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Kultur Ökoterrorismus

Die brisante Frage, wann Gewalt notwendig wird

Managing Editor im Feuilleton
Er plant, eine Öl-Pipeline zu zerstören Er plant, eine Öl-Pipeline zu zerstören
Er plant, eine Öl-Pipeline zu zerstören
Quelle: fugu-films.de
Das Aktivisten-Manifest „How to Blow Up a Pipeline“ läuft jetzt als Spielfilm im Kino. Wie weit dürfen und müssen wir gehen, um den Klimawandel zu verhindern? Weiter als erlaubt, lautet hier die dringende Botschaft – ein unmissverständlicher Aufruf zur Sabotage.
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Dass solch ein Film in den großen Kinos in den USA und jetzt auch in Deutschland läuft, darf als Wunder gelten. Oder als Skandal. Schließlich ist „How to Blow Up a Pipeline“ von Daniel Goldhaber unmissverständlich als Aufruf zur Gewalt zu verstehen. Schon das gleichnamige Buch des Wissenschaftlers Andreas Malm schlug 2021 ein wie eine Bombe. Dabei erfährt man weder in dem Sachbuch noch in seiner fiktionalen Verfilmung, wie das denn nun geht, eine Bombe zu bauen oder etwas in die Luft zu jagen. Vielleicht geht es so: Man schreibt ein Buch, man dreht einen Film und zersprengt damit alle moralischen Gewissheiten.

Malms drängende Frage, die in Aktivistenkreisen immer mehr zum Ceterum censeo wird, lautet: „Wann also eskalieren wir? Wann gelangen wir zu der Einsicht, dass es an der Zeit ist, auch zu anderen Mitteln zu greifen? Wann fangen wir an, die Dinge, die unseren Planeten ruinieren, physisch anzugreifen, mit unseren Körpern, sie mit unseren eigenen Händen zu zerstören? Gibt es irgendeinen vernünftigen Grund, der uns so lange zögern ließ?“

Rauchen hilft nicht gegen den Untergang
Rauchen hilft nicht gegen den Untergang
Quelle: fugu-films.de

Angesichts des Repertoires an Maßnahmen, das die Klimaaktivisten für sich beanspruchen – Blockaden, Streiks, Proteste –, verwundert es Malm, dass sie das Prinzip der Gewaltlosigkeit weiterhin hochhalten wie ein ehernes Gesetz. Als, so der Wissenschaftler, „Übung in aktiver Verdrängung“, als „bereinigte Geschichte, ohne realistische Einschätzung dessen, was tatsächlich vorgefallen ist und was nicht, was funktioniert hat und was schiefgelaufen ist“.

Militante Aktionen der Vergangenheit – Nelson Mandelas gezielte Anschläge auf die Infrastruktur zur Abschaffung der Apartheid oder die Eigentumszerstörung der Suffragetten, die Villen, Hotels und Theater in die Luft jagten, weil es ihnen auf friedlichem Wege nicht gelang, das Wahlrecht für Frauen zu erstreiten – würden heute „unter den Teppich der Zivilität“ gekehrt. Stets mit dem Argument eines strategischen Pazifismus, der meint, Gewalt sei zwar nicht per se falsch, aber kontraproduktiv, weil die Bewegung dadurch wichtige Rückendeckung aus der Bevölkerung verliere.

Die Wirkung radikaler Ränder („radical flank effect“) ist umstritten. Delegitimieren sie moderatere Bewegungen und tragen zu größerer polizeilicher Überwachung bei, wie es infolge der RAF geschehen ist? Oder verhelfen sie den moderateren Bewegungen im Gegenteil sogar zu größerer Legitimität? Letzteres kann etwa durch Abgrenzung geschehen, um vergleichsweise harmlos zu wirken (Martin Luther King verwies auf die Bedrohung durch Malcolm X, um die Regierung zu Zugeständnissen zu bewegen).

Gefährliche Propaganda?

Wenn alles andere nicht funktioniert, sollte es dann nicht eine Phase jenseits des friedlichen Protests geben, fragt Malm, und Goldhaber lässt seine Protagonisten im Film die Frage mit einem klaren Ja beantworten. Gleich zu Beginn sieht man Xochitl (Ariela Barer, auch Co-Drehbuchautorin und Co-Produzentin), wie sie die Autoreifen von SUVs durchsticht. Später wird sie mit einer Gruppe Gleichgesinnter zwei Ölpipelines zerstören. Der Tat gehen zwar Bedenken voraus: Wenn die Gaspreise in der Folge der Zerstörung steigen, wird dann nicht die arme Bevölkerung am meisten darunter leiden? Wird man sie selbst Terroristen nennen? Eine wichtige Übereinkunft lautet, keine Menschen zu verletzen, auch wenn sie sich dafür selbst in Gefahr begeben.

