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Zweiter Weltkrieg Ardennenoffensive

„Ich benutzte mein 75-mm-Geschütz wie ein MG“

Über Weihnachten 1944 holten die Amerikaner zum Gegenschlag aus. Binnen Tagen sprengten überlegene Kräfte den Belagerungsring um Bastogne. Vorneweg fuhr ein Sherman-Panzer mit dem Spitznamen „Cobra King“.
Leitender Redakteur Geschichte
„1944 – Schlacht in den Ardennen“

US-Leutnant Cappa und sein Zug erhalten im Dezember 1944 den Auftrag, einen Verkehrsknotenpunkt in den Ardennen zu halten. Ohne Vorwarnung geraten sie in eine deutsche Großoffensive. Ein Kriegsfilm von Steven Luke.

Quelle: WELT

Autoplay

Hatte der Kaplan sich „verbetet“? James Hugh O’Neill, der katholische Geistliche der 3. US-Armee, konnte in der zweiten Dezemberwoche 1944 in seinem Felddienstbuch keine passenden Worte finden. Also schrieb er eben selbst eine Fürbitte und richtete sie an den Herrn: „Allmächtiger und barmherziger Vater, wir flehen Dich demütig an, in Deiner grenzenlosen Güte diesen übermäßigen Regen zu bändigen. Gib uns gutes Wetter.“

Doch zuerst schien es, als mache sich Gott einen Scherz. Denn an die Stelle des Regens traten eisige Temperaturen und starker Schneefall. Nicht gerade das, was eine Armee brauchte, die sich gegen einen zumindest örtlich massiv überlegenen Gegner verteidigen musste. Das Wetter war ein wesentlicher Faktor für die deutsche Ardennenoffensive, den Versuch, mit einem gewagten Streich den Durchbruch nach Antwerpen zu erzwingen.

Battle of the Bulge, Three M4 Sherman tanks have taken up positions near St. Vith during the Battle of the Bulge, also known as the Ardennes Offensive or the Von Rundtstedt Offensive. 20th December 1944. Belgium. (Photo by Galerie Bilderwelt/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Eingeschneite Shermans um Weihnachten 1944 bei Bastogne
Quelle: Getty Images

Doch am Morgen des 23. Dezember 1944 zeigte sich, dass Gott seinen Diener James O’Neill doch erhört hatte: Ein Hochdruckgebiet aus dem Osten verdrängte das eisige Tiefdruckgebiet, das seit Tagen das Wetter in Belgien und Ostfrankreich beherrscht hatte. Damit wurde es zwar noch kälter, aber zugleich auch wolkenlos. Ideale Bedingungen für Luftangriffe.

General George S. Patton, der ruppige Kommandeur der 3. US-Armee, befahl seinem stellvertretenden Stabschef: „Verdammt noch mal. Dieser O’Neill hat sehr wirksam gebetet. Holen Sie ihn her, ich will ihm eine Medaille anheften!“

So geschah es: Der Militärgeistliche bekam am 24. Dezember 1944 den Bronze Star. Es war die erste und blieb seither die einzige dokumentierte Ordensverleihung für ein Gebet.

Quelle: Infografik WELT

Das gute Wetter ermöglichte den Amerikanern den entscheidenden Schlag gegen die deutsche Ardennenoffensive. Denn ab dem frühen Morgen des 23. Dezember beherrschten wieder die Jagdbomber der 9. US-Luftflotte den Himmel über Mitteleuropa.

Zuvor hatte die Witterung sie seit der zweiten Novemberwoche weitgehend am Boden gehalten: Bei Dauerregen oder Schneefall konnten die Maschinen vor allem der Typen P-47 Thunderbolt und P-51 Mustang zwar fliegen, aber keine Ziele ausmachen und angreifen.

Das war nun anders, und die tatendurstigen Piloten stiegen auf, um auf deutsche Panzer in den Ardennen Jagd zu machen. Doch das erwies sich als kompliziert, waren doch die Wipfel der Nadelwälder dicht. Immerhin: Die deutsche Artillerie feuerte viel seltener, um nicht aus der Luft erkannt und dann angegriffen zu werden.

Infantrymen Fire at German Troops in Advance to Relieve Surrounded Paratroopers, Bastogne, Belgium, Ardennes-Alsace Campaign, Battle of the Bulge, December 1944. (Photo by: History Archive/Universal Images Group via Getty Images) Getty ImagesGetty Images
US-Infanteristen auf dem Weg nach Bastogne, um Weihnachten 1944
Quelle: Universal Images Group via Getty

Die wieder wirksame absolute Luftherrschaft der Alliierten war der eine Faktor, der zu Weihnachten eine wirksame Antwort auf die seit einer Woche laufende deutsche Offensive ermöglichte. Zwei weitere kamen hinzu: erstens die massiven Verstärkungen der Ardennenfront mit Einheiten aus anderen Abschnitten und zweitens der mangelnde Nachschub der deutschen Angriffsspitzen.

