Im Prozess um die Verschleierung von Schweigegeld-Zahlungen an eine Pornodarstellerin haben die Geschworenen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump schuldig gesprochen. Das teilte die Jury am Donnerstag in New York mit. Es ist das erste Mal in der amerikanischen Geschichte, dass ein Ex-Präsident wegen einer Straftat verurteilt wird. Trump, der am Nachmittag im Gerichtssaal gelassen gewirkt hatte, nahm das Urteil äußerlich ungerührt hin.
Vor dem Gerichtssaal nannte er das Urteil in einem kurzen Statement „eine Schande“. Der Richter sei korrupt gewesen und das „wirkliche Urteil“ werde bei der US-Präsidentenwahl im November fallen. „Ich bin ein sehr unschuldiger Mann“, so Trump. Sein Anwalt Todd Blanche kündigte wenige Stunden danach an, Berufung gegen das Urteil einzulegen, nachdem das Strafmaß von Richter Juan Merchan verkündet wurde.
Er werde dann die Entscheidung des Richters anfechten, sich nicht wegen Befangenheit aus dem Fall zurückgezogen zu haben, sagte Blanche im Interview mit dem US-Sender Fox News an. Auf die Frage, ob er finde, dass sein Mandant einen fairen Prozess bekommen habe, antwortete der Anwalt: „Nein, ich denke nicht.“
Richter Merchan wird das Strafmaß am 11. Juli verkünden – nur wenige Tage vor dem Parteitag der Republikaner, auf dem Trump voraussichtlich zum Präsidentschaftskandidaten der Partei ernannt wird. Trump droht eine mehrjährige Freiheitsstrafe, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, oder eine Geldstrafe. Der Republikaner kann Berufung einlegen – und selbst bei einer rechtskräftigen Verurteilung bei der Präsidentenwahl im November antreten.
Der Richter ließ Trump nach dem Schuldspruch ohne Hinterlegung einer Kaution auf freiem Fuß – somit wird er trotz seiner Verurteilung nun wieder viel Zeit für den Wahlkampf haben, was ihm in den vergangenen Wochen verwehrt war.
Die Staatsanwaltschaft hatte Trump vorgeworfen, er habe seine Aussichten auf einen Erfolg bei der Präsidentschaftswahl 2016 durch die Zahlung von 130.000 Dollar Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels verbessern wollen und den Geldfluss anschließend unrechtmäßig verbucht. Dazu hatten die sieben Männer und fünf Frauen der Jury seit Mitte April die Aussagen von mehr als 20 Zeugen angehört – die Beratungen der Geschworenen liefen seit Mittwoch.
Obwohl die – von keiner Seite bestrittene – Zahlung selbst nicht illegal war, soll der heute 77-Jährige bei der Erstattung des Betrags an seinen damaligen persönlichen Anwalt Michael Cohen Unterlagen manipuliert haben, um den wahren Grund der Transaktion zu verschleiern. Dadurch habe er sich der illegalen Wahlkampf-Finanzierung in 34 Fällen schuldig gemacht. Trumps Anwälte hatten argumentiert, es habe sich um gewöhnliche Anwaltshonorare gehandelt.
Trump wirkte am Donnerstag vor Gericht nach außen hin so entspannt wie an kaum einem anderen der Verhandlungstage. Als er und alle Prozessbeteiligten gegen 16.30 Uhr New Yorker Zeit schon davon ausgingen, dass die Jury-Beratungen sich in den Freitag ziehen würden, kam plötzlich Richter Merchan in den Saal und verkündete, dass die Jury ein Urteil gefällt habe und nur noch das notwendige Formular ausfüllen müsse.
Schlagartig änderte sich die Stimmung im Gerichtssaal 1530. Trump, der gerade noch mit seinem Anwalt Todd Blanche angeregt geredet und sogar geschmunzelt hatte, wurde still und starrte mit versteinerter Miene geradeaus. So nahm er dann auch das Urteil eine halbe Stunde später hin: Der Vorsitzende der Jury stand auf und bekam nacheinander alle Anklagepunkte vorgelesen. Seine Antwort 34 Mal in Folge: „Schuldig.“
Das Urteil dürfte sich auch auf den gegenwärtigen Wahlkampf in den Vereinigten Staaten auswirken – die Frage dabei ist aber: wie stark und zu wessen Vorteil? Trump versucht den Fall in einen persönlichen Vorteil umzumünzen und seine Anhängerschaft zu mobilisieren, indem er sich als Opfer einer politisch motivierten Justiz inszeniert. Die erste strafrechtliche Verurteilung eines ehemaligen US-Präsidenten dürften viele Wähler jedoch als Schande verstehen.
Amtsinhaber Joe Biden wiederum, der im November wiedergewählt werden möchte, scheint von den rechtlichen Problem seines Herausforderers bislang nicht erkennbar zu profitieren. Neueste Umfragen deuten eher darauf hin, dass das Urteil für viele Amerikaner wenig an ihrer Wahlentscheidung für den 5. November ändern dürfte. Einfluss könnte aber das Strafmaß haben – vor allem für den eher unwahrscheinlichen Fall einer Haftstrafe.
Der Prozess fand unter beispiellosem medialem Interesse und strengsten Sicherheitsvorkehrungen in Downtown Manhattan statt. US-Medien hatten das Ereignis in Manhattan begleitet wie ein großes Sportereignis und aus dem Gerichtssaal, in dem keine TV-Aufnahmen erlaubt waren, im Minutentakt zitiert. Dabei wurde auch jede Regung Trumps kommentiert, der bei den Sitzungen stets anwesend war und eigentlich nur die Farbe seiner Krawatte von Tag zu Tag variierte.
Für den kurzen Fototermin zu Beginn der Sitzung setzte Trump regelmäßig ein grimmiges Gesicht auf. Einige Zeugen-Befragungen schien Trump interessiert zu verfolgen, an anderen Tagen waren sich US-Medien sicher, dass er die Augen über längere Zeit geschlossen hielt, weil er eingedöst war. Er nutzte den Prozess und den Medienauflauf dabei für den Wahlkampf und monologisierte vor Gerichtssaal 1530 häufig wütend über das seiner Meinung nach politisch motivierte Verfahren.
Zudem verwandelte Trump den Prozess in einen Loyalitätstest für seine republikanische Gefolgschaft. Neben dem Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson kamen auch Bewerber für das Amt des Vize-Präsidenten wie Senator J.D. Vance und Geschäftsmann Vivek Ramaswamy angereist.
Trumps Kinder Eric, Donald Junior und Tiffany waren ebenfalls im Gerichtssaal. Neben der Abwesenheit von Tochter Ivanka fiel aber vor allem auf, dass Ehefrau Melania Trump ihre öffentliche Unterstützung verweigerte.