Die Geschichte ist bekannt, sie muss nur kurz erwähnt werden, gerade weil sie den Dirigenten Teodor Currentzis bei seiner Neuaufnahme zum Glück so gar nicht interessiert.
Am Abend des 8. Dezember 1813, kaum anderthalb Monate nachdem Napoleon in der Völkerschlacht geschlagen worden war, wurde getanzt in der Wiener Universität. Ein Benefizkonzert für die Gefallenen.
Beethoven dirigierte, Spohr und Hummel und Meyerbeer spielten mit. „Wellingtons Sieg“, Beethovens Smash-Hit, wurde unter Jubelschreien zur Welt gebracht. Und die siebte Sinfonie.
Die Leute standen auf den Stühlen. Der zweite Satz musste wiederholt werden. Es war einer der patriotischsten zweiten Adventssonntage in der Geschichte Wiens.
Eine durchchoreographierte Partitur
Und jetzt zu dem, was Teodor Currentzis interessiert an dieser nun wahrlich im Katalog nicht unterrepräsentierten Sinfonie. Nichts als die Noten, nichts als das, was Beethoven wollte und als Erster so explizit ausformuliert in die Partitur schrieb – die Dynamik, die Feinheiten der Phrasierung, die kleinen Teile, aus denen Beethoven seine Partitur durchchoreografiert, die Wagner später „Apotheose des Tanzes“ nannte.
Currentzis interessiert sich diesmal nicht für Geschwindigkeitsrekorde. Wirft alles an Geschichts- und Geschichtenhintergrund (auch Wagner) aus dem Tempel, für den er Beethovens helles Musikgebäude hält.
Zusammen mit Musica aeterna, seinem geradezu gläubig folgenden Orchester, nimmt er jede Nuance, jede Phrase dieses rhythmisch-rhetorischen Meisterstücks neu in die Hand, feilt daran herum, spitzt zu, setzt alles unter enorme Spannung.
Baut eine neue Klangrede, einen neuen Tempel auf. Und lässt ihn tanzen.
Vielleicht war gar nicht die Neunte jene Beethoven-Sinfonie, vor der die Zeitgenossen verstummten und aus deren Schatten die Nachfahren schwer herauskamen. Sondern – das könnte man ahnen nach dieser hochmusikalischen Hochglanzdurchleuchtung – dieses bis in die letzte Verästelung feinziselierte Partitur, mit der Beethoven den Vorgabenkatalog der klassischen Sinfonie erfüllte und seine Ketten sprengte.
Man braucht allerdings – der dynamische Raum, den Currentzis nutzt, ist kathedralengroß und feinst verästelt – einen einsamen Abend mit guten Kopfhörern, um, was wichtig ist, jede Feinheit zu hören. Oder sehr geduldige Nachbarn.