Ungewöhnlich früh im Jahr hat sich ein schwerer Hurrikan der Kategorie 5 in der Karibik entwickelt. Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 260 Kilometern pro Stunde hat Beryl die karibischen Inseln Barbados, Trinidad und Tobago und Grenada getroffen. Er zerstörte Wohnhäuser und Stromleitungen. Nach aktuellen Angaben starb eine Person in Grenada. Nun zieht er weiter in Richtung Mexiko, wo er voraussichtlich am Freitag und in abgeschwächter Form auf Land treffen wird. Fachleuten zufolge ist das der Beginn einer wahrscheinlich besonders heftigen Hurrikansaison.

Was erwarten Fachleute für die kommende Hurrikansaison?

Dieses Jahr könnte eines der bislang heftigsten Hurrikan-Jahre werden. Die US-Behörde National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) prognostiziert für 2024 eine außergewöhnlich hohe Sturmaktivität. Von Juni bis November erwartet sie zwischen 17 und 25 Stürme, die so stark sind, dass die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ihnen einen eigenen Namen geben wird. Acht bis 13 davon könnten sich zu Hurrikans entwickeln. Bis zu sieben davon könnten sogar schwere Hurrikans werden.

Hurrikan Beryl steuert am Montag vor der Küste Venezuelas auf die Inselgruppe der Grenadinen zu. © Zoom Earth, NOAA/NESDIS/STAR

Damit würde die Hurrikansaison deutlich stürmischer ausfallen als üblich: In einem durchschnittlichen Jahr gibt es etwa zehn bis 14 benannte Wirbelstürme. Ungefähr die Hälfte dieser Stürme verstärkt sich normalerweise weiter zu Hurrikanes, die anhaltende Windgeschwindigkeiten von mindestens 118 Stundenkilometern aufweisen. Im Durchschnitt entwickeln sich jährlich ein bis drei der Stürme zu schweren Hurrikanes mit Windgeschwindigkeiten von mindestens 178 Stundenkilometern.  

Schon in den vergangenen Jahren gab es vergleichsweise viele tropische Stürme. In drei der vergangenen vier Jahre gab es jeweils mindestens 20 benannte tropische Stürme. Besonders bemerkenswert war das Jahr 2020 mit einem Rekordwert von 30 Stürmen.  

Diese Hurrikansaison könnte noch einmal wesentlich verheerender ausfallen, und zwar nicht nur, was die Zahl der Stürme angeht. Sondern auch was die Gesamtkraft angeht, die die Wirbelstürme entwickeln könnten. Beschrieben wird sie mit einem Index der akkumulierten Zyklonenergie, der die Anzahl der Hurrikane umfasst, deren Intensität und auch deren Dauer. "In der diesjährigen Vorhersage liegt dieser Index mit hoher Wahrscheinlichkeit 150 Prozent bis 245 Prozent über den durchschnittlichen Erwartungen", sagt NOAA-Ozeanograf Hosmay Lopez gegenüber ZEIT ONLINE. 

All diese Voraussagen sind laut Erdsystemforscher Gabriel Vecchi von der Princeton University mit Vorsicht zu genießen: "Bei allem, was die Zukunft betrifft, gibt es immer das Potenzial für zufällige Faktoren, die reinspielen können. Wie etwa das Wetter oder Dinge, die wir noch nicht kennen." Somit könne sich die Saison auch anders entwickeln als vorausgesagt. Aber alle Bedingungen für eine sehr starke Hurrikansaison seien vorhanden. 

Wann genau und wo die einzelnen Stürme auftreten werden, lässt sich jedoch erst wenige Tage vor dem Entstehen des Sturms abschätzen. Das macht es schwerer, sich angemessen vorzubereiten und Menschen und deren Häuser zu schützen oder Schiffe in Sicherheit zu bringen. Es sei jedenfalls wichtig, dass sich die Bewohner von sturmgefährdeten Gebieten laufend informieren und vorher mit dem Wichtigsten – etwa Wasser, Nahrung und Benzin – eindecken, sagt Lopez von der NOAA. 

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Wie entstehen Hurrikans?

Damit Hurrikans entstehen, braucht es eine Kombination aus warmem Ozeanwasser und bestimmten meteorologischen Bedingungen. Sie bilden sich typischerweise über tropischen Meeren, wo die Wassertemperatur mindestens 26,5 Grad Celsius beträgt. Diese Wärme liefert die Energie, die den Sturm antreibt. 

