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Zweiter Weltkrieg Entscheidung im Westen

Wie ein kleiner Fluss den US-Vormarsch zum Ruhrgebiet stoppte

Um ins Industriegebiet an der Ruhr vorzustoßen, mussten die US-Truppen im Februar 1945 die Rur überwinden. Weil die Wehrmacht die Talsperren öffnete, wurde der Fluss zum reißenden Strom. Dahinter lagen Minenfelder.
1945 – Der Untergang des Dritten Reiches

Die Westalliierten erobern das Ruhrgebiet, die Rote Armee stößt auf Berlin vor. Hitler befiehlt die Vernichtung der deutschen Infrastruktur und begeht in seinem Berliner Bunker Selbstmord. Es folgt die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht.

Quelle: WELT

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Eigentlich ist die Rur in der Eifel ein eher kleiner, beschaulicher Fluss. Selten ist er breiter als 25 Meter; an der Mündung in die Maas fließen pro Sekunde etwa 26 Kubikmeter Wasser durch die Rur.

Im Februar 1945 war das allerdings anders. Auf dem oft abschüssigen Ostufer der Rur und dahinter hatten sich deutsche Truppen in einem gut befestigten Stellungssystem eingegraben und in Erwartung des Angriffs der 9. US-Armee am 8. Februar die Tore von Urfttal- und Rurtalsperre südlich von Düren geöffnet. Rund 100 Millionen Kubikmeter machten die Rur zu einem reißendem Hindernis. Natürlich waren alle Brücken gesprengt.

circa 1945: American troops at the beginning of their offensive across the Roer River, early in the morning of February 23rd, firing an artillery barrage. (Photo by Keystone/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Eine US-Artilleriestellung beim nächtlichen Vorbereitungsfeuer
Quelle: Getty Images

Die 9. US-Armee verschob ihren Angriff, der für den 10. Februar geplant gewesen war, um zunächst eine Woche, dann auf den frühen Morgen des 23. Februar. Die Operation trug den Decknamen „Grenade“.

Ganz vorne standen an diesem Freitag, an dem auch die Royal Air Force die Stadt Pforzheim aus der Luft zerstörte, rund 1000 Mann US-Sturmpioniere. Doch hinter ihnen drängten sich in einem engen Aufmarschgebiet zwischen Maas, Rur und der Nordeifel gleich 14 nach den Kämpfen um die Ardennen aufgefüllte und mit frischem Material ausgestattete Divisionen.

Armee-Oberbefehlshaber Generalleutnant William H. Simpson verfügte über insgesamt 46.000 Tonnen Munition in seinen Arsenalen; viermal so viel, wie normalerweise eine Armee in Frontnähe bereithielt. Auch Amphibienfahrzeuge und leichte Panzer standen bereit, um so schnell wie möglich auf die andere Seite der Rur vorzustoßen. Elf Millionen Liter Treibstoff sollten für den Vorstoß Tausender Fahrzeuge zum Rhein genügen.

Combat engineers of the 84th Division, 9th US Army, drag their assault boat to the banks of the, Roer river as the big American offensive started, February 23, 1945 (Germany). (Photo by Photo12/UIG/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Sturmpioniere der 9 US-Armee kurz vor dem Übersetzen mit ihrem Sturmboot
Quelle: Universal Images Group via Getty

Zwar hatten die Ingenieure der US-Armee berechnet, dass nach knapp zwei Wochen das Hochwasser zurückgehen sollte, doch davon war am Abend des 22. Februar wenig zu sehen. Ein möglicher Grund: Bei ihrer Berechnung hatten die Experten wohl nicht hinreichend berücksichtigt, dass auch der jahrelang angesammelte Schlamm aus der Talsperre mitgeschwemmt worden war.

So war das Hochwasser eben noch nicht abgeklungen, als nach intensivem Dauerfeuer auf die deutschen Stellungen am 23. Februar um 3.30 Uhr die Sturmpioniere vorgingen. In Booten setzten sie zusammen mit Infanteristen über, die das Ufer unter Kontrolle bringen sollten. Die Pioniere hatten Rollen mit Stahlkabel bei sich, mit denen sie provisorische Fußsteige über den Fluss errichten wollten.

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Ohne größere Schwierigkeiten erreichte die erste Welle das Ostufer. Die Infanterie schwärmte aus, doch plötzlich setzte heftiges MG- und Granatwerferfeuer auf die Pioniere ein. Die deutschen Feldbefestigungen hatten unter dem Artilleriefeuer nur wenig gelitten. Davor lagen Minenfelderfelder.

