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Film „Black Friday for Future“

„Meine Psychologin sagt, dass ich an Klimapanik leide“

Managing Editor im Feuilleton
Kaktus (Noémie Merlant, Mitte) fühlt sich als Täter und Opfer Kaktus (Noémie Merlant, Mitte) fühlt sich als Täter und Opfer
Kaktus (Noémie Merlant, M.) kämpft für Umweltschutz
Quelle: © Weltkino Filmverleih
Wenn man sich in eine Klimaaktivistin verliebt, wird man Teil ihrer Welt. Diese besteht aus Blockaden und dem unangenehmen Gefühl, Opfer und Täter zugleich zu sein. Die französische Komödie „Black Friday for Future“ zeigt, welche Ausmaße „Klimapanik“ annehmen kann.
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Er ist eine 10, aber lebt in Kanada. Sie ist eine 10, aber Schalke-Fan. „Er/Sie ist eine 10, aber“ heißt ein beliebtes TikTok-Spiel, mit dem sich in der Form von Gedankenexperimenten austarieren lässt, welche Eigenschaft die Attraktivität eines sonst in jeder Hinsicht idealen Partners in welchem Ausmaß minimieren würde. So kann etwa aus einer 10, die nicht gerne tanzt, schon mal schnell eine bloß passable 6 werden. In Greta Gerwigs „Barbie“-Verfilmung singt Ryan Gosling herzerschütternd „Überall sonst wäre ich eine 10, aber hier bin ich bloß Ken.“

Der Kinofilm „Black Friday for Future“ (im Original: „Une année difficile“) fragt, was aus einer 10 wird, die sich als Klimaaktivistin entpuppt. Denn die schöne Frau (Noémi Merlant), die sich Kaktus nennt, weil jeder Aktivist einen Tarnnamen brauche, betreibt Umweltschutz nicht nur als nettes Hobby, sondern hat sich der Rettung der Erde mit Leib und Seele verschrieben. Ihre Wohnung hält sie minimalistisch, das heißt, sie kommt ohne Möbel aus. Geschenke kann sie nicht annehmen, es sei denn, sie gibt einen alten Gegenstand für den neuen auf. Wenn Gäste zu Besuch kommen, sitzt man eben auf dem Boden.

Minimalistische Aktivistenwohnung
Minimalistische Aktivistenwohnung
Quelle: © Weltkino Filmverleih

Als Albert (Pio Marmaï), der sich in Kaktus verliebt, von ihr abends eine Nachricht mit der Aufforderung erhält, vorbeizukommen, erwartet er ein spontanes Date. Womit er nicht rechnet, sind die zwanzig anderen Aktivisten, die sich gleichzeitig zu dem Impromptu-Treffen einfinden. Veränderung sei nun mal eine Kollektivanstrengung. Doch die größte Hürde offenbart sich erst, als Albert Kaktus küssen will. Sie kann nicht, zuckt zurück.

Später erklärt sie ihre Distanz: „Meine Gefühle sind mit der Lage der Welt verbunden. Mit der Erwärmung und dem drohenden Untergang. Meine Psychologin sagt, dass ich an Klimapanik leide. Ich fühle mich sowohl als Opfer als auch als Täter.“ Das Drama stellt diese Eigenheiten nicht bloß, sein Blick bleibt selbst da mitfühlend, wo es die Figuren ins Kuriose überzeichnet.

Kaktus mit ihrer psychischen Störung ist nicht der einzige Typus Klimaaktivist, den der Film kennt. Im Zentrum stehen Albert und Bruno (Jonathan Cohen), beide hoch verschuldet und konsumsüchtig, weshalb sie sich von dem Freibier und den Gratis-Snacks, die es auf den Versammlungen gibt, angezogen fühlen. Autobarrieren und Sitzstreiks nutzen sie, um Bestechungsgelder für Durchfahrten abzusahnen. Der Klimaschützer als emotional verstümmelter Gutmensch oder gieriger Betrüger? Zum Glück wirken alle Figuren so sympathisch, dass man ihnen weder das eine noch das andere wirklich übelnimmt.

Krise als Normalzustand

Am Anfang erklären in einer Montage verschiedener Neujahrsansprachen von 1974 bis 2013 französische Präsidenten das jeweils vergangene Jahr zu einem besonders schwierigen. Verliert die Krise ihre Krisenhaftigkeit, wenn sie zur Normalität wird? Wenn das Straßenblockieren, das Verhaftetwerden auf Flugplätzen und das Anhäufen von Schulden nicht mehr die Ausnahme darstellen, sondern die Regel? Vor diesem Hintergrund erscheint es angemessen, eine Liebeskomödie nicht mehr wie zu Shakespeares Zeiten mit der Überwindung familiärer Grenzen zu beauftragen, sondern mit der Bewältigung zähen Katastrophen-Alltags.

Schon mit ihrem Überraschungshit „Ziemlich beste Freunde“ aus dem Jahr 2011 über die berührende Freundschaft zwischen einem reichen, weißen Rollstuhlfahrer und seinem abgehängten, schwarzen Pflegehelfer gelang es dem Regie-Duo Éric Toledano und Olivier Nakache, ohne falsche Scheu Gegensätze zusammenzuführen und Tabus zu verabschieden (wie das Witzemachen über behinderte Menschen). Jetzt die Unterschiede nicht mehr in körperlichen Äußerlichkeiten, sondern in inneren Wertvorstellungen suchend, gerät „Black Friday for Future“ zum zwar stellenweise unterhaltsamen, aber insgesamt doch eher mutlosen Zeitgeistkommentar.

Wer eine präzise Milieustudie erwartet, ist bei „How to Blow Up a Pipeline“ besser aufgehoben, für eine bissige Weltuntergangs-Vermeidungs-Komödie wendet man sich lieber an „Don’t Look Up“, eine wahnwitzigere Parodie auf den gegenwärtigen Verletzlichkeits-Imperativ liefert „Sick of myself“. „Black Friday for Future“ hingegen leidet unter seiner eigenen Unentschiedenheit. Versucht die Komödie die Widersprüche im aktivistischen Verhalten herausarbeiten, etwa wenn Kaktus in einer riesigen Altbauwohnung sitzt, aber dem Verzicht frönt? Oder versucht sie, ein mangelhaftes System zu beanstanden, das solche Lebensentwürfe hervorbringt? Eine 10, die nicht weiß, was sie will, ist eben schnell mal bloß eine 4.

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