Olga* und ich waren 30 Jahre lang beste Freundinnen. Als wir uns 1992 in einer Notunterkunft für russlanddeutsche Aussiedler kennenlernten, lernten wir im Förderunterricht, was "spielen" auf Deutsch heißt und "Freundschaft". Unsere Eltern erweiterten zeitgleich ihren Wortschatz um "Sozialamt" und "Schwarzarbeit" – Begriffe, die ihr altertümliches, aus der ehemaligen Sowjetunion mitgebrachtes Deutsch nicht hergab. Als sie genug neudeutsche Wörter beisammenhatten, arbeiteten sie tagsüber in Fabrikhallen und gingen am Abend putzen. Mit uns sprachen sie wenig: Nach der Arbeit ein kurzer Blick ins Kinderzimmer – alle am Leben, keine Katastrophen in der Schule? Gut.