WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistent für alle Fragen und Lebenslagen
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geschichte
  3. Erster Weltkrieg: Des Kaisers glücklose Propagandisten

Geschichte Erster Weltkrieg

Den ersten Sieg erreichen die USA 1917 ohne Waffen

Seit Kriegsbeginn 1914 hatten Deutsche in den USA mit Kampagnen versucht, Amerika vom Kriegseintritt abzuhalten. Präsident Woodrow Wilson war erfolgreicher, sein Volk zu gewinnen.
Leiter des Unternehmensarchivs von Axel Springer
9US-1917-4-2-A1-1 (894746) 1.Wk. Botschaft Wilsons an Kongreß 1917 1. Weltkrieg / USA 1917-18: Kriegseintritt der USA (6. April 1917) nach Erklärung des 'uneingeschränkten U-Boot-Krieges' durch das Deutsche reich. - 2.April 1917: Botschaft Präsident Woodrow Wilsons an den Kongreß, Deutsch- land den Krieg zu erklären. - Foto. E: WW I, Wilson Speech at Congress 1917 World War I / USA 1917-18: the US enters the war (6 April 1917) after the declaration of unrestricted submarine warfare through the German Reich. - 2 April 1917: speech of President Woodrow Wilsons at the Congress declaring war on Germany. - Photo. | 9US-1917-4-2-A1-1 (894746) 1.Wk. Botschaft Wilsons an Kongreß 1917 1. Weltkrieg / USA 1917-18: Kriegseintritt der USA (6. April 1917) nach Erklärung des 'uneingeschränkten U-Boot-Krieges' durch das Deutsche reich. - 2.April 1917: Botschaft Präsident Woodrow Wilsons an den Kongreß, Deutsch- land den Krieg zu erklären. - Foto. E: WW I, Wilson Speech at Congress 1917 World War I / USA 1917-18: the US enters the war (6 April 1917) after the declaration of unrestricted submarine warfare through the German Reich. - 2 April 1917: speech of President Woodrow Wilsons at the Congress declaring war on Germany. - Photo. |
9US-1917-4-2-A1-1 (894746) 1.Wk. Botschaft Wilsons an Kongreß 1917 1. Weltkrieg / USA 1917-18: Kriegseintritt der USA (6. April 1917) nach Erklärung des 'uneingeschränkten U-Boot-K...rieges' durch das Deutsche reich. - 2.April 1917: Botschaft Präsident Woodrow Wilsons an den Kongreß, Deutsch- land den Krieg zu erklären. - Foto. E: WW I, Wilson Speech at Congress 1917 World War I / USA 1917-18: the US enters the war (6 April 1917) after the declaration of unrestricted submarine warfare through the German Reich. - 2 April 1917: speech of President Woodrow Wilsons at the Congress declaring war on Germany. - Photo. |
Quelle: picture alliance / akg-images

So ganz traut Woodrow Wilson seinem Volk nicht. Nur wenige Tage nach dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg gibt der US-Präsident mit der Executive Order 2594 vom 14. April 1917 grünes Licht für eine ambitionierte Propagandakampagne. Eine neu gegründete Instanz, das Commitee on Public Information (CPI), soll Informationen der Regierung streuen, das amerikanische Volk über die Kriegsziele der USA aufklären und letztlich für Ruhe an der Heimatfront sorgen, wenn die ersten Einheiten nach Europa gebracht werden.

Die Anregung für das CPI und seine Ausrichtung stammt von dem Journalisten und Präsidentenberater Walter Lippmann. Der Sohn deutsch-jüdischer Eltern befürchtet, dass Wilson, der immer Neutralität gepredigt und mit einer pazifistischen Kampagne „He kept us out of war!“ die Wiederwahl gewonnen hat, sich mit einem Schlag unglaubwürdig macht, wenn er nun von seinem Volk Begeisterung für den Krieg einfordert. Dem will er vorbeugen.

Doch die Bedenken erweisen sich als unbegründet – dank der CPI-Kampagnen, die neueste Erkenntnisse der Massenpsychologie nutzen. Unter der Leitung des Boulevard-Journalisten George Creel und des PR-Genies Edward Bernays (ein Neffe von Siegmund Freud) entwickelt CPI einen emotionalen Feldzug gegen die Kriegsgegner, in erster Linie gegen Deutschland, der auf simple Effekte setzt. Bald schon prangen Plakate mit übergroßen deutschen Soldaten mit Pickelhaube an den Wolkenkratzern, Karikaturen des Kaisers werden gedruckt und Werbeclips gezeigt.

