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Geschichte Serbien 1915

„Dass unseren Krieg jetzt die Deutschen führen“

In drei Feldzügen war es Österreichs Armee bis 1915 nicht gelungen, Serbien zu besetzen. Bis das Deutsche Reich das Unternehmen an sich zog und damit den Verbündeten in Wien düpierte.
Freier Autor Geschichte

Im Oktober 1915 schrieb Franz Conrad von Hötzendorf, Generalstabschef der österreichisch-ungarischen Armee, einen ernüchternden Brief an den Leiter der Kaiserlichen Militärkanzlei in Wien. Darin äußerte er sich über die anlaufenden Aktionen gegen Serbien: „Dass es mir dabei nicht leicht fiel, wieder deutsche Hilfe anzurufen, wirst Du mir gerne glauben, noch viel mehr aber drückt mich, dass unseren Krieg gegen Serbien, wohin alle unsere Traditionen weisen und den ich seit 1909 erträumt habe, nunmehr die Deutschen führen.“

Der österreichische Stabschef Franz Conrad von Hötzendorf (r.; 1852-1925) und Erzherzog Friedrich (1856-1936), formal Oberbefehlshaber der K.-u.-k.-Armeen.
Der österreichische Stabschef Franz Conrad von Hötzendorf (r.; 1852-1925) und Erzherzog Friedrich (1856-1936), formal Oberbefehlshaber der K.-u.-k.-Armeen.
Quelle: picture alliance / Mary Evans Pi

Der Brief zieht ein schonungsloses Resümee aus dem zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs: Obwohl sich Österreich-Ungarn seit 1909 auf die Auseinandersetzung mit dem traditionellen Gegner Serbien vorbereitet hatte, war es bis dahin nicht gelungen, diesen „unseren Krieg“ zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Nicht nur, dass der K.-u.-k.-Staat zum wiederholten Male auf die Unterstützung durch deutsche Truppen angewiesen war, um einen Feldzug zu bestehen. In diesem Fall würde die Führung bei dem übermächtigen Bündnispartner liegen. „Nichts konnte die Stellung der Habsburgermonarchie, ihrer Armeen und ihrer militärischen Führer deutlicher hervorheben als diese von Enttäuschung und Bitterkeit diktierten Worte“, urteilt der Wiener Historiker Manfred Rauchensteiner in seinem Standardwerk „Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie“ über Conrads Brief.

Die Fallhöhe erklärt sich auch durch die Motivation, mit der Österreich-Ungarn im August 1914 den Krieg eröffnet hatte. Es sollte ein Rachefeldzug für die Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau am 28. Juni 1914 in Sarajevo sein. Serbische Nationalisten hatten das Attentat begangen, und obwohl nicht ganz klar war, wie weit ihre Verbindungen in die serbische Regierung wirklich reichten, wollten die Verantwortlichen in Wien endlich ein Exempel gegen die fortwährenden Attacken aus Belgrad statuieren.

Was folgte, offenbarte die ganze Brüchigkeit des alt gewordenen Kaiserstaates. Wahrscheinlich hätten Russland und Frankreich eine schnelle Strafaktion gegen Serbien durchgehen lassen. Aber dafür lief die Entscheidungsfindung viel zu schleppend ab, und – vor allem – war die Armee gar nicht gerüstet. Als dann endlich nach einem Monat der Kriegsfall da war, brauchten die Truppen der Großmacht viel zu lange für ihren Aufmarsch und wurden vom unerwartet schnellen Vordringen der Russen im Osten überrascht.

Erich von Falkenhayn (1861-1922), Chef der deutschen Obersten Heeresleitung.
Erich von Falkenhayn (1861-1922), Chef der deutschen Obersten Heeresleitung.
Quelle: picture alliance / Mary Evans Pi

Die Armeen, die Richtung Balkan unterwegs waren, mussten daraufhin umdirigiert werden, was buchstäblich im Chaos endete. Bis Ende 1914 konnten die Serben – zuletzt bildeten 45.000 Jugendliche und Alte in Zivilkleidung das dritte Aufgebot – drei Vorstöße der K.-u.-k.-Truppen zurückschlagen, die bis Belgrad vorgedrungen waren. Von den dramatischen Verlusten, die man bis dahin gegen die Russen in Galizien hatte hinnehmen müssen, konnte sich das Habsburgerreich nie mehr erholen. Nach der Katastrophe der Winterschlacht in den Karpaten war es deutscher Unterstützung zu verdanken, dass die Front gehalten werden konnte.

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Im Grunde genommen hatte Österreich 1915 aufgehört, eine Großmacht zu sein. Selbst an der Alpenfront, die Italien im Mai 1915 eröffnet hatte (die Kriegserklärung an Deutschland folgte erst 1916), waren deutsche Verbände zur Sicherung aufmarschiert. Die großen Offensiven der Mittelmächte im Osten, die im September in der Eroberung von Warschau gipfelten und die Front bis ins russische Kernland vorschoben, waren stets unter deutscher Führung erfolgt. Das sollte auch gegen Serbien so bleiben.

Erich von Falkenhayn, Chef der deutschen Obersten Heeresleitung, legte eine für einen deutschen General ungewöhnliche Hellsichtigkeit an den Tag, als er gegen das Drängen seiner deutschen Kommandeure im Osten – zumal Hindenburgs und Ludendorffs –, den weiteren Vormarsch abbrach. Nicht nur wegen der nahenden Schlammperiode, sondern auch wegen der Sinnlosigkeit eines Krieges in der Weite des Ostens wollte er endlich das strategische Problem des Balkans angehen.

Nicht nur, dass Österreichs Scheitern in Serbien Prestige (in diesen Kategorien dachte man damals auch) kostete. Auch waren englische und französische Berater in dem Balkanstaat aktiv. Zwar hatte Rumänien nach dem Kriegseintritt Italiens den richtigen Zeitpunkt verpasst, an der Seite der Entente aktiv zu werden, verfolgte gleichwohl argwöhnisch den offensichtlichen Machtverlust Wiens. Bulgarien wiederum, das im Zweiten Balkankrieg 1913 gegen Serbien, Rumänien, Griechenland und die Türkei einige Gebiete verloren hatte, die es im Ersten Balkankrieg 1912 im Bündnis mit Belgrad und Athen erobert hatte, verhandelte bereits in Berlin über einen Kriegseintritt auf Seiten des Zweibundes. Und dessen Partner Türkei benötigte dringend Rüstungsnachschub aus Deutschland, der nur über Land transportiert werden konnte.

Das waren für Berlin gute Gründe, frei werdende Divisionen aus dem Osten in den Balkan zu verlegen. Bevor sie aktiv werden mussten, galt es allerdings, zwei Probleme zu lösen. Zum einen drohte Griechenland mit seinem Kriegseintritt auf Seiten der Entente, wenn Bulgarien Serbien angreifen würde. Das andere war die leidige Frage, wer den Oberbefehl gegen Serbien übernehmen würde, ein österreichischer oder ein deutscher General.

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Mit Griechenland, wo bei Saloniki bereits Entente-Truppen standen, kam man überein, dass ein Angriff gegen Serbien von deutschen und österreichischen Truppen vorgetragen würde, denen sich Bulgarien allenfalls „anschließen“ würde. Der subtile Unterschied wurde in Athen akzeptiert.

Schwieriger gestalteten sich die Verhandlungen über den Oberbefehl, der für Österreich eine Frage der Ehre, für Deutschland eine der Effizienz und Fähigkeit war. Nach den schweren Niederlagen 1914 hatte Kaiser Franz Joseph I. Dutzende von Generälen wegen erwiesener Inkompetenz entlassen, deren Fehler von deutschen Truppen hatten ausgebügelt werden müssen. Hinzu kam, dass Falkenhayn den Feldzug gegen Serbien noch vor Wintereinbruch zu einem erfolgreichen Abschluss führen wollte, um den Rücken für die geplante Entscheidungsschlacht im Westen freizuhaben, die Anfang 1916 bei Verdun geplant war.

So sehr sich Conrad von Hötzendorf auch sträubte, musste er sich dem deutschen Druck schließlich beugen. Die Deutschen stellten mit der 11. Armee die wichtigste Formation für den Angriff, für den auch das Deutsche Alpenkorps, ein Eliteverband, von Tirol an die Donau verlegt worden war. Daneben sollte die k.u.k. 3. Armee zum Einsatz kommen, der dafür zwei deutsche Divisionen unterstellt wurden. Zum Oberkommandierenden wurde August von Mackensen ernannt, der mit seinem Sieg bei Gorlice-Tarnów im Mai den Zusammenbruch der russischen Front eingeleitet hatte. Für Conrad von Hötzendorf blieb nur, „entschlossen und resigniert durch(zu)halten“.

Zugleich war im Süden eine bulgarische Armee an der serbischen Grenze aufmarschiert. Sie sollte gemäß der Vereinbarung mit Griechenland erst später in die Kämpfe eingreifen. Am 5. Oktober 1915 begann mit einem schweren Artillerieschlag an der Donau der Angriff der Mittelmächte.

Dieser Artikel wurde erstmals 2015 veröffentlicht.

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