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  3. Karl-Heinz Kurras ist tot: Der Stasi-Mann, der Benno Ohnesorg erschoss

Geschichte Karl-Heinz Kurras †

Stasi-Mann, der Benno Ohnesorg erschoss, ist tot

Mit seinen Todesschüssen auf Benno Ohnesorg radikalisierte der Polizist Karl-Heinz Kurras 1967 die Studentenbewegung. Erst 2009 kam heraus, dass er Stasi-Mitarbeiter war. Jetzt wurde sein Tod bekannt.
Leitender Redakteur Geschichte
Ohnesorg-Schütze mit 87 Jahren gestorben

Im Jahr 1967 hatte der Polizist Karl-Heinz Kurras den Studenten Benno Ohnesorg erschossen. Es folgten gewaltige Studentenunruhen. Der Ex-Stasi-Polizist starb nun im Alter von 87 Jahren.

Quelle: N24

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Der folgenreichste Schuss der bundesdeutschen Geschichte bleibt unaufgeklärt. Denn der einzige, der überhaupt etwas über die Hintergründe hätte sagen können, ist mehr als 47 Jahre später gestorben.

Am 2. Juni 1967, einem Freitag, hatte der West-Berliner Polizist Karl-Heinz Kurras am Rande einer Demonstration gegen den Schah von Persien den Demonstranten Benno Ohnesorg in den Kopf geschossen. Es war die finale Eskalation eines katastrophalen Einsatzes.

Irgendeine Bedrohung für Kurras hatte es zwar nicht gegeben. Da aber auch nicht völlig ausgeschlossen werden konnte, dass er sich bedroht gefühlt hatte, und eine spät aufgetauchte Zeugin eine passgenaue Aussage machte, musste das Gericht Kurras freisprechen.

Der tödliche Schuss löste die Breitenwirkung der später „68er“ genannten Studentenbewegung aus und indirekt den Linksterrorismus der 1970er- und 1980er-Jahre. Eine Berliner Terrorgruppe nannte sich sogar „Bewegung 2. Juni“.

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Jahrzehntelang betonten regelmäßig bekannte Aktivisten der linken Szene, wie ungeheuer wichtig der tödliche Schuss von Kurras für sie gewesen sei. Das änderte sich allerdings radikal, als zufällig zu Christi Himmelfahrt 2009 unwiderlegbar bekannt wurde, dass der vermeintlich rechte Polizeibeamte Kurras in Wirklichkeit ein Spitzel der DDR-Staatssicherheit gewesen war und sogar geheimes SED-Mitglied.

Als Spion viel zu wertvoll

Auf einmal redeten 68er-Veteranen wie der Schriftsteller Peter Schneider oder der Journalist Christian Semler die Bedeutung von Benno Ohnesorgs gewaltsamen Tod klein. Denn dass der Schütze ein Gegner des Verfassungsstaates Bundesrepublik war, passte überhaupt nicht in ihr Weltbild.

Tatsächlich hatte die Stasi Kurras wohl nicht den Auftrag gegeben, die Situation zu eskalieren. Dafür war der 1927 geborene Beamte, der erst kurz zuvor in die politische Abteilung der West-Berliner Polizei versetzt worden war, als Spion viel zu wertvoll.

Als der Name des Todesschützen durchsickerte, reagierte sein Ost-Berliner Führungsoffizier komplett ratlos: „Es ist zur Zeit noch schwer zu verstehen, wie dieser ,Geheime Mitarbeiter’ eine solche Handlung, wenn auch im Affekt oder durch Fahrlässigkeit hervorgerufen, begehen konnte.“

Intensiv bemühte sich die Stasi sofort, die Hintergründe von Kurras noch einmal zu durchleuchten. War er eventuell doch ein „Agent provocateur“ des Westens gewesen Doch nichts deutete darauf hin: Kurras, geboren in Ostpreußen und 1944/45 noch als Jugendlicher zum Kriegsdienst eingezogen, verletzt und im Frühjahr 1945 glücklich den Wirren des Untergangs entkommen, war stets ein äußerst zuverlässiger Agent gewesen.

Eine Topquelle der Stasi

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Er hatte sich 1955 selbst der Stasi in Ost-Berlin als Überläufer angeboten, obwohl er 1947 bis 1950 im sowjetischen Speziallager Sachsenhausen inhaftiert gewesen war – wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Die Geheimpolizei der SED war vorsichtig, entschied sich aber schließlich zur Zusammenarbeit: Einem Opfer des Stalinismus war mutmaßlich eine gute Karriere in der West-Berliner Polizei sicher.

Mehr als zwölf Jahre lang, von April 1955 bis Ende Mai 1967, lieferte Kurras Interna der West-Berliner Polizei nach Ost-Berlin. Die 17 Bände seiner eigenen Stasi-Akte und weiteres Material, zum Beispiel von seinen beiden Kurierinnen, zeigen zweifelsfrei, dass er eine Topquelle war. So jemanden gefährdet kein Geheimdienst der Welt durch einen riskanten Auftrag.

Warum also schoss Karl-Heinz Kurras am Abend des 2. Juni 1967? Da es sich, wertet man die Prozessakten und die Unterlagen des Untersuchungsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses genau aus, sicher nicht um Notwehr handelte, muss es einen anderen Grund gegeben haben.

Zwei Motive erscheinen denkbar: Kurras wollte seinen Auftraggebern in Ost-Berlin einen Gefallen tun, indem er die Situation in West-Berlin eskalierte. Dabei meinte er jedoch fälschlich, dass seine Kollegen nicht gegen ihn aussagen würden.

Kollegen organisierten die Falschaussage

Erst kurz vor dem Urteil tauchte die Zeugin auf, die seine Darstellung eines Schusses in Notwehr so bestätigte, dass der vorsitzende Richter Kurras freisprechen musste. Das war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine falsche Aussage, von West-Berliner Polizisten in falsch verstandener Kollegialität organisiert.

Das zweite denkbare Motiv war, dass Kurras sein Opfer verwechselt hatte. Kurz vorher nämlich hatte sich ein von der Stasi nach West-Berlin geschickter junger Mann namens Bernd Ohnesorge den Behörden gestellt. Der Polizist Kurras hatte nur seinen Namen erfahren. Denkbar, dass er in der Situation des 2. Juni 1967 den Namen von Benno Ohnesorg hörte, missverstand und den „Verräter“ bestrafen wollte.

Doch Auskunft geben über die tatsächlichen Hintergründe hätte nur Karl-Heinz Kurras selbst. Er hat es zu Lebzeiten nie getan, sondern stets an der falschen Notwehr-Version festgehalten. Am 16. Dezember ist er, wie erst jetzt bekannt wurde, gut zwei Wochen nach seinem 87. Geburtstag gestorben. Er wurde anonym bestattet. Das Rätsel des 2. Juni 1967 bleibt ungelöst.

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