Die Büros der staatlichen Informationsstelle rekrutieren im ganzen Land Freiwillige („Four Minute Man“), die in ihren Orten und der Umgebung Reden zur Kriegspolitik halten. Bis Ende des Ersten Weltkrieges werden das etwa 75.000 Freiwillige in mehr als 5000 Städten sein. Experten haben ausgerechnet, dass jeder der rund 100 Millionen Amerikaner dreimal erreicht worden ist.

"Er hält die Welt sicher für die Demokratie": Aufruf zum Eintritt in die US-Marine, Propagandaplakat der Amerikaner aus dem Ersten Weltkrieg
"Er hält die Welt sicher für die Demokratie": Aufruf zum Eintritt in die US-Marine, Propagandaplakat der Amerikaner aus dem Ersten Weltkrieg
Quelle: picture alliance / akg-images

Davon konnten die deutschen Propagandisten nur träumen, die unmittelbar nach Kriegsbeginn 1914 in die USA gereist sind, um das Kaiserreich in einem guten Licht zu zeigen, die amerikanische Öffentlichkeit in ihrer strikten Neutralität zu bestärken – und letztlich, um einen Kriegseintritt der USA verhindern zu helfen. Ein durchaus nachvollziehbarer Plan: „Jedes am Krieg beteiligte Land hätte sich der Fahrlässigkeit schuldig gemacht, hätte es nicht versucht, die einzige neutrale Großmacht für sich positiv zu beeinflussen“, meint Thomas Löwer, der sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt.

Lesen Sie auch

Die Fäden laufen bei Botschafter Johann Heinrich von Bernstorff zusammen. Er ist seit 1908 in Washington auf seinem Posten, ein Mann von liberaler Gesinnung, eloquent und gut vernetzt. Den Kriegsbeginn erlebt er während seines Sommerurlaubs in Deutschland, als er nach Washington zurückkehrt, begleiten ihn der ehemalige Staatssekretär des Reichskolonialamtes und Bankier Bernhard Dernburg sowie Heinrich Albert vom Reichsamt des Innern – offiziell als Vertreter des Deutschen Roten Kreuzes und der Zentral-Einkaufsgesellschaft.

Im Oktober 1914 eröffnen sie jedoch in New York am Broadway ein angeblich unabhängiges Pressebüro, das der Zentralstelle für Auslandsdienst des Auswärtigen Amtes in Berlin untersteht. Die Propagandisten fertigen Nachrichtenbulletins an und treten bei Veranstaltungen auf, wo sie ihre Sicht auf den Krieg darlegen. Sie suchen auch den Kontakt zu Herausgebern von Zeitungen, um Berichte gezielt zu platzieren. Sogar die „New York Times“ hat ein Herz für die Deutschen. Bereits im September 1914 interviewt die Zeitung Dernburg, den sie für einen „Philanthropen“ hält und für den derzeit bemerkenswertesten Deutschen in den USA – neben dem Botschafter.

Das Büro versucht auch, direkt ins Zeitungsgeschäft zu kommen. Die Gründung der englischsprachigen Zeitschrift „Fatherland“ dient dem Plan, prodeutsche Stimmung zu erzeugen. Die wichtigste deutschsprachige Publikation, der „New Yorker Staats-Zeitung“, wird mit Geld aus Berlin am Leben gehalten. Botschafter Bernstorff investiert sogar viel Energie und Geld, um den Kauf renommierter englischsprachiger Zeitungen durch Deutschland einzufädeln: Bei der New Yorker „Evening Mail“ gelingt das nach langen Verhandlungen im Oktober 1916.

Der deutsche Botschafter Johann Heinrich von Bernstorff hielt sich öffentlich zurück. Aber bei ihm liefen die Fäden der deutschen Propaganda in den USA seit Beginn des Ersten Weltkriegs zusammen
Der deutsche Botschafter Johann Heinrich von Bernstorff hielt sich öffentlich zurück. Aber bei ihm liefen die Fäden der deutschen Propaganda in den USA seit Beginn des Ersten Weltk...riegs zusammen
Quelle: picture-alliance / akg-images

Schließlich ist auch das neue Medium Film ein Thema für des Kaisers Propagandisten. 1915 gründen sie in New York die Correspondent Film Company. Allerdings liefert die deutsche Filmzentrale aus der Heimat nur unbrauchbare Militärfilme. Die Entsendung eigener Korrespondenten, um Filmmaterial zu erhalten, bleibt nur eine Idee.

Anzeige

Zielgruppe der faktischen Propaganda-Laien ist die gesamte amerikanische Bevölkerung, besonderen Zuspruch erhoffen sie sich von Deutsch-Amerikanern. Viele von ihnen haben sich bei Kriegsbeginn als Patrioten gezeigt. Bei einer Großkundgebung in Chicago seien Lieder wie „Die Wacht an Rhein“ angestimmt worden, schildert der Historiker Reinhard R. Doerries. Tausende Reservisten seien nach New York gereist, um sich nach Deutschland einzuschiffen. Botschafter Bernstorff hat sie zurückgeschickt. Er fürchtet, dass die Skepsis vieler Amerikaner gegenüber dem Kaiserreich zunimmt.

Besonders intensiv kümmert sich die deutsche Propaganda um amerikanische Juden, was für Unruhe sorgt. So beklagt sich am 16. November 1914 in New York der jüdische Anwalt Maurice Leon in einem Brief an Rabbi Stephen Wise, der enge Kontakte zum US-Präsidenten hat: Die amerikanischen Juden würden bis auf wenige Ausnahmen Deutschland im Krieg öffentlich unterstützen. Mehr noch: Sie seien aus Deutschland ferngesteuert, vor allem die deutsch-jüdische Elite.

Amerikanische Frauen demonstrieren gegen den Krieg. Diese "Zielgruppe" hatten die deutschen Propagandisten nicht auf dem Schirm
Amerikanische Frauen demonstrieren gegen den Krieg. Diese "Zielgruppe" hatten die deutschen Propagandisten nicht auf dem Schirm
Quelle: picture alliance / Glasshouse Im

Verantwortlich für dieses übertriebene Urteil sind neben Dernburg auch der Zionist Isaak Straus und Arthur Meyrowitz, ein Vertreter der Norddeutschen Lloyd, die ebenfalls ein Büro in den USA eröffnet haben und 1916 die Wochenzeitung „American Jewish Chronicle“ gründen. Die jüdische Organisation Komitee für den Osten (KfdO) hat sie als patriotischen Akt aus Deutschland gesandt, um, wie Forscher Löwer beschreibt, „den jüdischen Aspekt zu nutzen und diesen für Deutschland wohlwollend einzusetzen“.

Straus und Meyrowitz setzen bei den aus Osteuropa eingewanderten Juden an, die einst unter Russen und Polen Diskriminierung und Pogrome erlebt haben. Ihre Abneigung gegen das Zarenreich ist nur zu verständlich. Russland sei „der moralisch schwächste Punkt“ in der Allianz gegen Deutschland, schreibt Straus am 13. Oktober 1914 an Bernstorff.

Die deutschen Propagandisten ziehen alle Register. Sie bieten Material über russische Pogrome an und lassen Feldrabbiner Arthur Levy in einem offenen Brief in der Zeitung „The American Hebrew“ am 8. Januar 1915 von seinen Erlebnissen berichten. Gleichzeitig streuen Straus und seine – auch amerikanischen Mitarbeiter – das Bild von der heilen jüdischen Welt unter deutscher Obhut. Sie lancieren in der jiddischen Zeitung „Die Varheyt“ ein Schreiben polnischer Juden, die sich dafür bedanken, dass sie unter deutscher Besatzung gleichberechtigt behandelt würden. Reporter erhalten die Möglichkeit, an der Seite deutscher Begleiter durch die besetzten Ostgebiete zu reisen.

Die Strategie geht früh auf. Die jüdische Zeitung „Der Tag“ lobt die deutsche Politik und kommentiert am 3. Januar 1915: Die Leiden, die die russischen Juden erfahren hätten, könnten nicht vergessen werden, nur „weil der größte und sinnloseste Krieg der Weltgeschichte wütet“.

Deutsche Propagadaschrift für das besetzte Belgien 1917; mit Wilson-Karikatur
Deutsche Propagadaschrift für das besetzte Belgien 1917; mit Wilson-Karikatur
Quelle: picture alliance / akg-images

Die Propaganda verfängt auch bei der wesentlich kleineren Gruppe der deutschstämmigen Juden, die noch immer familiäre Bande in die alte Heimat pflegen und vor allem über enge Kontakte zu Entscheidungsträgern in Amerika verfügen. Die Bankiers Jacob Schiff, Felix und Paul Warburg zum Beispiel. Die Erwartung an sie ist mitzuhelfen, die Finanzgeschäfte der Entente zu erschweren.

Anzeige

Schiff, Miteigentümer der zweitgrößten US-Privatbank und gut bekannt mit Botschafter Bernstorff, bittet Präsident Wilson im November 1914, Waffenlieferungen zu stoppen. Er erklärt zur gleichen Zeit in der „New York Times“, dass Deutschland der Krieg aufgezwungen worden sei. Paul Warburg setzt als Vizepräsident der amerikanischen Zentralbank im November 1916 den Stopp jeglicher Kriegskredite durch, was Deutschland bevorteilt hätte, da sie keine bekommen haben.

Letztlich bleiben aber auch Schiff und die Warburgs kritisch gegenüber dem Kaiserreich und machen ihre weitere Unterstützung davon abhängig, dass ein „neuer Geist“ in Deutschland einkehrt. Straus und Dernburg versichern – attestiert von Bernstorff – wiederholt, demnächst würden die letzten Restriktionen gegenüber den Juden fallen. Der Botschafter versteigt sich in einem Interview gar zu der Aussage, der Krieg werde Deutschland zu mehr Demokratie verhelfen und den Judenhass dort vermindern. Das glauben selbst die Propagandisten nicht. Deutschland werde nie bedrängte Juden aus den Ostgebieten aufnehmen, es habe schon Schwierigkeiten genug mit „seinem ein Prozent Juden“, schreibt Straus im Juli 1915 an Dernburg. Und: Der Antisemitismus lebe in der alten Weise fort.

So wundert es nicht, dass die versprochene Erklärung der deutschen Regierung ausbleibt. Auch bricht sie ihr Versprechen, sie bürge für die Sicherheit der Juden in Palästina, die unter Vertreibungen durch das Osmanische Reich zu leiden haben. Ende 1916 erklärt Berlin, dass man das ohnehin schwierige Verhältnis zum Partner Türkei nicht weiter belasten wolle. Daran zeige sich, so Propagandaforscher Löwer, die Ignoranz der deutschen Politik beziehungsweise die Dominanz des militärischen über das politische Primat.

„Missgunst und Hass gegen Deutschland“

Am Ende kostet die Propagandaoffensive Unsummen. Allein Isaak Straus wird mit vier bis fünf Millionen Dollar unterstützt. Messbare Erfolg gibt es nicht. Botschafter Bernstorff berichtet ernüchtert am 11. Dezember 1916 an das Auswärtige Amt in Berlin: „Jede der deutschen Sache abträgliche Nachricht, auch wenn sie aus noch so unzuverlässiger Quelle stammt, erscheint mit fetter Überschrift an möglichst sichtbarer Stelle.“ Selbst Meldungen von privaten Nachrichtenagenturen, die ohne Weiteres als glatte Erfindung erkennbar seien, „erscheinen als vollendete Tatsachen “. Leitartikel strömten „Missgunst und Hass gegen Deutschland aus“.

Nachdem Deutschland zum 1. Februar 1917 den uneingeschränkten U-Boot-Krieg erklärt hat, muss Bernstorff noch im selben Monat die USA verlassen. Bernhard Dernburg ist bereits 1915 auf Drängen des Botschafters nach Deutschland zurückgekehrt, nachdem er in den USA die Torpedierung des britischen Passagierschiffs „Lusitania“ durch ein deutsches U-Boot verteidigt hatte. Dabei waren auch mehr als 120 Amerikaner ums Leben gekommen. Er wird später Reichsfinanzminister. Isaak Straus, der kein offizielles Mitglied des diplomatischen Korps ist, wird wie viele andere Deutsch-Amerikaner nach Kriegseintritt in einem Lager interniert.

Sie finden „Weltgeschichte“ auch auf Facebook. Wir freuen uns über ein Like.

Walter Lippmann dachte sich die Propagandaoffensive der US-Regierung für den Kriegseintritt 1917 aus. Später wurde er ein einflussreicher Journalist und Medienkritiker
Wilson-Berater Walter Lippmann dachte sich die Propagandaoffensive der US-Regierung für den Kriegseintritt 1917 aus. Später wurde er ein einflussreicher Journalist und Medienkritik...er
Quelle: picture alliance / Everett Colle

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema