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Bankencrash, Corona, Ukraine-Krieg – Darum managt die EU Mega-Krisen verblüffend gut

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Bundeskanzler Olaf Scholz und Ungarns Premierminister Viktor Orbàn im Oktober 2022 in Berlin Bundeskanzler Olaf Scholz und Ungarns Premierminister Viktor Orbàn im Oktober 2022 in Berlin
Bundeskanzler Olaf Scholz und Ungarns Premierminister Viktor Orbàn im Oktober 2022 in Berlin
Quelle: picture alliance / NurPhoto
Es gab eine Zeit, da musste man mit dem Zerfall der Europäischen Union rechnen, so groß war die Wut der Bevölkerung. Heute wollen nicht einmal mehr Rechtspopulisten die EU verlassen, und selbst Ungarn oder Polen halten ihr die Treue. Weil ihr etwas gelingt, was ihr lange niemand zutraute.
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In Griechenland wurde kürzlich gewählt. Die Aufregung hierzulande hielt sich in Grenzen. Gut so. Denn im Land, das einst das wirtschaftliche und politische Sorgenkind Europas war, herrschen politische Stabilität und wirtschaftliches Wachstum. Im letzten Jahr wuchs die Wirtschaft um 5,9 Prozent. Nur Irland und Portugal wuchsen schneller.

Zwar gilt es heute nicht als cool, Angela Merkel zu loben. Aber die Bundeskanzlerin, die einst von Demonstranten in Athen mit Hitler verglichen wurde, hat die Weichen für Griechenlands Wiederaufstieg gestellt, indem sie die Institutionen der Europäischen Union (EU) weiterentwickelte. Das Land erhielt massive Finanzhilfen. Im Gegenzug musste es schmerzhafte Reformen durchführen.

Die Früchte dieser Reformen – und weiterer Maßnahmen zur Deregulierung und Steuersenkung, die Premierminister Kyriakos Mitsotakis durchgesetzt hat, nachdem Griechenland das Hilfsprogramm nicht mehr in Anspruch nehmen musste – ernten heute die Griechen. Einst lehnten sie in einem Referendum die Bedingungen des Hilfspakets als Zumutung ab; heute erkennen sie den Wert europäischer Solidarität.

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Diese Solidarität hat der EU geholfen, die Corona-Krise und die durch den russischen Angriff auf die Ukraine ausgelöste Krise erheblich besser zu überstehen, als es die Skeptiker erwartet hatten.

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Nach dem Brexit-Referendum sah es so aus, als könnte die Union zerfallen. Doch inzwischen stellen selbst europaskeptische Parteien wie Marine Le Pens Rassemblement National weder die EU noch die Gemeinschaftswährung in Frage. „Die Franzosen sagen uns: Macht es innerhalb des Euros. Also werden wir es innerhalb des Euros machen“, sagte Le Pen in einem Fernsehinterview. „Der Euro schützt uns teilweise vor den Turbulenzen auf den Finanzmärkten.“ Wie das Beispiel Griechenland gezeigt hat.

Auch die „Fratelli d’Italia“ von Premierministerin Giogia Meloni fordern zwar abstrakt ein „Europa der Vaterländer“ statt der EU, meinen aber konkret nur die aggressivere Wahrnehmung italienischer Interessen innerhalb der EU und der Eurozone.

Und selbst die als eurokritische Partei gegründete AfD, die offiziell noch den Austritt aus der EU propagiert, widmete im Programm zur Bundestagswahl 2021 dem Thema Europa gerade einmal fünf von über 200 Seiten und vergaß dabei, den Euro überhaupt zu erwähnen. Mit dem Dexit gewinnt man hier ebenso wenig Wahlen wie mit dem Frexit in Frankreich.

Es ist schon bemerkenswert: In Polen, Estland, Ungarn, Kroatien, Schweden und Italien herrschen entweder nationalkonservative und europaskeptische Parteien oder sind an der Regierung beteiligt; und doch ist die EU heute stabiler als vor zehn Jahren.

Und weiterhin attraktiv; nicht nur für Migranten aus der ganzen Welt, sondern auch für Staaten in unserer Nachbarschaft. Die Ukraine kämpft nicht zuletzt um das Recht, der EU beizutreten. Vor wenigen Tagen demonstrierten in der moldawischen Hauptstadt Kischinau über 75.000 Menschen für engere Beziehungen und eine Beitrittsperspektive zur EU.

