WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistent für alle Fragen und Lebenslagen
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geschichte
  3. Kopf des Tages
  4. Gerhard Roßbach: Hitlers Statthalter nördlich der Main-Linie

Kopf des Tages Gerhard Roßbach

Hitlers Statthalter wurde beim „Röhm-Putsch“ vor eine heikle Wahl gestellt

Der Leutnant Gerhard Roßbach blieb im Ersten Weltkrieg unauffällig, stieg danach zum charismatischen Freikorps-Führer auf. 1922/23 gehörte er zu den zentralen Figuren im Umfeld der NSDAP. Später änderten sich allerdings die Dinge.
Leitender Redakteur Geschichte
**HONORARPFLICHTIG!!** EINMALIG ONLINE HONORIERT! Deutsches Reich (1867-1945) Bayern Koenigreich (-1918) Muenchen: Hitler-Ludendorff-Putsch: Angehoerige der Freikorps (Mitte: Freikorpsfuehrer Gerhard Rossbach) vor ihrem Hauptquartier im Buergerbraeukeller. - 09.11.1923 - Aufnahme: Presse-Illustrationen Heinrich Hoffmann - Originalaufnahme im Archiv von ullstein bild **HONORARPFLICHTIG!!** EINMALIG ONLINE HONORIERT! Deutsches Reich (1867-1945) Bayern Koenigreich (-1918) Muenchen: Hitler-Ludendorff-Putsch: Angehoerige der Freikorps (Mitte: Freikorpsfuehrer Gerhard Rossbach) vor ihrem Hauptquartier im Buergerbraeukeller. - 09.11.1923 - Aufnahme: Presse-Illustrationen Heinrich Hoffmann - Originalaufnahme im Archiv von ullstein bild
19. November 1922: Gerhard Roßbach (1893 bis 1967) versucht, in Berlin eine Ortsgruppe der NSDAP zu gründen. Hier ein Foto vom 9. November 1923 von ihm beim Hitler-Putsch
Quelle: ullstein bild

Auf manche Ideen kommt man nur einem gehörigen Schuss Dreistigkeit. Am 19. November 1922 hatten sich knapp 200 (ausschließlich männliche) Interessenten für die Gründung einer Berliner Ortsgruppe der vor allem oberbayerischen Splitterpartei NSDAP in der Kreuzberger Gaststätte „Zum Reichskanzler“ versammelt. Doch plötzlich erschienen mehrere Kriminalbeamte, um die Versammlung aufzulösen, denn Preußens Innenminister Carl Severing hatte die NSDAP vier Tage zuvor offiziell verboten.

Doch der Gastgeber der Versammlung, ein Ex-Offizier namens Gerhard Roßbach, war keineswegs gewillt, sich dem zu beugen. Zwar befand er, das Verbot der NSDAP sei zu respektieren. Aber er fügte hinzu, dieses verbot gelte der Gründung einer NSDAP-Ortsgruppe, nicht aber der Versammlung an sich. Denn da es bis dahin ja noch gar keine Ortsgruppe in Berlin gab, konnte die Polizei auch nichts verbieten. Zudem könne niemand Roßbach und seine Leute hindern, eine neue Gruppe zu gründen.

Gerhard Rossbach (1893-1967), German Freikorps leader and organiser of right-wing nationalist groups after the First World War. Date: circa 1920s || Nur für redaktionelle Verwendung
Porträt Gerhard Roßbachs aus den 1920er-Jahren
Quelle: picture alliance / Mary Evans Pi

Zusammen mit einigen Vertrauten zog er sich kurz in einen Nebenraum zurück, um das Vorhaben zu beraten; dann kam er zurück und verkündete: Man werde an diesem Abend eben eine Berliner Ortsgruppe der „Großdeutsche Arbeiterpartei“ bilden. 194 Männer trugen sich in die Mitgliedsliste der neuen Partei ein, darunter ein gewisser Leo Schlageter. Sie schworen einen Treueeid auf Adolf Hitler und ein Programm, das weitgehend mit dem „25 Punkte-Programm“ der NSDAP übereinstimmte. Trotzdem mussten die Polizeibeamten unverrichteter Dinge abziehen, denn sie hatten natürlich keine Auflösungsverfügung für die eben erst kreierte „Großdeutsche Arbeiterpartei“ dabei.

