken der AfD doch noch in die Höhe: unaufhaltsam. Der Jubel ist brachial. „AfD, AfD“, ruft die Menge immer wieder.

CDU vorne, AfD zweitstärkste Partei

Aus der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ist die CDU als Sieger hervorgegangen. Die rechtspopulistische AfD erzielt auf Anhieb 21,5 Prozent und wird damit zweitstärkste Kraft.

Quelle: Die Welt

Es ist 18 Uhr, Wahlsonntag. Die ersten Hochrechnungen werden über das Fernsehprogramm an die Wand geworfen, und die AfD hat es allen gezeigt: den „Altparteien“, wie sie sie nennen, den Medien, die angeblich alle gegen sie waren, ganz Deutschland letztlich. So ist der Ton des Abends auf der Wahlparty der AfD. Das wird herausgeklatscht, hinausgejohlt.

Hier ist der Ort, an dem sich die Freude darüber bündelt: ein Hostel im Osten Berlins. Etwa 320 Leute quetschen sich in den Veranstaltungssaal. Die Berliner AfD-Vorsitzenden Beatrix von Storch und Georg Pazderski stehen auf der Bühne. „Heute ist ein wirklich wichtiger Tag, denn es ist etwas Wichtiges für die Demokratie zurückgekommen, nämlich eine wirkliche Opposition“, ruft Beatrix von Storch. „Wir sind gekommen, um zu bleiben, haben wir gesagt. Und heute hat man gesehen, dass die AfD gekommen ist. Und die AfD bleibt.“ Lauter Beifall und Gejohle.

Sprechchöre johlen: „Merkel muss weg“

Es ist nur eine kurze Ansprache, aber die Anwesenden brauchen nicht mehr aufgepeitscht zu werden. Sie wirken berauscht genug. Jetzt ist Pazderski dran: „Für uns als Berliner muss das ein Ansporn sein. Wir werden im Herbst in Berlin zweistellig in das Parlament einziehen“, sagt er. Er wird von lauten Sprechchören unterbrochen: „Merkel muss weg! Merkel muss weg!“ Ein Mann klatscht einem anderen überschwänglich auf die Schulter und sagt: „Ist das geil, oder was?!“ Wer keine Kamera in der Hand hat oder einen Presseausweis um den Hals trägt, prostet sich zu.

Die Berliner AfD-Vorsitzenden Georg Pazderski und Beatrix von Storch sehen sich als die neue, wirkliche Opposition
Die Berliner AfD-Vorsitzenden Georg Pazderski und Beatrix von Storch sehen sich als die neue, wirkliche Opposition
Quelle: REUTERS

Vor den ersten offiziellen Hochrechnungen hatten sich schon Zahlen herumgesprochen. „Überall zweistellig“, raunt da einer dem anderen ins Ohr. Ein junger Mann frohlockt: „Heute wird Geschichte geschrieben.“ Und ein anderer seufzt: „Ein historischer Tag.“ Zuvor hatte er einer Dame noch erklärt, warum er die Bezeichnung „Lückenpresse“ gegenüber Lügenpresse bevorzuge („die lassen Details weg oder zeigen Kinder mit Kulleraugen, obwohl es viel mehr Männer sind, die kommen“). Das Selbstbewusstsein ist enorm. Keiner will sich mehr verstellen.

In Magdeburg sieht man sich schon als „Volkspartei“

Etwas später in Magdeburg. Hier sieht es so aus, als sei die Wahlparty der AfD schon zu Ende. Auf den Stehtischen stehen leere Flaschen Rotkäppchen-Sekt, Fernsehteams bauen bereits ihre Kameras ab. Da kommt um kurz nach 21 Uhr ein strahlender André Poggenburg ins Magdeburger Event-Center – Landeschef der AfD in Sachsen-Anhalt, Spitzenkandidat seiner Partei und der große Gewinner des Abends.

„Für Ausländerfeinde wird es nie die helfende Hand der CDU geben“

Sichtlich ernüchtert von der Wahlniederlage in Rheinland-Pfalz trat CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner vor ihre Anhänger. Sie stellte dabei klar, wie sehr sie die rechtspopulistische AfD verachtet.

Quelle: Die Welt

Plötzlich ist der Saal wieder voll. „Dieser Tag ist unser“, ruft Poggenburg seinen Anhängern zu. „Wir haben Politik wieder interessant gemacht.“ Und er spricht, ja, bellt fast in die Menge, dass an diesem Tag alle Zeugen seien, wie gerade eine neue Volkspartei im Entstehen sei.

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Aus den Lautsprechern im Hintergrund tönt in diesem Moment bestimmt nicht zufällig „So sehen Sieger aus, schalalalala …“. Die Menge skandiert lautstark und wie auf Befehl: „Volkspartei. Volkspartei“. Poggenburg hält kurz inne. Dann ist er mit seiner kurzen Ansprache auch schon am Ende: „Und jetzt wollen wir noch ein bisschen feiern.“

Würstchen und Kartoffelsalat als Siegesschmaus

Gefeiert wird mit deutscher Hausmannskost: Kartoffelsalat und Würstchen, Kassler, Grünkohl und Kohlroulade. Der kleine Festsaal ist mit blauen, roten und weißen Luftballons geschmückt. Parteifreunde aus Sachsen, Brandenburg und Thüringen sind angereist, sogar aus Bayern werden Grüße überbracht.

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Ein Mann murmelt mit schon etwas schwerer Zunge selig vor sich hin, er freue sich so und sei an diesem Tag endlich einmal wieder richtig glücklich. Auf seinem hellblauen T-Shirt steht „Mein Herz schlägt für Deutschland“.

Auf einer großen Leinwand werden die Hochrechnungen von ARD und ZDF übertragen. Und die Menge bricht jedes Mal in Jubel aus, wenn das aktuelle AfD-Ergebnis genannt wird. Als einmal kurz SPD-Chef Sigmar Gabriel zu hören ist, gibt es lautes Gelächter. Auch als die gescheiterte sachsen-anhaltische SPD-Spitzenkandidatin Katrin Budde im Bild erscheint, lacht die Menge.

„Dieser Tag ist unser“, ruft André Poggenburg, Spitzenkandidat der AfD in Sachsen-Anhalt, seinen Anhängern zu
„Dieser Tag ist unser“, ruft André Poggenburg, Spitzenkandidat der AfD in Sachsen-Anhalt, seinen Anhängern zu
Quelle: dpa

Ansonsten ist die Stimmung auf dieser AfD-Veranstaltung eher zurückhaltend, von Übermut und Ausgelassenheit ist zumindest für Außenstehende nichts zu spüren. Vielleicht liegt es daran, dass die Journalisten zunächst deutlich in der Mehrheit sind – bis sie kurz vor 22 Uhr freundlich aufgefordert werden zu gehen. Die AfD wolle noch ein wenig unter sich feiern.

Viele Parteimitglieder haben sich erst für den späteren Abend angekündigt, weil sie, wie es hieß, noch in den Wahllokalen zu tun hätten. Die AfD hatte eigene „Wahlbeobachter“ entsandt, damit beim Auszählen der Stimmzettel auch wirklich alles mit rechten Dingen zugehen würde.

Björn Höcke auf Visite bei den Parteifreunden

So ist es gar nicht so einfach, überhaupt einen der neuen Landtagsabgeordneten zu identifizieren. Matthias Lieschke zum Beispiel, der früher FDP-Wähler war und 2013 in die AfD eintrat, weil er sich durch die „Altparteien“, wie die politische Konkurrenz von der neuen Partei genannt wird, nicht mehr vertreten fühlte. Oder Tobias Rausch, der sich in seiner Fraktion um das Thema Finanzen kümmern will und sich an diesem Wahlabend einfach nur „großartig“ fühlt.

Der thüringische AfD-Vorsitzende und Fraktionschef im Erfurter Landtag, Björn Höcke, ist angereist, um mit den Parteifreunden das „historische Wahlergebnis“ zu feiern. „Nach der Anspannung muss es auch Entspannung geben“, sagt er. An diesem Abend wolle er noch nicht an die nächsten Landtagswahlen im September in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin denken, obwohl das Wahlergebnis nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz der AfD Rückenwind gebe.

Zwiespältiges Verhältnis zur Presse

Sachsen-Anhalts AfD-Vorsitzender Poggenburg indes ist natürlich umringt von Journalisten, steht Rede und Antwort. Er fühle sich „fantastisch“, sagt er. Das Wahlergebnis seiner Partei habe ihn weder erschreckt noch überrascht: 20 plus x sei schließlich das erklärte Ziel gewesen. Nun freue er sich auf die Oppositionsarbeit. Und wenn seine Partei einmal Regierungsverantwortung übernehme, dann bitte als stärkste Kraft. Der nächste ganz große Schritt sei nun die Bundestagswahl.

Die Vorsitzende der AfD, Frauke Petry, findet die Berichterstattung der Welt zur AfD „unterirdisch“
Die Vorsitzende der AfD, Frauke Petry, findet die Berichterstattung der Welt zur AfD „unterirdisch“
Quelle: dpa
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Ganz anders ist es dagegen bei der Wahlparty in Berlin. Das Misstrauen, das den Vertretern der Medien hier entgegenschlägt, findet man sonst wohl nur auf Pegida-Demonstrationen. Frauke Petry will der „Welt“ kein Statement geben. „Ihr Artikel war unterirdisch“, beschwert sie sich. „Mit Ihnen rede ich nicht!“ Die Kritik der „Welt“ an der Arbeit der AfD im sächsischen Landtag hatte sie anscheinend persönlich getroffen. Der AfD-Fraktion dort sitzt sie selbst vor. Auch ihr Freund Marcus Pretzell, der AfD-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, wendet sich nur grinsend ab, als man ihn um ein Statement bittet.

Es wirkt ein bisschen so, als komme die AfD als früherer Loser auf ein Klassentreffen und beweise jetzt den coolen Kids von früher, was schon immer in ihr gesteckt hat. Und dabei fährt sie mit dem Porsche vor. Heute ist nicht der Tag der Freundlichkeit, sondern der des Stinkefingers der Gewinner. Der ist blau und in Sachsen-Anhalt um die 24 Prozentpunkte lang.

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