Im Mobilfunkbereich steht eine Entscheidung der Bundesnetzagentur im so wichtigen Gebiet der Frequenzvergabe an, die den Markt auf Jahre prägen wird. Die Rollen sind klassisch verteilt: Die drei etablierten Mobilfunknetzbetreiber Deutsche Telekom, Telefónica (O2) und Vodafone auf der einen Seite, der Marktneuling 1&1 und die Mobilfunkanbieter ohne eigene Netze auf der anderen Seite. Die drei Etablierten haben im Jahr 2010 in einer Versteigerung das Privileg erworben, 15 Jahre lang bestimmte Funkfrequenzen exklusiv für ihre Mobilfunknetze zu nutzen.
Nun stellt sich die Frage, ob diese Frequenzen nach Ablauf erneut versteigert werden sollen oder einfach ohne Versteigerung in den Händen der Platzhirsche verbleiben. Die Bundesnetzagentur plant, das Privileg ohne eine Versteigerung zu verlängern. Sie schlägt eine Dauer von fünf Jahren bis zum Ende des Jahres 2030 vor. Eine entsprechende Konsultation läuft bis zum 8. Juli, und die endgültige Entscheidung soll im Herbst 2024 fallen.
In den nächsten Tagen wird sich auch der Beirat der Bundesnetzagentur mit dem Thema befassen. Der Beirat ist ein politisches Beratungsgremium. Er besteht aus je 16 Mitgliedern des Bundestages sowie der gleichen Zahl an Vertreterinnen und Vertretern der Bundesländer. Schon seit geraumer Zeit drängen die etablierten Unternehmen auf eine Verlängerung der Frequenzen und „bezirzen“ Politik wie Bundesnetzagentur unter anderem mit dem Argument, dann mehr in den Ausbau der Netze zu stecken.
Das klingt auf den ersten Blick überzeugend und verfängt immer mehr, greift im Ergebnis aber nicht durch. Auch bei einer Versteigerung können entsprechende Versorgungsauflagen gemacht werden. Die bietenden Unternehmen preisen diese dann sogleich ein, und die Versteigerungserlöse sinken.
Die Monopolkommission hält eine Verlängerung aber aus anderen Gründen ausnahmsweise für richtig. Denn zeitnah werden weitere Frequenzen frei, die dann gleich mit versteigert werden können. Insofern ist es wichtig und richtig, dass die Bundesnetzagentur nach der Verlängerung wieder in den Versteigerungspfad wechseln will. Diese kurzfristige Synchronisation der Frequenzlaufzeiten führt zu mehr Wettbewerb, eine sinnvollere spätere Versteigerung und eine bessere Nutzung des Frequenzspektrums. Außerdem schafft der gegenwärtig noch unvollständige Netzausbau von 1&1 Unsicherheiten im Markt.
Dies macht es sinnvoll abzuwarten, bevor Funkfrequenzen in einer Versteigerung für weitere 15 Jahre vergeben werden. Beide Aspekte rechtfertigen allerdings nur eine Verlängerung um drei und nicht um fünf Jahre. Noch viel entscheidender ist aber, dass die Verlängerung einen erheblichen wettbewerbseinschränkenden Effekt hat. Sie muss daher nicht nur auf das zeitliche Minimum reduziert, sondern durch wettbewerbsfördernde Maßnahmen begleitet werden.
So erwirtschaften die drei etablierten Mobilfunknetzbetreiber mit den Funkfrequenzen hohe Gewinne. Mit dem Privileg, sie fünf Jahre länger als ursprünglich vorgesehen nutzen zu dürfen, müssen daher entsprechende Pflichten verbunden werden. Dazu gehört einerseits die Verpflichtung, für eine qualitativ hochwertige Mobilfunkversorgung in Deutschland zu sorgen, wie es die Bundesnetzagentur derzeit plant.
Dazu gehört aber auch – und das ist der Monopolkommission besonders wichtig – dass die drei Unternehmen dieses Privileg nicht gegen Wettbewerber einsetzen. Mobilfunkdiensteanbieter wie Freenet, Festnetzanbieter wie die Deutsche Glasfaser und innovative IoT-Dienstleister wie Transatel wollen ihren Kundinnen und Kunden attraktive Angebote im Mobilfunkbereich machen. Dafür sind sie darauf angewiesen, dass ihre Kundinnen und Kunden Zugang zu Mobilfunknetzen erhalten. In den vergangenen Jahren verlief dies oft nicht reibungslos. Teilweise haben etablierte Mobilfunknetzbetreiber sich geweigert, über einen Zugang auch nur zu verhandeln. Dies zeigt: Die drei Unternehmen nutzen das ihnen von staatlicher Seite zugeteilte Privileg der exklusiven Nutzungsrechte von Funkfrequenzen gegen potenzielle Wettbewerber auf nachgelagerten Wertschöpfungsebenen.
Eine Angebotspflicht könnte Abhilfe schaffen
Abhilfe gegen dieses Problem könnte einerseits eine Angebotspflicht schaffen. Diese muss mit der Bedingung verknüpft werden, den hauseigenen Vertrieb oder die eigenen Tochterunternehmen nicht gegenüber anderen Zugang suchenden Unternehmen zu privilegieren. Diese Empfehlung eines Diskriminierungsverbots der Monopolkommission wurde von der Bundesnetzagentur bisher jedoch nicht aufgegriffen. Das von ihr vorgeschlagene bloße Verhandlungsgebot genügt aber nicht.
Abhilfe könnte andererseits geschaffen werden, wenn nicht nur die drei etablierten Mobilfunknetzbetreiber, sondern auch 1&1 anderen Telekommunikationsanbietern Zugang anbieten kann. Bisher ist dies nicht möglich. 1&1 verfügt noch nicht über ein deutschlandweit ausgebautes Netz und ist daher auf sogenanntes „National Roaming“ angewiesen. In dem derzeit bestehenden National-Roaming-Vertrag zwischen Telefónica und 1&1 ist eine Klausel enthalten, die es 1&1 verbietet, anderen Mobilfunkdienstleistern Zugangsangebote zu machen. Auch wenn der Vertrag zwischen Telefónica und 1&1 dieses Jahr durch einen Vertrag mit Vodafone abgelöst wird, steht zu befürchten, dass dieser ein vergleichbares Großhandelsverbot enthält.
Die Bundesnetzagentur kann den Wettbewerb stärken, indem sie solche Großhandelsverbote untersagt. 1&1 hat hohe Anreize, schnell viele Kunden auf sein Netz zu locken. Großhandelsverträge mit Telekommunikationsunternehmen, die über kein eigenes Mobilfunknetz verfügen, sind dafür optimal geeignet. Kann 1&1 solche Verträge abschließen, erhöht dies auch den Druck auf die drei etablierten Netzbetreiber, selbst solche Telekommunikationsunternehmen auf ihr Netz zu lassen. Die verkrusteten Strukturen in diesem Bereich des Mobilfunkmarktes würden mit hoher Wahrscheinlichkeit aufbrechen. Am Ende würden vor allem die Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren. Denn mehr Wettbewerb schafft günstige Preise, und diese sind mindestens genauso wichtig wie eine gute Netzabdeckung.