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Geschichte Erster Weltkrieg

Maschinenkrieg in der eisigen Hölle der Hochalpen

In bis zu 3850 Metern Höhe verlief die 600-Kilometer-Front, an der die Eliteeinheiten von Italien und Österreich k��mpften: Alpini gegen Kaiserschützen. Es ging in den Abnutzungsschlachten um Prestige.
Freier Autor Geschichte

„Entsetzliches Bombardement, das über menschliche Kräfte geht ... Die Leute sind vor Schrecken sinnlos geworden ... Eine beispiellose Schlächterei. Ein entsetzliches Blutbad. Blut fließt überall, und rings im Kreise liegen die Toten und Stücke von Leichen, so dass ...“ An dieser Stelle seiner Eintragung bricht das Tagebuch ab, der Mann war gefallen, ein Subalternoffizier des k.u.k.-Infanterieregiments Nr. 46, das im Juli 1915 die österreichische Alpenfront gegen Italien halten sollte.

Als Italien, seit 1882 Partner Österreichs und Deutschlands im Dreibund, im Mai 1915 ins Lager der Entente wechselte, sprach man in Wien von einem „Treuebruch, dessen die Geschichte nicht kennt“. Obwohl er seit Monaten abzusehen gewesen war, hatte das Habsburgerreich seine Verteidigungspositionen an der möglichen Südfront bewusst nicht verstärkt und Rom sogar erhebliche Zugeständnisse gemacht, um den Frontenwechsel zu vermeiden. Aber die Forderungen nach der Brennergrenze, Triest und Friaul wollte man doch nicht zugestehen. Italien aber hatte sich die weitreichende „Erfüllung der nationalen Aspirationen“ zum Ziel gesetzt. Am 23. Mai 1915 erklärte es Österreich den Krieg, Deutschland erst am 28. August 1916.

Was folgte, war ein Krieg der Extreme: Maschinenkrieg in den Hochalpen. Die höchste Geschützstellung stand auf dem Ortler in 3850 Metern Höhe. Erst die Kämpfe zwischen Indien und China und zwischen Indien und Pakistan im Himalaya sollten wieder unter ähnlichen Bedingungen stattfinden.

Der Klimawandel bringt jetzt die Folgen ans Licht. „Frozen Stories“, die neue Ausstellung im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen, präsentiert mit Objekten, Videos und Animationen, was sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg unter dem Eis verborgen hat. Die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs sind da nur ein Nebenaspekt, dessen Dimensionen sich erst in den Bergen selbst erschließen. Konnten Bergwanderer lange nur die aufgegebenen Schützengräben und Reste von Stellungen besuchen, die Soldaten unter geradezu unmenschlichen Bedingungen in Fels und Eis geschlagen hatten, geben die schmelzenden Gletscher mittlerweile auch ihre sterblichen Überreste frei.

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Manche Körper sind durch die Kälte vollständig erhalten – wie gefrorene Mumien, heißt es. Andere sind nur noch Knochen, umhüllt von Stofffetzen, Zeugnisse von Kämpfen, die manchmal nur über eine Distanz von wenigen Metern mit Spaten, Pistole und Felsbrocken ausgetragen wurde.

Drei Leichen wurden in Peio bestattet

Im italienischen Teil Tirols wurden unlängst die sterblichen Überreste von drei österreichischen Soldaten entdeckt. Ihre Schädel waren plötzlich dem Wetter ausgesetzt. Die drei Leichen wurden auf dem Friedhof von Peio in Südtirol bestattet.

Längst hat die Spatenforschung diese Hinterlassenschaft des Ersten Weltkriegs als Thema entdeckt. Rund 600 Kilometer lang war die Front zwischen Österreich und Italien. Am heftigsten wurde an Isonzo und Piave gekämpft, wo Abnutzungsschlachten wie in der Champagne oder in Flandern geschlagen wurden.

Aber im Hochgebirge ging es ums Prestige. Hier brachten beide Seiten Elitetruppen zum Einsatz – Alpini auf italienischer, Kaiserschützen auf österreichischer Seite. Schließlich wurde der Krieg um weiträumige Grenzverschiebungen in den Alpen geführt, zumindest von italienischer Seite. Österreich verlegte sich zunächst auf die Verteidigung, die unter den geografischen Bedingungen deutliche Vorzüge aufwies.

Allerdings machte sich das Fehlen moderner Verteidigungsanlagen zunächst höchst nachteilig bemerkbar. Mit dem Spaten ließen sich kaum Schützengräben ausheben. Umgekehrt reichte Artilleriebeschuss auf die Felsen oft aus, um durch die Splitterwirkung fürchterliche Kopfverletzungen zu verursachen. Entsprechend groß war die Motivation der Armeen, modernes Gerät in die Höhenlagen zu schaffen.

Tausende starben unter Lawinen

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Zunächst kamen Maultiere in großer Zahl zum Einsatz. Aber das Problem der Tiere war, dass sie ein Gutteil ihrer Kraft zum Transport des eigenen Futters verbrauchten. Die gefürchteten 30,5-Zentimeter-Mörser der tschechischen Firma Skoda konnten auseinandergenommen werden und wurden von Menschen auf 1500 Meter und mehr geschleppt, was ein Übermaß an Anstrengung und Opferbereitschaft erforderte.

Ab 1916 kamen mehr und mehr mechanische Kleinbahnen, Motorfeldbahnen und Seilbahnen in Betrieb. Ohne derartige technische Leistungen wäre der Krieg kaum noch zu führen gewesen, musste doch sogar Trinkwasser in die Höhe transportiert werden. Denn die Leichen, die oft nicht geborgen werden konnten, verseuchten das Wasser von Bächen und Teichen. Tausende kamen bei Lawinenabgängen ums Leben.

Waffen, Munition, Pioniermittel, Verpflegung, Fernmeldematerial, Post, Marketenderwaren, Holz: Alles wurde auf die entferntesten Höhen gebracht. „Es gab kein ,ungangbares Gelände’ mehr“, schreibt der österreichische Historiker Manfried Rauchensteiner in der neuen, erweiterten Fassung seines Standardwerks „Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie“.

Rauchensteiner zitiert aus einem Brief des Kommandanten der 5. k.u.k. Armee Svetozar Boroevic: „Die infernalisch wirkende feindliche Artillerie profitiert noch durch die Splitterwirkung des zertrümmerten Gesteins. Hinzu kommt, dass man die Leichen nicht bestatten kann. Sie verpessten die Luft. Leichenteile fliegen herum wie Feuer, was zufolge hat, dass unsere Leute den Hunger verlieren und vor Ekel trotz reichlichster Nahrung herabkommen.“

„Strafexpedition“ gegen den Ex-Partner

Da man über die Felsen nicht vorwärts kam, versuchte man es unterirdisch. Mehrfach trieben Pioniere Stollen unter die gegnerischen Linien, die dann mit Tausenden Kilogramm Sprengstoff in die Luft gejagt wurden. Dennoch schätzen Historiker, dass für das Gros der Verluste von 150.000 bis 180.000 Mann auf beiden Seiten vor allem die klimatischen und geografischen Bedingungen verantwortlich waren.

Nachdem die Italiener weder an der Isonzo-Front noch im Hochgebirge einen Durchbruch hatten erzielen können, zogen die Österreicher im Frühjahr 1916 zwei Armeen mit rund 150.000 Mann für eine „Strafexpedition“ gegen den ehemaligen Verbündeten zusammen. Obwohl in den Hochlagen noch 20 Zentimeter Schnee lagen, begann Mitte Mai die Offensive. Die Italiener wurden auf der ganzen Front aus ihren Stellungen geworfen. Schwere und schwerste Artillerie, die die Österreicher in die Hochlagen geschleppt hatten, zerstörte selbst moderne Unterstände. Ende Mai standen die k.u.k.-Armeen davor, die italienische Ebene zu erreichen. Der Krieg an der Südfront stand auf Messers Scheide.

Dass die italienische Front dennoch standhielt verdankte sie dem österreichischen Oberkommando und den Russen. Der österreichische Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf versuchte vom schlesischen Teschen aus, die Operationen zu koordinieren. Das war mit den damaligen Führungsmitteln über 800 Kilometer nicht möglich, schreibt Rauchensteiner. Und die Russen eröffneten Anfang Juni mit der Brussilow-Offensive ihre wirkungsvollste Aktion des ganzen Jahres. Die Reserven, die gegen Italien vielleicht den Sieg gebracht hätten, mussten nach Osten in Marsch gesetzt werden. So gewannen die Italiener Zeit, Truppen an die bedrohten Abschnitte zu transportieren.

Rauchensteiner zitiert italienische Abgeordnete, die es in Rom auf den Punkt brachten: Man sei von den Russen gerettet worden“. Bis zum Ende des Krieges 1918 ging das Sterben in den Alpen weiter.

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