Der Schuldspruch gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump in dem Prozess um die Verschleierung von Schweigegeld-Zahlungen an eine Pornodarstellerin polarisiert die USA. Die US-Zeitung „Wall Street Journal“ kommentiert das Urteil am Freitag kritisch.
„Wir zweifeln nicht an der Aufrichtigkeit der Geschworenen in Manhattan, aber viele Wähler werden all dies verdauen und zum Schluss kommen, dass Trump zwar ein Schuft sein mag, diese Verurteilung ihn aber nicht für eine zweite Amtszeit im Weißen Haus disqualifiziert“, hieß es. Richter Juan Merchan habe die juristische Kreativität von Staatsanwalt Alvin Bragg in einer Weise toleriert, „wie es ein Berufungsgericht vielleicht nicht tun würde.“
Die Frage sei: „Was ist, wenn Trump die Wahl verliert und in der Berufung Recht bekommt?“ Die Verurteilung schaffe einen Präzedenzfall dafür, juristische Fälle zu nutzen, um zu versuchen, politische Gegner auszuschalten, einschließlich ehemalige Präsidenten. „Trump hat bereits geschworen, sich zu revanchieren. Wenn den Demokraten am Donnerstag bei der Verlesung des Schuldspruchs zum Jubeln zumute war, sollten sie noch mal darüber nachdenken. Bragg könnte eine neue destabilisierende Ära der US-Politik eingeleitet haben, und niemand kann sagen, wie sie enden wird.“
Die „New York Times“ kommentierte hingegen: „Die Entscheidung der Jury und die im Prozess präsentierten Fakten sind eine weitere – vielleicht die bislang deutlichste – Erinnerung an die vielen Gründe, warum Donald Trump für das Amt ungeeignet ist.“
Weiter hieß es: „Trump hat versucht, Wahlen und das Strafrechtssystem – beides grundlegende Elemente der US-Demokratie – zu sabotieren, als er glaubte, dass sie nicht das von ihm erwünschte Ergebnis bringen würden. Bislang haben sie sich als widerstandsfähig genug bewiesen, seinen Angriffen standzuhalten. Die Geschworenen haben ihr Urteil verkündet, so wie es die Wähler im November machen werden. Wenn die Republik überleben soll, sollten wir uns alle, einschließlich Trump, an beide halten, unabhängig vom Ergebnis.“
Trump war kurz zuvor im Prozess um die Verschleierung von Schweigegeld-Zahlungen an eine Pornodarstellerin in New York schuldig gesprochen worden. Es ist das erste Mal in der amerikanischen Geschichte, dass ein Ex-Präsident wegen einer Straftat verurteilt wird.
300.000 Dollar für Trump
Nach Bekanntmachung des Schuldspruchs verstärkten einige große republikanische Geldgeber ihre finanzielle Unterstützung für Donald Trump. Shaun Maguire, ein Tech-Investor aus dem Silicon Valley, der vorher noch nicht für Trump gespendet hatte, gab nach dem Urteilsspruch im Online-Dienst X bekannt, dass er 300.000 Dollar zur Unterstützung von Trump gespendet habe. „Ich glaube, dass unser Justizsystem als Waffe gegen ihn eingesetzt wird“, sagte Maguire der Nachrichtenagentur Reuters.
Don Tapia, ein ehemaliger Botschafter Trumps in Jamaika, erklärte: „Wir werden uns voll und ganz für ihn (Trump, Anm. d. Red.) einsetzen.“ Er und ein kleines Netzwerk von Familienmitgliedern und Freunden hätten geplant, Trump bei dieser Wahl mit rund 250.000 Dollar zu unterstützen. Nach der Verurteilung wolle die Gruppe mehr als eine Million Dollar geben.
Trump wirbt direkt um Spenden
Vor dem Gericht sagte Trump: „Ich bin ein sehr unschuldiger Mann.“ Das Urteil sei „eine Schande“. Der Richter sei korrupt gewesen und das „wirkliche Urteil“ werde bei der US-Präsidentenwahl im November fallen.
Sein Wahlkampfteam warb direkt nach dem Schuldspruch um Spenden. „Ich bin ein politischer Gefangener“, hieß es in einer E-Mail des Trump-Teams und auf der Spenden-Webseite des Republikaners. „Ich wurde gerade in einem manipulierten Hexenjagd-Prozess verurteilt: Ich habe nichts falsch gemacht“, hieß es weiter. „Aber mit eurer Unterstützung in diesem Moment der Geschichte werden wir das Weiße Haus zurückgewinnen und Amerika wieder großartig machen.“
Der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, bezeichnete die Verurteilung von Trump als „falsch“ und „gefährlich“. „Heute ist ein beschämender Tag in der amerikanischen Geschichte“, schrieb auf der Plattform X. Es habe sich um eine „politische Übung“ gehandelt, keine juristische. Die Entscheidung sei ein weiterer Beweis dafür, dass die Demokraten vor nichts zurückschreckten, um abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen und ihre politischen Gegner zu vernichten, so Johnson weiter.
Der republikanische Senator Marco Rubio zürnte bei X: „Das Urteil in New York ist eine absolute Farce, die unser Rechtssystem zum Gespött macht“.
Der Parteivorsitzende der Republikaner, Michael Whatley, sprach von einem Feldzug, in dem die Justiz zur Waffe gegen Trump gemacht werde. Trumps frühere Sprecherin Sarah Huckabee Sanders, die heute Gouverneurin von Arkansas ist, nannte den Prozess gegen Trump ein „politisch motiviertes Schandverfahren“ und versicherte, Trump werde trotzdem wieder Präsident.
So reagiert Biden auf den Schuldspruch
Das Weiße Haus erklärte nach der Verurteilung, die „Rechtsstaatlichkeit“ zu respektieren. „Wir respektieren die Rechtsstaatlichkeit und haben keinen weiteren Kommentar abzugeben“, erklärte ein Sprecher des Weißen Hauses.
US-Präsident Joe Biden nutzte die Verurteilung für einen Wahlaufruf und Werbung in eigener Sache. „Es gibt nur einen Weg, Donald Trump aus dem Oval Office herauszuhalten: An den Wahlurnen“, schrieb der Demokrat auf seinem privaten X-Account am Donnerstag. „Spenden Sie noch heute für unsere Kampagne.“
Auch das Wahlkampfteam von US-Präsident Biden reagierte. „In New York haben wir heute gesehen, dass niemand über dem Gesetz steht“, erklärte der Kommunikationsdirektor der Kampagne von Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris, Michael Tyler.
Vor dem Gericht in New York hatten sich Dutzende Schaulustige versammelt. Einige von ihnen feierten das Urteil. So hielt eine Frau ein Schild mit der Aufschrift „Trump convicted“ (Trump verurteilt) in die Höhe und tanzte, auf dem Schild eines Mannes stand „guilty“ (schuldig) auf dem eines anderen „Lock him up“ (sperrt ihn ein). Andere Menschen lieferten sich hitzige Diskussionen mit Unterstützern von Trump.
Der Schlüsselzeuge der Anklage, Michael Cohen, begrüßte das Schuldurteil gegen seinen früheren Chef. Der Ex-Anwalt Trumps sprach im Onlinedienst X von einem „wichtigen Tag“ für die Rechtsstaatlichkeit. Es sei eine schwierige Reise für ihn uns seine Familie gewesen, aber „die Wahrheit ist immer wichtig“.
Die Aktien der Trump Media & Technology Group (TMTG), die das Online-Netzwerk „Truth Social“ betreibt, gehen nach dem Schuldspruch auf Talfahrt. Die Anteilsscheine brechen um 14 Prozent ein.