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„Wie wird man Karl Lagerfeld, Herr Brühl?“

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Die sechs Folgen umfassende Miniserie thematisiert den Aufstieg Karl Lagerfelds in den 1970er-Jahren Die sechs Folgen umfassende Miniserie thematisiert den Aufstieg Karl Lagerfelds in den 1970er-Jahren
Die sechs Folgen umfassende Miniserie thematisiert den Aufstieg Karl Lagerfelds in den 1970er-Jahren
Quelle: Caroline Dubois/Jour Premier/Disney
Vor etwas mehr als fünf Jahren starb Karl Lagerfeld. Nun streamt Disney die erste Serie über den ikonischen Designer mit Daniel Brühl in der Hauptrolle. Sie thematisiert die Schwelle zum großen Durchbruch in den 70er-Jahren in Paris. Braucht es das jetzt noch?

Es dauert einen Moment. Vielleicht sogar die erste Folge. Aber dann akzeptiert man Daniel Brühl als Karl Lagerfeld. Lebt, leidet, fiebert mit ihm. Auf Disney+ startete am 7. Juni die Serie „Becoming Karl Lagerfeld“. Sie thematisiert die Schwelle zum großen Durchbruch, die 70er-Jahre in Paris, es geht um Freundschaft, Rivalität, Verrat und Leidenschaft. Lagerfeld ist 38 Jahre, wohnt mit seiner Mutter auf großer Etage, arbeitet als „Prêt-à-porter“-Designer, als Jacques de Bascher, seine einzige große Liebe, in sein Leben tritt. Und mit ihm spielt. Daniel Brühl hat die Kamera vom Zoomcall ausgeschaltet, nichts lenkt ab.

ICON: Gehört Mut dazu, eine derart ikonische Person wie Karl Lagerfeld zu spielen?

Daniel Brühl: David Bowie hat mal gesagt, sich leicht außerhalb der Komfortzone zu bewegen sei beflügelnd und ein großartiges Gefühl. Und mir war klar: Karl Lagerfeld ist eine so spannende, große Figur, von der ich niemals gedacht hätte, sie zu spielen. Aber die Anfrage auf Französisch reizte mich total, ich bin ja mit französischen Cousinen, Cousins und Tanten aus Toulouse und eben Paris aufgewachsen. Natürlich fragt man sich: Braucht es das jetzt noch? Es gab jetzt so viele Serien und Filme über Modeschöpfer. Wenn es mir auf Englisch oder Deutsch angeboten worden wäre, hätte ich sofort abgesagt. Doch da die Anfrage aus Paris kam und ich den Willen merkte, etwas wirklich Ordentliches zu machen, habe ich gleich das Drehbuch gelesen, den Regisseur getroffen und nicht lange gefackelt. Ich mag es, begeistert loszulegen – und im nächsten Moment denkt man aber, merde, wie soll ich das machen? Die Verantwortung, so eine Figur würdevoll darzustellen, ist groß. Aber ich habe ein ganz gesundes Selbstbewusstsein und es gab ja, trotz der großen Unterschiede, relativ schnell Andockpunkte.

Daniel Brühl als Karl Lagerfeld Ende 30
Daniel Brühl als Karl Lagerfeld Ende 30
Quelle: Caroline Dubois/Jour Premier/Disney

Dass Sie als Deutsche vor allem im Ausland wertgeschätzt werden?

Auch. Was ich aber aufregend fand, dass er sich eine Persona erschaffen hat. Jemand, der sich fernab der Realität bewegte, obwohl er so dicht am Zeitgeist war, der im Scheinwerferlicht stand, immer mit der Jugend, immer voller Neugier, der alles um sich herum aufgesogen hat, aber auf der anderen Seite auch ein sehr einsamer Mensch war. Es hat mich fasziniert, mit was für einer Präzision und Leidenschaft, auch einer romantischen Leidenschaft, er sich bestimmte Welten in Perfektion erschaffen hat. Ehrlicherweise habe ich auch als Kind häufig meine Herkunft und meine Person in etwas schillernderen Farben gezeichnet, als es tatsächlich der Fall war. Wenn das rauskam, etwa bei den Lehrern, war es meinen Eltern unfassbar peinlich, was ich alles für einen Quatsch erzählt habe, um mich interessanter zu machen. Das sagt ja viel aus über Komplexe, über Probleme.