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Der Angriff der 1. SS-Panzer- und der Panzerlehrdivision mit Unterstützung weiterer Verbände am 16. Dezember hatte die Alliierten überrascht. Ihre in den Ardennen stationierten Kräfte waren schwach und teilweise abgekämpft. So standen am Anfang 200.000 deutschen Soldaten kaum 80.000 GIs gegenüber.

Als erste Hilfe waren aus frontnahen Quartieren die taktischen Reserven des Oberbefehlshabers Dwight D. Eisenhower mobilisiert worden – die 101. Luftlandedivision in den Süden der Ardennen um Bastogne, die Fallschirmjäger der 82. US-Division in den Norden zwischen Hotton und Spa.

Das zerschossene Dorf Houffalize Mitte Dezember 1944
Das zerschossene Dorf Houffalize Ende Dezember 1944
Quelle: US Signal Corps / Public Domain

Bis Weihnachten kamen vier ganze Armeekorps hinzu: das VII. und das XVIII. Army Corps im Norden und das III. und das VIII. im Süden. Am 24. Dezember 1944 standen den inzwischen eingesetzten etwa 450.000 deutschen Soldaten fast 550.000 Amerikaner gegenüber.

Die zudem deutlich besser ausgerüstet waren. Denn die Wehrmacht hatte für den Angriff nahezu alle ihre Reserven zusammengezogen, vor allem was Panzer und Treibstoff anging. Beides ging nun, nach einer Woche schwerer Kämpfe, zur Neige.

Aber auch Munition wurde knapp. Direkt nach dem Aufklaren nämlich hatten britische Bomber rund 700 Tonnen Bomben auf den Rangierbahnhof von Trier abgeworfen. Schon am 19. und am 21. Dezember hatte das Bomber Command ungewöhnlicherweise nachmittags die Innenstadt der ehemaligen Residenzstadt der römischen Kaiser attackiert. Doch erst der dritte Angriff schaltete Trier als Nachschubzentrum der Ardennenoffensive aus. Mindestens 420 Menschen kamen ums Leben – obwohl die Stadt vorher bis auf etwa 5000 Personen evakuiert worden war. 80 Prozent der Gebäude waren zerstört oder beschädigt.

Der M4 "Sherman" mit dem Nickname "Cobras King", der am 26.12.1944 zuerst den Kessel von Bastogne erreichte
Der M4 Sherman mit dem Spitznamen "Cobra King", der am 26. Dezember 1944 zuerst den Kessel von Bastogne erreichte
Quelle: US Signal Corps

Auch viele Orte im Kampfgebiet wurden von US-Bombern zerstört, darunter St. Vith, Malmedy und Houffalize. Auf diese Weise sollte den deutschen Truppen die Verteidigung erschwert werden. Auf die belgische Bevölkerung dagegen wurde selten bis nie Rücksicht genommen.

Am zweiten Weihnachtstag gelang es gegen 16.50 Uhr der C-Kompanie des 37. US-Panzerbataillons, das zur 4. Panzerdivision gehörte, die US-Linien im Süden von Bastogne zu erreichen. Der erste Sherman, der ankam, trug den Spitzname „Cobra King“ und führte eine Kolonne von gepanzerten Fahrzeugen und Infanteristen an.

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Die letzten fünf Kilometer hatte der Verband unter ständigem Feuer deutscher Artillerie gelegen. Der Richtschütze der „Königscobra“, Corporal Milton Dickerman, beschrieb den Angriff: „Ich benutzte mein 75-mm-Geschütz wie ein MG.“ Das war nur leicht übertrieben: In wenigen Minuten verfeuerte der Sherman unter dem Kommando von Leutnant Charles Boggess 21 Salven.

Bastogne, Dezember 1944
General Maxwell Taylor (2. v. r.) trifft am 26. Dezember 1944 in Bastogne ein
Quelle: US Signal Corps / Public Domain

Mit dem Durchbruch des 37. Panzerbataillons war der Belagerungsring gesprengt, auch wenn ein Nachschubweg zur 101. Luftlandedivision erst am folgenden Tag etabliert werden konnte. Die Verwundeten wurden abtransportiert, Munition kam in den bisherigen Kessel.

Der Divisionskommandeur Maxwell D. Taylor kam nach Bastogne und übernahm von seinem Stellvertreter Anthony McAuliffe wieder das Kommando. Weil die Stadt aber immer noch an drei Seiten von deutschen Verbänden umstellt war, gingen die schweren Kämpfe weiter.

In der Woche zwischen den Jahren 1944 und 1945 kehrte auch in den Ardennen wieder so etwas wie der Normalzustand der Kämpfe seit dem Sommer 1944 ein: Die Alliierten waren materiell und zahlenmäßig massiv überlegen, doch die deutschen Verbände verteidigten sich geschickt und trotz Mangels an fast allem wirksam. Einen Sieg konnte die Wehrmacht in der Ardennenoffensive nicht mehr erlangen, doch enorm verlustreich blieb sie weiter.

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