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Meinung Prozess gegen AfD-Politiker

Selbstverständlich wurde Höcke zu Recht verurteilt

Politikredakteur
„So war das im Nationalsozialismus üblich und so war das tatsächlich auch bei Höcke“

13.000 Euro muss AfD-Poltiker Björn Höcke nun zahlen, weil er eine verbotene SA-Parole benutzt hat. Das Gericht glaubte ihm seine Unschuldsbeteuerungen nicht. Frederik Schindler, Redakteur WELT-Innenpolitik, erklärt die historischen Ursprünge der Parole.

Quelle: WELT TV

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Die Meinungsfreiheit weit auszulegen, ist für eine Demokratie unerlässlich. Doch es ist gut so, dass man für Volksverhetzung und das Wiederbeleben nationalsozialistischer Parolen bestraft werden kann. Das gilt auch für den Thüringer AfD-Chef Höcke.

Die nationalsozialistische Sturmabteilung (SA) hatte zu ihrem Höhepunkt im Juni 1934 4,5 Millionen Mitglieder. Teil der Uniform war ein Dolch, der an jeden Sturmmann herausgegeben wurde und auf dem die Losung der SA eingraviert war: „Alles für Deutschland“. Die Parole, die perfekt zu der den Einzelnen verachtenden Volksgemeinschaftsideologie der Nationalsozialisten passte, war damals also allgegenwärtig. Sie fand sich auch auf Propagandaplakaten, NSDAP-Reichsparteitagen und in Liederbüchern der Hitlerjugend.

Das Landgericht Halle hat in der vergangenen Woche den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke wegen des Verwendens der NS-Parole zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt. Mein Kollege Thomas Schmid befürchtet, dass das Urteil „Wasser auf die Mühlen der Partei fließen lassen“ könnte. Und meine Kollegin Anna Schneider ist der Auffassung, dass das Verfahren „zumindest Normalsterblichen eher schwer vermittelbar“ sei, da viele den Satz „wohl nicht sofort der SA zuordnen“ würden.

Kommentar von Thomas Schmid

Beides könnte zutreffen. Doch diese Argumente dürfen bei der Arbeit der Justiz keine Rolle spielen. Richter dürfen sich bei ihrer Urteilsfindung weder davon beeinflussen lassen, ob gerade Wahlen anstehen oder inwiefern ihre Entscheidungen in der Bevölkerung auf Zustimmung stoßen. Sonst wäre ihre Arbeit nicht unparteiisch und unabhängig – und ein zentrales Element eines Rechtsstaats würde fallen. Richter sollen keine beliebten Urteile fällen und ihre Aufgabe ist es auch nicht, Vertrauen zu schaffen. Sie müssen den Wahrheitsgehalt von Aussagen beurteilen und basierend auf Recht und Gesetz ein Urteil fällen.

Genau das hat die 5. große Strafkammer des Landgerichts Halle im Fall des Thüringer AfD-Landeschefs Höcke getan. Sie hat in der Beweisaufnahme schlüssig herausgearbeitet, dass der Rechtsextremist vom NS-Hintergrund und der Strafbarkeit des Slogans gewusst haben muss und ist zur Überzeugung gelangt, dass Höcke vorsätzlich handelte. Sie stellte in der Urteilsbegründung etwa auf die enge Bekanntschaft Höckes mit einem Parteifreund ab, gegen den bereits zuvor wegen der Verwendung derselben Losung ermittelt worden war.

Wie bekannt eine Parole ist, spielt keine Rolle

Für die Strafbarkeit einer Parole spielt der Bekanntheitsgrad innerhalb der Bevölkerung außerdem keine Rolle. Es geht dabei allein darum, ob der Beschuldigte sie vorsätzlich verwendet hat oder nicht. In diesem Fall schützt Unwissenheit also tatsächlich vor Strafe. Wer nicht weiß, dass „Alles für Deutschland“ ein Kennzeichen der SA ist, macht sich auch nicht strafbar, da der subjektive Tatbestand fehlt. Unerheblich ist auch, ob eine Parole – wie im Fall „Alles für Deutschland“ – auch von nicht verfassungswidrigen Organisationen verwendet worden ist.

Stark verbreitet ist die Parole jedenfalls in der Neonazi-Szene, in die Höcke bekanntlich Kontakte hat. Als etwa der mehrfach wegen einschlägiger Straftaten verurteilte Neonazi Thorsten Heise 2004 in die NPD eintrat, unterzeichnete dieser eine Erklärung, die mit der SA-Losung „Alles für Deutschland“ endete. Höcke kennt Heise, der die neonazistische Zeitschrift „Volk in Bewegung & Der Reichsbote“ herausgibt, seit mindestens 2008.

2011 und 2012 erschienen unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ in der genannten Zeitschrift Artikel, in denen Höckes Wohnhaus beschrieben wurde und die Ausdrücke enthielten, wie sie später nur Höcke verwendete. Der AfD-Bundesvorstand war 2017 davon überzeugt, dass es sich bei „Landolf Ladig“ um Höcke handelt und wollte ihn daher damals aus der Partei ausschließen. Laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz ist es „nahezu unbestreitbar“ und „angesichts der plausibilisierten Faktendichte nahezu mit Gewissheit anzunehmen“, dass Höcke unter dem Pseudonym die Neonazi-Partei NPD angepriesen hatte.

2010 hatte Höcke außerdem an einem Neonazi-Aufmarsch in Dresden teilgenommen, was auch die Staatsanwaltschaft im Prozess in Halle anmerkte. Die Anklagebehörde hatte Höcke im Verfahren zudem zahlreiche weitere Verwendungen nationalsozialistischer Sprache vorgehalten. Höcke bediente sich etwa bereits der seltenen Begriffe „Tat-Elite“ (einer Selbstbezeichnung der SS) und „Volksverderber“ (einem Begriff, den Hitler in „Mein Kampf“ verwendete). Höckes Behauptung im Verfahren, sich nie intensiv mit dem Nationalsozialismus beschäftigt zu haben, wurde widerlegt. Der Staatsanwalt sprach treffend von einem „fundierten NS-Wortschatz“ des Angeklagten.

Wozu das Verbot der SA-Parole wirklich dient

„Warum ist das illegal?“, fragt Anna Schneider – und führt zutreffend aus, dass es sich bei dem strafbewehrten Parolenverbot um eine Einschränkung der Meinungsfreiheit handelt. Mit Beleidigung, Volksverhetzung und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen gibt es in Deutschland einige wenige Straftatbestände, die dieses hochrangige Grundrecht einschränken. Bei einem Verdacht auf solche Straftaten wägen Staatsanwaltschaften und Gerichte stets ab, ob das hohe Gut der Meinungsfreiheit, dessen hohe Bedeutung für das demokratische Gemeinwesen das Bundesverfassungsgericht zu Recht hervorhebt, nicht doch überwiegt. Das tat auch die Strafkammer in Halle und kam zu einem anderen Schluss.

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Aufgrund des letztgenannten Paragrafen wurde Höcke verurteilt. Schutzzweck der Norm ist nicht nur die Abwehr einer Wiederbelebung der verbotenen Organisation oder der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen, sondern laut ständiger Rechtsprechung auch die Wahrung des politischen Friedens. Es solle der Eindruck vermieden werden, es gebe in Deutschland „eine rechtsstaatswidrige innenpolitische Entwicklung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen der durch das Kennzeichen angezeigten Richtung geduldet würden“, wie es in einem Urteil des Bundesgerichtshofs heißt.

Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs soll laut Bundesgerichtshof außerdem verhindern, dass die Verwendung verbotener Kennzeichen „sich wieder derart einbürgert, dass das Ziel, solche Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens in der Bundesrepublik grundsätzlich zu verbannen, nicht erreicht wird, mit der Folge, dass sie schließlich auch wieder von den Verfechtern der politischen Ziele, für die das Kennzeichen steht, gefahrlos gebraucht werden können“.

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Höcke äußerte sich kurz vor Prozessbeginn dahin gehend, dass die Straftatbestände der Volksverhetzung und verfassungswidrigen Kennzeichen Deutschland daran hinderten, „sich wiederzufinden“. Damit hat er genau dies angekündigt: Er will sagen können, was er will, auch wenn er damit andere hochrangige Rechtsgüter verletzt. Volksverhetzung etwa betrifft unmittelbar den Schutz der Menschenwürde, die vom Verfassungsgericht die „Wurzel aller Grundrechte“ genannt wird und bekanntlich in Artikel 1 des Grundgesetzes niedergeschrieben ist.

Unter den Paragrafen, von dem Höcke behauptet, dass er „leicht auf jeden kritisch denkenden Bürger anwendbar“ sei, fällt auch die Leugnung des Holocaust. Nicht zuletzt dieses Beispiel zeigt, dass es legitime Einschränkungen der Meinungsfreiheit gibt. Die Demokratie wird durch diese Einschränkung jedenfalls nicht gefährdet.

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