Im Vergleich zum Buch nimmt die philosophisch-historische Debatte im Film naturgemäß weniger Raum ein, mehr Zeit wird auf den Bombenbau verwendet. Goldhabers Film lässt sich so nicht mehr nur als moralische Rechtfertigung – Kritiker wie Armond White in der „National Review“ nennen es „soziopathisches Filmemachen“ und „Propaganda“ –, sondern auch als nüchterne Gegenwartsbeschreibung verstehen.

Am Lagerfeuer werden Pläne geschmiedet
Am Lagerfeuer werden Pläne geschmiedet
Quelle: fugu-films.de

Der Kinoschauplatz für Klimafragen waren zuletzt eher die Genres Science-Fiction („Der Schwarm“), Horror („Knock at the Cabin“) oder sogar Komödie („Don’t Look Up“). Dass es eine solche Überspitzung der Wirklichkeit gar nicht braucht, um auf die Dringlichkeit des Handelns aufmerksam zu machen, beweist Goldhaber, der sich beinahe dokumentarisch an die ernüchternde, wenig fotogene Realität klammert. Man erfährt die Motivationen, Abwägungen und Ängste der Aktivisten. Xochitl aus Kalifornien hat ihre Mutter an eine Hitzewelle verloren. Ihre beste Freundin Theo (Sasha Lane) hat ohnehin nichts zu verlieren, denn sie ist an Leukämie erkrankt, wofür sie ihr Aufwachsen in der Nähe einer Ölpipeline verantwortlich macht. Dwayne (Jake Weary), ein Familienvater aus Texas mit Lkw und Waffe, treibt es zur Weißglut, dass eine Pipeline über sein Grundstück verläuft.

Als Zuschauer ist man die ganze Zeit auf ihrer Seite, die Sympathien sind klar verteilt, die andere Seite kommt kaum und höchstens in Gestalt von Pipeline-Arbeitern oder Polizisten zu Wort, und wenn am Ende alles gut ausgeht, atmet man auf. Ausnahmsweise steht im Genre des Öko-Thrillers ein ungebrochenes Happy End nicht unter Kitschverdacht – es ist das Radikalste, was ein Regisseur sich ausdenken kann. Weil er keinen Schutz einbaut, keine Ironie, keinen Zynismus, keine Skepsis, nicht einmal ein Opfer, das für das große Ganze erbracht werden muss. Gerade das scheinbar Naive und Eindimensionale ist hier die eigentliche Provokation.

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Fast 20 Jahre ist es jetzt her, dass sich ein 28-Jähriger mit seinem Low-Budget-Film „Die fetten Jahre sind vorbei“ ins kulturelle Gedächtnis eingeschrieben hat. Hans Weingartner zeigte 2004 den Aktivismus einer sich selbst Die Erziehungsberechtigten nennenden Gruppe, die 30 Jahre nach der RAF ein Unbehagen an den träge gewordenen früheren Rebellen überkommt. Dass die Charaktere, anders als in den „Fetten Jahren“, in „How to Blow Up a Pipeline“ eher blass bleiben, scheint genauso Programm wie der Verzicht auf technischen Hyperrealismus: Nichts soll von der Mission ablenken. Formal wie inhaltlich siegt der Wille zur Begrenzung. Ambivalenzen, wie sie in den „Fetten Jahren“ noch vorherrschten, werden hier auf ein Minimum reduziert.

Wie ein Film konzipiert sein muss, damit er seinen Zuschauern nicht kurzfristig ein entlastendes Gefühl des Widerstands erlaubt, und somit langfristig den Status quo bestätigt, sondern damit er Taten nach sich zieht, ist eine alte Frage. Goldhaber hält eine zweideutige Antwort bereit. Einer seiner Aktivisten, Shawn (Marcus Scribner), ist ein Dokumentarfilmer, der mit künstlerischen Mitteln versucht, auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam zu machen. Wütend wird er bei den Dreharbeiten von Dwayne zurechtgewiesen, der meint, er brauche keinen Film, er wolle sein Land wieder, eine gesunde Familie. Wie könne ein Film ihm dabei helfen? Könne er nicht, sagt der Dokumentarfilmer und geht. Nachts kommt er wieder, diesmal allein, ohne sein Team. Der Film sei nur ein Vorwand gewesen, um Leute aus der Gegend kennenzulernen. Er habe da nämlich etwas vor. Der Film ist also das, was zwar erlaubt ist, aber nur ein erster Schritt sein kann, der Anlass zum eigentlichen Handeln.

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