Die Grundsatz-Ansprache hielt Roßbach selbst. Jedoch vermied er es, der neuen Partei persönlich beizutreten. Auf diese Weise, hoffte er, werde die neue Gruppe nicht so rasch wiederum verboten werden können. Denn Gerhard Roßbach wusste, dass er unter besonderer Beobachtung stand.

Anfang November 1922 war der ehemalige Oberleutnant und Freikorps-Anführer von einer längeren Reise zurückgekehrt in seine Wahlheimat Berlin. Auf dem Bahnsteig wurde er abgefangen und umgehend ins Polizeipräsidium gebracht. Dort eröffnete man ihm, dass wegen der „Begründung von Geheimorganisationen“ gegen ihn ermittelt werde. Innenminister Severing hatte einen Verstoß gegen Artikel 177 des Versailler Vertrages festgestellt. Demnach durften „Vereinigungen jeder Art“ sich nicht „mit militärischen Dingen befassen“. Vor allem war untersagt, irgendjemanden „im Gebrauch von Kriegswaffen auszubilden“. Genau das aber taten die Gruppen, die Roßbach seit Monaten in Norddeutschland gründete.

Geboren 1893, hatte Paul Wilhelm Gerhard Roßbach im Kaiserreich als Halbwaise aus bürgerlichen Verhältnissen den naheliegenden Weg zum Berufsoffizier eingeschlagen. Seit 1903 ging er auf verschiedene Kadettenanstalten, also Militärgymnasien, die den Offiziersnachwuchs der Armee ausbildeten. Mit 18 Jahren erhielt er 1911 die Ernennung zum Fähnrich, zwei Jahre später wurde er zum Leutnant befördert und zog als solcher 1914 in den Krieg; zunächst an der Ost-, ab 1916 an der Westfront.

Als Zugführer diente er bei einer MG-Kompanie, die 1917 in Flandern zu zwei Dritteln aufgerieben wurde. Besonders auszeichnen konnte sich Roßbach jedoch nicht; die Verlustliste Nr. 1889 vom 10. Mai 1918 verzeichnete ihn immer noch als Leutnant und als am 28. Februar „schwer verwundet“: Er hatte einen Brustschuss erlitten. Erst jetzt, nach fast fünf Jahren, wurde er zum Oberleutnant befördert.

Kurz nach dem Waffenstillstand am 11. November 1918 verwandelte sich der bisher unauffällige Frontoffizier in einen Prominenten. Roßbach bildete aus den Resten einer MG-Lehreinheit, die er während seiner Rekonvaleszenz aufgebaut hatte, in Graudenz südlich von Danzig die Freiwillige Sturmabteilung Roßbach. Ihr Zweck: die gefährdeten Grenzen Westpreußens gegen polnische Nationalisten zu schützen.

Nun war Roßbach ein Freikorps-Führer – und hatte damit seine Berufung gefunden. Als Motto gab er seiner Einheit den Satz „Uns kann der Deiwel.“ Laut dem Versailler Vertrag ging Westpreußen im Sommer 1919 an Polen. Roßbach zog mit den inzwischen 1200 Mann seines Freikorps nach Lettland, wo er sowohl gegen Bolschewiki wie gegen Polen kämpfte.

