Begonnen hatte der Klimagipfel COP27 wortgewaltig: "Die Menschheit hat die Wahl: kooperieren oder zugrunde gehen", sagte UN-Generalsekretär António Guterres und warnte vor einem "Highway zur Klimahölle". EU-Ratspräsident Charles Michel sprach von einem "Klimagewehr, das auf unsere Köpfe zielt". Und US-Präsident Joe Biden versprach, die USA würden "voraneilen, um unseren Teil dazu beizutragen, die Klimahölle abzuwenden". 

Tatsächlich gelang in Scharm al-Scheich am Ende ein Durchbruch: Nach dreißig Jahren Kampf beschlossen die Delegationen dort einen Fonds zum Ausgleich der Verluste und Schäden (loss and damage) durch den Klimawandel. Er soll in Zukunft die Länder unterstützen, die durch die Klimakrise besonders verwundbar sind, und durch weitere Finanzmechanismen ergänzt werden. Details werden nun entwickelt. 

Allein dass die Klimaschäden in Ägypten auf die Agenda kamen, war schon ein Erfolg. Denn die Industrieländer, allen voran die USA, hatten sich lange geweigert, über Zahlungen für loss and damage auch nur zu verhandeln.  

Geld lindert Klimafolgen, verhindert sie aber nicht

Doch das Geld kann nur die Auswirkungen der Klimahölle dämpfen. Einen Ausweg weist es nicht. Denn die wirksamste Maßnahme gegen Klimaschäden ist immer noch, die globalen Treibhausgasemissionen schnell und radikal zu senken, um den globalen Temperaturanstieg so niedrig wie nur möglich zu halten. Allein auf ein Arbeitsprogramm dazu verständigte man sich nach fast 40 Stunden Verlängerung in Scharm al-Scheich, das die Industrieländer dazu bringen soll, ihre Klimaziele schnell nachzuschärfen. Aber selbst die Regeln dafür blieben mau. Die Ergebnisse bleiben also schmerzhaft unzureichend – ein klares Versagen.

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UN-Klimagipfel COP27 : Der "Scharm-al-Scheich-Umsetzungsplan" im Wortlaut

Ringen um jeden Satz: Nach fast 40 Stunden Verlängerung einigten sich alle Staaten auf der 27. UN-Klimakonferenz auf eine Abschlusserklärung.

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Im Abschlusstext, dem "Umsetzungsplan von Scharm al-Scheich", findet sich zudem weiterhin kein verpflichtendes Wort, wie und wann das Ende der fossilen Energien weltweit erreicht werden soll. Nicht einmal die Formulierung, dass die Staaten den "stufenweisen Abbau (phasedown) aller fossilen Energieträger" beschleunigen sollen, schaffte es ins Dokument, obwohl sich zahlreiche Länder bis zum Schluss dafür eingesetzt haben. Am Ende ist nun lediglich von einem "stufenweisen Abbau unverminderter Kohlekraft" die Rede – Öl und Gas werden nicht erwähnt.

Immer noch klafft zwischen den Erkenntnissen der Klimawissenschaft und den Ergebnissen des Gipfels eine tiefe Lücke. "Unser Planet ist in der Notaufnahme", sagte UN-Generalsekretär Guterres dann auch zum Ende der COP27. "Wir müssen die Emissionen drastisch verringern und dies anzugehen, hat die Klimakonferenz versäumt."  

Kein Land tut genug, um das

1,5-Grad-Ziel zu erreichen

Bewertung der Klimaziele einzelner Länder.

Die Temperaturangaben geben die

Erwärmung an, die bei diesem Kurs bis 2100

zu erwarten wäre.

keine Daten

kritisch ungenügend

+4,0°C

und mehr

• Iran • Russland • Singapur • Thailand • Türkei •

Vietnam

höchst ungenügend

+4,0°C

• Ägypten • Argentinien • China • Indien •

Indonesien • Kanada • Südkorea • Mexiko •

Neuseeland • Saudi-Arabien • V. A. Emirate

ungenügend

+3,0°C

• Australien •Brasilien •Chile • Deutschland • EU

• Japan • Kasachstan • Kolumbien • Peru •

Schweiz • Südafrika • USA

fast genügend

+2,0°C

• Äthiopien • Costa Rica • Gambia • Kenia•

Marokko • Nepal • Nigeria • Norwegen •

Vereinigtes Königreich

genügend

+1,5°C

Keines der untersuchten Länder tut genug.

Quelle: Climate Action Tracker, November 2022

Kein Land tut genug, um das

1,5-Grad-Ziel zu erreichen

Bewertung der Klimaziele einzelner Länder.

Die Temperaturangaben geben die

Erwärmung an, die bei diesem Kurs bis 2100

zu erwarten wäre.

keine Daten

kritisch ungenügend

+4,0°C

und mehr

• Iran • Russland • Singapur • Thailand • Türkei •

Vietnam

höchst ungenügend

+4,0°C

• Ägypten • Argentinien • China • Indien •

Indonesien • Kanada • Südkorea • Mexiko •

Neuseeland • Saudi-Arabien • V. A. Emirate

ungenügend

+3,0°C

• Australien •Brasilien •Chile • Deutschland • EU

• Japan • Kasachstan • Kolumbien • Peru •

Schweiz • Südafrika • USA

fast genügend

+2,0°C

• Äthiopien • Costa Rica • Gambia • Kenia•

Marokko • Nepal • Nigeria • Norwegen •

Vereinigtes Königreich

genügend

+1,5°C

Keines der untersuchten Länder tut genug.

Quelle: Climate Action Tracker, November 2022

Kein Land tut genug, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen

Bewertung der Klimaziele einzelner Länder. Die Temperaturangaben geben die

Erwärmung an, die bei diesem Kurs bis 2100 zu erwarten wäre.

keine Daten

+4,0°C

+4,0°C

+3,0°C

+2,0°C

+1,5°C

und mehr

ungenügend

fast genügend

genügend

höchst ungenügend

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• Iran

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• Singapur

• Thailand

• Türkei

• Vietnam

• Ägypten

• Argentinien

• China

• Indien

• Indonesien

• Kanada

• Südkorea

• Mexiko

• Neuseeland

• Saudi-Arabien

• V. A. Emirate

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• Brasilien

• Chile

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• EU

• Japan

• Kasachstan

• Kolumbien

• Peru

• Schweiz

• Südafrika

• USA

• Äthiopien

• Costa Rica

• Gambia

• Kenia

• Marokko

• Nepal

• Nigeria

• Norwegen

• Ver. Königreich

Keines der

untersuchten

Länder tut

genug.

Quelle: Climate Action Tracker, November 2022

Kein Land tut genug, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen

Bewertung der Klimaziele einzelner Länder. Die Temperaturangaben geben die

Erwärmung an, die bei diesem Kurs bis 2100 zu erwarten wäre.

keine Daten

+4,0°C

+4,0°C

+3,0°C

+2,0°C

+1,5°C

und mehr

ungenügend

fast genügend

genügend

höchst ungenügend

kritisch ungenügend

• Iran

• Russland

• Singapur

• Thailand

• Türkei

• Vietnam

• Ägypten

• Argentinien

• China

• Indien

• Indonesien

• Kanada

• Südkorea

• Mexiko

• Neuseeland

• Saudi-Arabien

• V. A. Emirate

• Australien

• Brasilien

• Chile

• Deutschland

• EU

• Japan

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• Kolumbien

• Peru

• Schweiz

• Südafrika

• USA

• Äthiopien

• Costa Rica

• Gambia

• Kenia

• Marokko

• Nepal

• Nigeria

• Norwegen

• Ver. Königreich

Keines der

untersuchten

Länder tut

genug.

Quelle: Climate Action Tracker, November 2022

Kein Comeback fossiler Energien – dennoch ein bitterer Erfolg

Vor fünf Jahren hat der Weltklimarat IPCC in einem Sonderbericht eindrücklich beschrieben, was uns erwartet, wenn die globale Durchschnittstemperatur über die 1,5-Grad-Schwelle steigt: drastische Ernteeinbußen, Armut für Millionen von Menschen, Arktiseis- und Gletscherschmelze, untergehende Inseln, Korallen- und Fischsterben. Jeder Zehntelgrad, um den sich der Planet weiter erwärmt, tötet Menschen und Tiere. Doch immer noch steuern wir auf die 2,7 Grad zu, und kein Land der Erde befindet sich derzeit auf einem 1,5-Grad-Kurs. Der Gipfel von Scharm al-Scheich ändert daran zunächst einmal nichts.

Schuld daran ist auch die Geopolitik. Den Delegationen in Ägypten dürfte klar gewesen sein, dass die Klimakrise sich nur gemeinsam besiegen lässt. Mit dabei hatten die Vertreterinnen und Vertreter von mehr als 190 Staaten aber auch ihre eigenen nationalen Interessen, geostrategische Erwägungen und innenpolitischen Zwänge. Nicht alle verhandelten also im Sinne des Klimaschutzes.