Wenn die Sonne das warme Meerwasser erhitzt, verdunstet Wasser und steigt als feuchte Luft in die Atmosphäre auf. Die Corioliskraft, die durch die Erdrotation verursacht wird, führt dazu, dass die Luft spiralförmig aufsteigt. Während die aufsteigende Luft weiterhin Wärme und Feuchtigkeit aus dem Meer aufnimmt, verstärken sich die Winde, und der Sturm beginnt sich zu organisieren. Die Spirale der Wolken und Winde wird dichter und stärker. 

In der Mitte des Hurrikans bildet sich ein ruhiger Bereich, bekannt als das Auge des Sturms. Um das Auge herum gibt es eine ringförmige Wand aus intensiven Gewittern und starken Winden, die als Augenwand bezeichnet werden. Solange der Hurrikan über warmem Wasser bleibt, kann er weiterwachsen und stärker werden.  

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Warum soll die Hurrikansaison in diesem Jahr so extrem werden?

Es gibt zwei Hauptursachen für die voraussichtlich verheerende Hurrikansaison. Erstens sind die Temperaturen der Ozeane seit mehr als einem Jahr so hoch wie nie zuvor. Der tropische Atlantik ist derzeit zwei Grad wärmer als üblich. Wärmeres Wasser liefert mehr Energie für die Stürme, was die Entwicklung stärkerer Hurrikans begünstigt, da sie diese zusätzliche Energie aufnehmen und wachsen können, während sie nach Westen ziehen. 

Zweitens erwarten Forschende in diesem Jahr, dass spätestens bis zum Spätsommer das Wetterphänomen La Niña beginnt. In La-Niña-Monaten ist das Wasser im zentralen und östlichen Pazifischen Ozean kühler als sonst, was auch über dem Atlantik die Zirkulationsmuster so verändert, dass sich Stürme zu Hurrikans entwickeln können. Außerdem kühlt durch die niedrigeren Pazifiktemperaturen die Atmosphäre über dem Atlantik ab, was für einen größeren Temperaturunterschied zwischen der warmen Meeresoberfläche und der kalten oberen Atmosphäre sorgt. Auch das begünstigt die Entwicklung von Hurrikans.

Schließlich gibt es in diesem Jahr auch günstige Bedingungen für afrikanische Monsuns, die indirekt ebenfalls eine Rolle bei der Entstehung und Intensivierung von Hurrikans im Atlantik spielen.  

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Werden Hurrikans durch den Klimawandel häufiger oder stärker?

Dass in diesem Jahr die Bedingungen für die Bildung heftiger Stürme gegeben sind, bedeutet nicht, dass wir künftig ähnlich extreme Jahre erleben müssen. Zumindest können die Forscher mit ihren Modellen nicht die kommenden Jahre detailliert vorhersagen. Gerade die Frage, ob es durch den Klimawandel häufiger zu Hurrikans kommt, lässt sich noch nicht klar beantworten. 

Worin sich Fachleute allerdings einig sind: Durch den Klimawandel werden Hurrikans stärker als früher ausfallen. Denn warme Wassertemperaturen begünstigen die Bildung solcher Stürme, und durch die wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit aufgenommen werden, was auch den Regen während solcher Stürme verstärken kann. 

Seit Jahren wird unter Fachleuten über die Erweiterung der Hurrikanskala um eine Stufe 6 diskutiert. Die aktuelle Skala endet bei Kategorie 5 und umfasst Windgeschwindigkeiten ab 252 Kilometern pro Stunde. Viele Wissenschaftler argumentieren, die Skala reiche nicht aus, um häufiger gewordene extreme Stürme mit über 310 Kilometern pro Stunde angemessen zu klassifizieren. Eine Kategorie 6 würde helfen, die Risiken dieser Stürme besser zu kommunizieren. Andere befürchten jedoch, dass Menschen weniger alarmiert auf Kategorie-5-Hurrikane reagieren könnten, wenn es eine noch heftigere Stufe gäbe.

Und in den kommenden Jahren wird der Klimawandel auch durch den steigenden Meeresspiegel eine immer stärkere Rolle spielen, erwartet Erdsystemforscher Vecchi. Es entstehe zusätzlicher Schaden durch Sturmfluten, die durch den Hurrikan an Land gedrückt werden. Mit dem Anstieg des Meeresspiegels bewegt sich die Küstenlinie weiter ins Landesinnere, wodurch die Sturmfluten weiter ins Landesinnere vordringen können. Es wird also intensivere und sich schneller aufbauende Hurrikans im Atlantik geben, die höhere Schäden an den beliebten Küstengebieten anrichten werden. 

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