Bundesarchiv_Bild_119-2815-20,_Wismar,_Kapp-Putsch,_Reichswehrsoldaten
Mitglieder der "Roßbach-Arbeitsgemeinschaften" im März 1920 in Wismar
Quelle: Bundesarchiv
Anzeige

Am 28. Januar 1920 wurde das Freikorps Roßbach offiziell aufgelöst, doch seine bisherigen Mitglieder blieben über die „Roßbach-Arbeitsgemeinschaften“ in enger Verbindung, sodass sie weiterhin als paramilitärischer Verband einsatzfähig waren. Während des Kapp-Putsches im März 1920 in Berlin wurde sein Verband als Jäger-Bataillon in die Reichswehr aufgenommen und nach dem Scheitern des Staatsstreiches schickte die legitime Reichsregierung Roßbachs Männer zum Kampf gegen aufständische Kommunisten ins Ruhrgebiet: Die Demokratie musste sich mithilfe rechter Gegner gegen linke Gegner verteidigen.

Zum letzten Mal als geschlossenen Verband führte Roßbach seine Männer in Oberschlesien 1921. Inzwischen hatte er großes Charisma entwickelt, auch weil er auf das übliche Gehabe von Offizieren verzichtete und sich weiterhin Oberleutnant a. D. nannte, obwohl er faktisch eine einem Oberst entsprechende Funktion ausübte.

Während der Kämpfe im Abstimmungsgebiet im äußersten Südosten des bisherigen Preußens 1921 hatte sich das Freikorps Roßbach politisch radikalisiert. Sein Anführer bekannte sich nun zur NSDAP und bekam im August 1922 sogar den offiziellen Auftrag des „Führers“, mittels seiner „Roßbach-Arbeitsgemeinschaften“ die NSDAP in Preußen möglichst flächendeckend aufzubauen. Er war nun so etwas wie Hitlers Statthalter nördlich der Main-Linie.

Lesen Sie auch

Das Vorhaben scheiterte mit Severings Verbot am 15. November; die frecherweise gegründete „Großdeutsche Arbeiterpartei“ blieb Episode und wurde bald ebenfalls verboten. Roßbach wiederholte sein Manöver nochmals, doch am 23. März 1923 wurde er wegen fortgesetzten Verstoßes gegen das Republikschutzgesetz in Haft genommen. Erst Mitte Oktober 1923 kam er wieder frei und zog sich sofort nach München zurück.

Hier spielte er beim Hitler-Putsch am 8. und 9. November 1923 eine Schlüsselrolle, indem er den in München ausgebildeten Offiziersnachwuchs der Reichswehr zur Teilnahme aufseiten der NSDAP bewegen konnte. Doch sein Charisma genügte nur, die Fähnriche bis in die Nacht zum 9. November zu mobilisieren. Als das Scheitern des Coups erkennbar wurde und sich Roßbachs Versprechungen damit als Unwahrheit entpuppten, wandten sich die Nachwuchsoffiziere von ihm ab.

Cover von Roßbachs Erinnerungen von 1950
Das Cover von Roßbachs Erinnerungen, erschienen 1950
Quelle: Public Domain

Der Oberleutnant a. D. setzte sich wie andere Putschisten nach Österreich ab. Als eine Amnestie 1925 die Gefahr einer Strafverfolgung beendete, kehrte er zurück, doch konnte er nicht wieder an seine „große Zeit“ als charismatischer Freikorps-Führer anknüpfen. Von der NSDAP hatte er sich abgewandt.

Ende Juni 1934 wurde er im Zuge des „Röhm-Putsches“ festgenommen und – nach eigenen Angaben – vor die Alternative gestellt, erschossen zu werden oder sich amtlich für tot erklären zu lassen. Er entschied sich für letzteres und nahm einen neuen Namen an, unter dem er als Versicherungskaufmann bis 1945 unauffällig lebte. Fünf Jahre später veröffentlichte er seine Lebenserinnerungen „Mein Weg durch die Zeit“, die allerdings kein Erfolg wurden. 1967 starb Roßbach im Alter von 74 Jahren in Hamburg.

Sie finden „Weltgeschichte“ auch auf Facebook. Wir freuen uns über ein Like.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema