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  4. AfD in Sachsen-Anhalt: Reiner Haseloff muss jetzt experimentieren

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Nach dem AfD-Schock sucht Haseloff neue Partner

Das sind die Gewinner und Verlierer des Wahltags

Der Grüne Kretschmann triumphiert, CDU-Frau Klöckner verliert - und in allen Ländern schafft es die AfD auf Anhieb und sehr klar in die Parlamente. Ein denkwürdiger Wahlsonntag im Überblick.

Quelle: Die Welt

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Die AfD wird mit Spitzenkandidat André Poggenburg auf Anhieb zweitstärkste Kraft, die Linke macht der CDU Avancen. Ministerpräsident Reiner Haseloff steht vor einer spektakulären Koalitionssuche.

Einige Sekunden vor den ersten Zahlen wurde es ganz still, und dann brach der Jubel los: Die Alternative für Deutschland (AfD) ist hinter der CDU die zweitstärkste Partei in Sachsen-Anhalt geworden. In einem Magdeburger Tagungscenter feierten die AfD-Anhänger bei Kassler und Kohlrouladen ihren Wahlerfolg: „Wir sind gekommen, um zu bleiben.“ Sogar der britische Sender Sky News hatte ein Team geschickt, um von der Wahlparty zu berichten.

Die CDU bleibt zwar stärkste Partei, musste aber auch leichte Verluste hinnehmen. Für Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) ist das Wahlergebnis eine Niederlage. Er wollte die große Koalition mit der SPD fortsetzen, sagte er, wies aber darauf hin, dass in Deutschland das Spektrum für Regierungsbildungen durcheinander gekommen sei. „Wir müssen das als etablierte Parteien aufgreifen und Lösungen finden.“

Haseloff war mit der klaren Botschaft in den Wahlkampf gezogen: Bloß keine Experimente. Schon gar nicht so etwas wie ein neues „Magdeburger Modell“, das einst bundesweit für Aufsehen sorgte, als sich 1994 eine rot-grüne Minderheitsregierung von der Linkspartei tolerieren ließ.

Nun sieht es so aus, als zwinge das Wahlergebnis Haseloff, Experimente zu wagen. Eine Neuauflage der großen Koalition ist in weite Ferne gerückt. Nur im Dreierbündnis mit FDP oder Grünen könnte es weitergehen. Oder mit der Linken, was ausgeschlossen scheint. Haseloff kündigte an, eine „starke Regierung der Mitte“ bilden zu wollen. Alle müssen aber erst einmal den großen Schock verarbeiten.

„Tradition des Protestwählens“

Der Magdeburger Politikwissenschaftler Hendrik Träger erklärt das starke Abschneiden der Rechtspopulisten mit einer „Tradition des Protestwählens“. So zog auch schon mal die DVU in den Landtag ein. Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen profitierte die AfD vom großen Potenzial an Protestwählern, das sie voll ausschöpfen konnte. Die CDU vor allem vom Amtsbonus ihres Spitzenkandidaten Haseloff.

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Der große Verlierer der Wahl ist die SPD. Die Verluste sind dramatisch. Spitzenkandidatin Katrin Budde hat ihr Ziel damit klar verfehlt. Seit 1990 ist sie Mitglied des Landtags, sie war Wirtschaftsministerin, ist Fraktions- und Landeschefin. Der Einzug in die Magdeburger Staatskanzlei sollte die Krönung ihrer politischen Laufbahn sein. Fast trotzig erklärte sie nach ihrer Niederlage, stolz darauf zu sein, vom flüchtlingspolitischen Kurs der SPD im Wahlkampf nicht abgewichen zu sein. „Wir werden den Kampf mit den Rechtspopulisten entschlossen aufnehmen“, sagte Budde. Kein Gedanke daran, zurückzutreten – auch wenn es aus den eigenen Reihen bereits Forderungen gibt. „Uns bleibt gar nichts anderes übrig“, sagte der Landrat des Jerichower Landes.

Auch die Linke musste Verluste hinnehmen. Spitzenkandidat Wulf Gallert schaffte es auch im dritten Anlauf nicht, Regierungschef zu werden. Der Frust etlicher Wähler sei bei Leuten gelandet, die einfache Antworten geben, sagte er enttäuscht. Aber man könne die AfD mit ihren Thesen jetzt im Landtag stellen. Bislang habe sich die rechtspopulistische Partei dem entzogen.

Schwere Zeiten für die Linke

Während schon die übrigen Parteien wegen der aktuellen Fokussierung auf die Einwanderungsfrage mit landespolitischen Themen kaum durchdrangen, galt dies für die Linke umso mehr. Besonders im sonst für die SED-Nachfolgepartei ergiebigen Reservoir der Protestwähler machte die neue rechte Konkurrenz von der AfD das Rennen.

Den Wählern ohne klare Parteienbindung stand der Sinn bei dieser Wahl eher danach, rechts zu hupen, als links zu blinken. Zumal in der alles überragenden Flüchtlingsfrage die etablierten Parteien links kaum Platz für noch „linkere“ Politik ließen. Gegen die im Kanzleramt beschlossene und von den übrigen Kräften mitgetragene strenge Abkehr von nationalen Lösungen und Fixierung auf europäische und internationalistische Strategien, hatte selbst der linke „No nation, no borders“-Flügel der Linkspartei wenig einzuwenden.

So kam es zu überraschenden Situationen, in denen sich die Fraktionsvorsitzende, Sahra Wagenknecht, in der Flüchtlingspolitik rhetorisch rechts von der CDU wiederfand. Ebenso wie SPD und Grüne verlor sie in Sachsen-Anhalt stark. Dabei hatte Spitzenkandidat Wulf Gallert ursprünglich ein rot-rot-grünes Bündnis angestrebt, noch im Herbst schien es möglich, dass Deutschland nach Bodo Ramelow in Thüringen einen zweiten linken Ministerpräsidenten bekommen könnte. Nun scheint der Linkspartei rechnerisch nur ein Bündnis mit der CDU zu bleiben, was wohl nicht einmal Sondierungen nach sich ziehen wird. Doch auf die Frage nach einer möglichen Koalition mit der CDU sagte Gallert zur Überraschung im MDR: Zunächst sei es der Auftrag, linke Alternativen zur CDU zu bieten. Komme man im Land in eine „schwierige Situation“, werde man sich „mit dieser Situation auseinandersetzen“.

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