Lagerfelds Mutter war eisenhart. Ihre Eltern aber nicht, oder?

Nee, nee, um Gottes willen. Und ich musste ja auch nicht als junger deutscher homosexueller Mann in Paris ein Leben aufbauen. Ich komme aber auch nicht aus solchen behüteten Verhältnissen. Da haben wir keine Gemeinsamkeiten. Aber man muss als Schauspieler an bestimmte Punkte andocken: Jeder von uns hat diesen unbedingten Willen, geliebt und respektiert zu werden, und muss mit Rückschlägen umgehen.

Das Drama um Jacques de Bascher, der dann früh starb, prägte Lagerfeld sein Leben lang. So wie ihn die Eifersucht zu Beginn seiner Karriere auf Yves Saint Laurent ganz wuschig machte. Kennen Sie das? Haben Sie auch einen Saint Laurent?

Da gibt es zwei, drei. Aber ich würde nie Namen nennen. Und zum Glück ist einer eher Freund und zugleich Konkurrent. Wir haben immer dasselbe auf dem Tisch liegen. Aber mit all den Komplikationen, die es da vielleicht mal gegeben hat, hat die Freundschaft immer überlebt.

Théodore Pellerin spielt Lagerfelds große Liebe Jacques de Bascher
Théodore Pellerin spielt Lagerfelds große Liebe Jacques de Bascher
Quelle: Caroline Dubois/Jour Premier/Disney
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Saint Laurent war die tragischere Gestalt, aber wurde vergöttert, wegen seiner Mode und er war auch der viele coolere Typ in den 60er- und 70er-Jahren. Liberté, Drugs, Sex, das war ja alles nichts für Lagerfeld, der sich nicht nur körperlich in ein Korsett zwängte, aber sich immer treu blieb.

Wer ist der größere Künstler? Der, der sich verliert, mit großer Intensität und selbstzerstörerisch lebt, oder eben genau jemand, der fleißig, diszipliniert und nüchtern ist? Aber die Frage ist natürlich auch und vielleicht hat er das auch immer gespürt: Was bleibt von einem Namen übrig? Ich bin durch das Viertel in Paris gezogen, wo sie gelebt haben, war im „Café Flore“, wo sie immer gesessen haben, hab’ im Champo Filme geschaut. Und wenn man dann den Boulevard St. Germain entlanggeht und in ein Karl-Lagerfeld-Geschäft geht, dann überlegt man schon, was ist eigentlich der Kern? Was ja auch das Thema dieser Serie ist.

Lagerfeld ist halt auch immer ein reeller Deutscher geblieben. Ultimativ erfolgreich, aber vor allem im Ausland bewundert. Kommt Ihnen das vertraut vor? So wie Karl „unser“ Mann in der Modewelt war, gelten Sie als „unser“ Mann in Hollywood, oder?

Ich bin im Herzen Europäer, bin Deutscher und Spanier und ein bisschen auch Franzose. Mein Vater hat mir früh beigebracht, dass es in Ordnung ist mit dem Schauspiel, aber ich schön ab und zu mal 50 fahre, also mit dem längeren Atem, und nicht zu viel den großen Zampano gebe. Denn dann verbrennt man auch schnell. Ich bin gern absichtlich unter dem Radar, muss nicht auf jeder Veranstaltung in den lautesten Klamotten herumturnen, dann nervt man die Leute irgendwann. Ich mag es lieber, wenn sie sich fragen: Was macht er gerade? Und dann mit etwas Spannendem kommen wie dieser Serie.

Haben Sie Lagerfeld je persönlich getroffen?

Einmal. Da war ich Anfang 20, auf der Berlinale, und er machte ein Foto von mir, ich glaube, es war für den „Stern“. Ich habe das Foto leider nicht. Aber jetzt wurde es offenbar in seinem Nachlass gefunden. Und nach der Aufnahme sagte er wohl, so wurde mir berichtet, „Mensch, ist das nicht der Junge hier aus ‚Good Bye, Lenin!‘? Den mag ich.“ Und dann hat er sein Team ins Kino geschickt.

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