In Berlin macht Caspar David Friedrich wieder Spaß. Zum Jubiläumsjahr des deutschen Romantikers gibt es drei große Ausstellungen. Hamburg war schon, Dresden kommt noch, jetzt ist Berlin dran.
In Hamburg zeigte die Kunsthalle, wie man nicht mit dem Künstler und vor allem nicht mit dem Publikum umgehen soll: Infantilisierung, Didaktisierung, Bevormundung und Indoktrinierung kennzeichneten die Schau in den viel zu engen Räumen der „Galerie der Gegenwart“ des Quadratfetischisten Oswald Ungers. In Berlins Alter Nationalgalerie können Friedrichs Bilder und wir wieder atmen.
In Berlin wurde, wie Kuratorin Birgit Verwiebe in ihrem Katalogtext erläutert, Friedrich 1810 entdeckt und, nachdem er gegen Ende des 19. Jahrhunderts fast in Vergessenheit geraten war, in der „Jahrhundertausstellung“ von 1906 wiederentdeckt.
Hugo von Tschudi, der Schweizer Direktor der Nationalgalerie in Berlin, war vom Hof und von konservativen Kulturgrößen wegen seiner Förderung moderner Kunst, besonders der französischen Impressionisten, als unpatriotisch angegriffen worden, und begegnete der Kritik mit der großen Ausstellung über die Kunst in den deutschsprachigen Ländern von 1775 bis 1875.
Obwohl damals nur zwei kleine Räume Caspar David Friedrich gewidmet waren, dessen Bilder eng über- und nebeneinander gehängt wurden, erkannte die Kunstwelt schlagartig seine Aktualität; der fast abstrakte Charakter etwa des „Mönch am Meer“, auf dem man zunächst nur dunkel schimmernde Farbbänder erkennt, war gewagter als alles Impressionistische; nicht zufällig zählte ein Abstrakter wie Mark Rothko etwa Friedrich zu seinen Inspiratoren.
Solche Verbindungen herzustellen, überlässt die Ausstellung uns. In großen, hellen Räumen kann man sich in die thematisch – Berge, Wälder und Schluchten, Küsten und Ufer, Porträts – gehängten Bilder versenken. Berlin hat überdies durch die Restaurationsarbeit an den Gemälden in seinem Besitz ein einzigartiges Wissen über die Maltechnik Friedrichs und die materielle Grundlage – die Pigmente – seiner Kunst erworben und lässt uns auch daran teilhaben.
Es handelt sich, wie Ralph Gleis, Direktor der Alten Nationalgalerie, ohne Hamburg direkt zu nennen, aber augenzwinkernd sagte, um „Caspar David Friedrich pur“.
Und so muss es sein. Ja, der Maler wurde im Ersten Weltkrieg kulturpolitisch missbraucht als Beispiel deutscher Innerlichkeit im Gegensatz zu französischer Oberflächlichkeit; ja, die Nazis vereinnahmten den realistischen Romantiker gegen die „entartete Kunst“ der Abstrakten und Expressionisten; ja, er war darum den Nachkriegs-Westdeutschen suspekt; und ja, seine fast religiöse Beziehung zu Bergen und Bäumen mag heutigen Zivilisationskritikern, die als Umweltschützer daherkommen, zu Herzen sprechen.
Bertolt Brecht sprach von den „Leiden der Brauchbarkeit“, und er wusste, wovon er sprach. Caspar David Friedrich aber, wie Brecht, erschöpft sich nicht in seiner Brauchbarkeit; vielmehr sind seine besten Werke unauslotbar. Berlin lässt uns die Freiheit, das zu erleben.