(1545484) 2.WK, dt. Heckenschützen ergeben sich US-Soldaten/ Foto 1945 Geschichte / Zweiter Weltkrieg / Kriegsgefangene. - Westfront: Zwei deutsche Heckenschützen ergeben sich US-Soldaten einer Pioniereinheit, die sie während der Reparaturarbeiten an einer behelfsmäßigen Brücke über die Rur unter Beschuß genommen hatten. - Foto, März 1945. |
Deutsche Scharfschützen ergeben sich auf dem Ostufer der Rur US-Soldaten
Quelle: picture alliance / akg-images

Doch die Pioniere mussten weitermachen: An den Stahlkabeln wurde Boot um Boot über die weiterhin reißende Rur gezogen; gleichzeitig errichteten andere Männer auf dem Fluss zwischen gespannten Stahlkabeln Fußsteige. Immer wieder stürzten US-Soldaten ins Wasser oder wurden von Scharfschützen getroffen.

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Am schlimmsten war der Übergang bei Jülich. Dort versuchten die Pioniere nämlich, einen Fußsteig genau im Sichtbereich eines gut getarnten deutschen Beobachtungspostens über die Rur zu schlagen. Der unbekannte Wehrmachtsoffizier in dem Posten lenkte das Feuer seiner weiter hinten stationierten Granatwerfer immer wieder genau auf die dafür nötigen Kabel. Dreimal zerstörten die Detonationen die bereits gespannten Drähte. Beim vierten Versuch konnte endlich der Fußsteig errichtet werden.

Doch als dann zwei Sanitärer einen Verwundeten auf einer Trage vom Ostufer der Rur auf die andere Seite zum Behelfslazarett bringen wollten, traf eine Mörsergranate den Steig; das reißende Wasser erledigte den Rest: Die Träger und der Verwundete versanken im Fluss, konnten sich aber an die Trümmer des Steiges klammern. Pioniere kamen sofort mit einem Sturmboot zu ihnen und konnten sie retten.

Deuxieme (Seconde) guerre mondiale (1939-1945) - World War II (WWII or WW2) : Riviere Roer (Allemagne) 23 fevrier 1945 : Des elements de la 102e DI de la IXe US Army franchissent la riviere sur une passerelle.Le dernier soldat est charge de bobines fils de telephones ©Usis-Dite/Leemage | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Ein Fußsteig über die Rur am 23. Februar 1945
Quelle: picture alliance / Usis-Dite/Lee

Erst am Abend des 23. Februar 1945 war der Fußsteig bei Jülich im fünften Anlauf stabil; insgesamt wurden an diesem Freitag fast 50 provisorische Übergänge über die Rur gebaut. Bald folgte die erste von zwei Dutzend Brücken aus großen Pontons – nun konnten auch leichte Panzer und Lastwagen den Fluss kreuzen. Bis zum Abend hatten rund 25.000 US-Soldaten die Rur überquert, in der Nacht folgten die ersten leichten Panzer.

Am Ostufer der Rur herrschte, so der deutschstämmige Lieutenant Colonel Eric E. Bischoff, „unbeschreibliche Konfusion“ bei den US-Truppen. So meldete eine Gruppe Infanteristen, gleich vier „Panther“ gesichtet und mit Bazookas ausgeschaltet zu haben. Doch am angegebenen Ort gab es gar keine deutschen Panzer, und es wurden auch später keine Wracks gefunden.

Insgesamt waren die Verluste der 9. US-Armee für eine Operation dieser Größe am ersten Tag relativ gering. Sie betrugen 92 Tote, 61 Vermisste und 913 Verwundete. Nun konnte der Vormarsch zum Rhein beginnen, der letzten natürlichen Barriere auf dem Weg ins deutsche Kernland, vor allem das Ruhrgebiet.

1st US Army Engineers replace a pontoon, punctured, by shrapnel from enemy shells over the Roer river, in Germany, February 25, 1945. (Photo by Photo12/UIG/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
US-Pioniere errichtehn eine Schwerlast-Pontonbrücke
Quelle: Universal Images Group via Getty

Allerdings zählten allein die US-Sturmpioniere in den 18 Stunden ihres Angriffes 31 Tote und 226 Verwundete – also Verluste von rund einem Viertel ihrer eingesetzten Stärke. Vor allem die deutschen Minen und Sprengfallen waren dafür verantwortlich. Hinzu kamen noch einige Vermisste, die vom Hochwasser mitgerissen worden waren, über die Maas sowie den Rhein in die Nordsee gespült wurden und nie wieder auftauchten.

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Dieser Artikel wurde erstmals im Februar 2020 veröffentlicht.

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