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In Moldawien findet am 1. Juni das zweite Treffen der von Frankreichs Präsident nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine initiierten „Europäischen Politischen Gemeinschaft“ (EPG) statt, einer Gruppierung von 44 europäischen Staats- und Regierungschefs sowie der Präsidentin der Europäischen Kommission und dem Präsidenten des Europäischen Rats.

Der verlorene Sohn kehrt zurück

In gewisser Weise nimmt die EPG die künftige erweiterte EU vorweg: Neben den 27 EU-Mitgliedern sind die Ukraine und Moldawien, die Länder des westlichen Balkans, aber auch Georgien, Armenien und die Türkei Mitglieder.

Und mit dem Vereinigten Königreich kehrt sozusagen ein verlorener Sohn zurück in die Familie jener Staaten, die – zumindest verbal, muss man sagen, wenn man etwa die Türkei betrachtet – westlich-europäische Werte vertreten. Es ist das Eingeständnis, dass diese Werte in Europa selbst gefährdet wären, gäbe es keine politische Kooperation; und – indem die Vertreter der beiden wichtigsten Exekutivorgane der EU vertreten sind – das Eingeständnis, dass die Union den Kern und Garanten dieser Kooperation bildet.

Derweil fand in Großbritannien, wo die Mehrheit der Bürger inzwischen der Ansicht ist, dass der Brexit ein Fehler war, und wo die Regierung die Bedingungen der EU zur Regelung der Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland akzeptiert hat, ein Kongress der „nationalkonservativen Bewegung“ statt. Die Bewegung, die ihre wichtigsten Thinktanks und Geldgeber in den USA hat, hält den Nationalstaat, die traditionelle Familie, traditionelle Geschlechterrollen und die Religion für unerlässliche Vorbedingungen politischer Stabilität.

Dabei hat die Teilnahme einiger Minister der konservativen Regierung am Kongress viel eher gezeigt, wie instabil Großbritannien ist – zumal das Land eben kein „Nationalstaat“, sondern ein Konglomerat verschiedener Nationen und staatsähnlicher Gebilde ist. Innenministerin Suella Braverman – selbst die Tochter einer Hindu-tamilischen Mutter aus Mauritius und eines Christen indischer Abstammung aus Kenya – hat den Kampf gegen die Masseneinwanderung auf ihre Fahnen geschrieben und rief den Briten auf dem Kongress zu, sie sollten sich gefälligst als LKW-Fahrer, Schlächter, Erntehelfer, Bauarbeiter und Schweißer ausbilden lassen, statt sich auf ausländische Arbeitskräfte zu verlassen.

Michael Gove hingegen, verantwortlich für die wirtschaftliche Entwicklung der abgehängten Regionen des Landes, warnte auf dem gleichen Kongress vor einem Kulturkrieg um Familie und Sexualität, Religion und Identität: Wenn es um die „langweilige und vulgäre Aufgabe des Gewinnens von Wahlen“ gehe, sei immer noch die Wirtschaftspolitik entscheidend. Derweil wuchs die Wirtschaft Großbritanniens im ersten Quartal gerade einmal um 0,1 Prozentpunkte; dementsprechend glauben nur noch acht Prozent der Briten, dass die Konservativen die nächste Wahl gewinnen können.

Labour-Chef Keir Starmer würde als Premierminister womöglich den 3,4 Millionen in Großbritannien lebenden EU-Bürgern das Wahlrecht geben. Die Konservativen werfen ihm vor, damit die Grundlagen für ein neues Referendum um die EU-Mitgliedschaft legen zu wollen; ganz ist das nicht von der Hand zu weisen. Dass der Oppositionsführer solche Pläne, die auf dem Höhepunkt der Brexit-Kampagne Gift gewesen wären, heute offen erörtern kann, belegt den Niedergang des Anti-Europäismus als politische Kraft auch in Großbritannien.

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Wie hieß es in der Werbung für eine Berliner Biersorte: „Was gut ist, setzt sich durch.“ Das gilt auch für die EU. Schade, dass dieses erstaunlich resiliente Gebilde, irgendwas zwischen Imperium, Föderation, Club und Familie, nicht öfter angemessen gefeiert wird.

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