Der Krieg in der Ukraine und die globale Energiekrise verschafften jenen Delegationen Schwung, die versuchten, Öl, Kohle und Gas ein Comeback zu verschaffen. Am Ende wurde das abgewehrt – ein bitterer Erfolg. Denn ein dringend notwendiger Fortschritt für den Klimaschutz war nicht drin. 

Zählt China als größter Emittent noch als Entwicklungsland?

Wie sehr nationale Interessen die UN-Klimaverhandlungen ausbremsen können, zeigt auch der als historisch gefeierte Kompromiss dieses Gipfels: Wer zahlt für den Ausgleich von Klimaschäden – dort, wo sie schon heute Existenzen bedrohen? Und wer soll Geld erhalten?

Die Europäische Union pochte darauf, dass auch Länder wie China, mittlerweile der größte Verursacher von Treibhausgasen der Welt, in einen Klimaschadenfonds einzahlen müsse. Doch China bestand auf seinem Status als Entwicklungsland, um sich die Chance nicht zu verbauen, als solches künftig vielleicht sogar selbst Ausgleichszahlungen für loss and damage zu erhalten. Sein Land habe "sehr unter Extremwetterereignissen gelitten", sagte Chefunterhändler Xie Zhenhua.

Zugleich fürchteten Länder wie Pakistan, das gerade eine verheerende Flutkatastrophe erlebt hat, sie könnten künftig gar kein Geld erhalten, weil die EU zunächst nur den verwundbarsten Staaten finanzielle Unterstützung gewähren wollte. Am Ende wurde der Streit in eine Kommission verschoben, die nun erst noch klären muss, wer zahlt.

Andere trauten der Wortwahl generell nicht: Was sollte "verwundbarster Staat" überhaupt heißen? Was sollte beispielsweise mit Inselstaaten geschehen, die nicht arm sind, aber ein hohes Risiko tragen, dass eine Klimakatastrophe bald auch sie trifft? Sollten sie auch Geld aus dem Fonds erhalten?

Dass die Industriestaaten ihr früheres Versprechen, von 2020 an jährlich 100 Milliarden Dollar an Klimafinanzierung bereitzustellen, bis heute Jahr für Jahr von Neuem brechen, säte zusätzlich Zweifel. Vor allem die USA tragen wenig bei. Und selbst wenn Präsident Biden künftig großzügiger sein wollte: Er dürfte es schwer haben, dafür zu Hause eine Mehrheit zu finden.

Die Frustration und Wut über den Gipfel ist also nur zu verständlich. Viel zu langsam ging es hier voran, fast wäre die COP27 noch komplett gescheitert. Das zeigt: Mit UN-Klimakonferenzen allein lässt sich das Klima nicht retten.

Ohne UN-Gipfel geht es nicht, allein mit ihnen auch nicht

Doch eine Alternative gibt es nicht. Sie sind das einzige Forum, in dem sich alle Staaten der Welt über ihr Vorgehen gegen die Klimakrise verständigen können, und das einzige Treffen, auf dem die Klimapolitik aller Länder in der Öffentlichkeit steht. Ohne die COP ginge es noch viel langsamer voran. 

Und ohne einen Katalysator wie den Klimagipfel kämen vielleicht auch Initiativen nie zustande, die am Rande durchaus Fortschritte brachten: Brasilien, Indonesien und die Demokratische Republik Kongo verabredeten eine Kooperation zum Waldschutz; Deutschland versprach Geld für einen Schutzschirm gegen Klimarisiken; die USA, Deutschland und Ägypten vereinbarten eine Zusammenarbeit; Deutschland kündigte finanzielle Unterstützung für globale Wasserstoffinvestitionen an und versprach mehr Geld für die Klimaanpassung weltweit.

Natürlich braucht es mehr, um die Erderwärmung zu stoppen, bevor unser Planet für Millionen von Menschen unbewohnbar wird: noch mehr Engagement von einzelnen Staaten, die willens sind, voranzugehen. Schärfere Klimaregeln in internationalen Handelsabkommen, Dekarbonisierungsinitiativen in Betrieben, Gemeinden und Vereinen. Der Kampf lohnt sich, egal ob auf den UN-Gipfeln oder außerhalb. Denn jeder Zehntelgrad Erderwärmung, der vermieden werden kann, entfernt die Erde ein Stück mehr von der Klimahölle.

Die gesamte Berichterstattung rund um die 27. UN-Klimakonferenz (COP27) finden Sie auf unserer Themenseite.