Angesichts der dort grassierenden neuen Mutante des Coronavirus schränkt die Bundesregierung den Flugverkehr mit Südafrika ein. Das Land gelte ab der Nacht zum Samstag als Virusvariantengebiet, teilte das Bundesgesundheitsministerium mit. "In der Folge dürfen Fluggesellschaften nur noch deutsche Staatsbürger nach Deutschland befördern." Zudem müssten alle Eingereisten für 14 Tage in Quarantäne – auch, wenn sie vollständig geimpft sind.

Großbritannien und Israel haben ihren Flugverkehr in die Staaten der Region bereits eingeschränkt. Im südlichen Afrika befürchten Expertinnen und Experten, dass die Variante B.1.1.529 wegen ungewöhnlich vieler Mutationen nicht nur hoch ansteckend sei, sondern auch den Schutzschild der Impfstoffe leichter durchdringen könnte.

Die neue Einstufung werde möglicherweise auch Nachbarländer von Südafrika betreffen, teilte das Ministerium mit. Die Virusvariante "besorgt uns, daher handeln wir hier proaktiv und frühzeitig", sagte der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). "Das Letzte, was uns jetzt noch fehlt, ist eine eingeschleppte neue Variante, die noch mehr Probleme macht."

Die neue Variante löste auch bei deutschen Experten Sorge aus. "Wir müssen Zeit gewinnen. Nichts ist schlimmer als eine neue Variante in eine laufende Welle hinein", twitterte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach

Beratungen bei den EU-Staaten

Auch die EU-Kommission wird den Mitgliedstaaten die vorübergehende Einstellung des Reiseverkehrs mit den Ländern des südlichen Afrika vorschlagen. Die Kommission wolle "in enger Abstimmung mit den Mitgliedstaaten" über die Aktivierung dieser sogenannten Notbremse entscheiden, teilte Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf Twitter mit. Die EU-Staaten müssen darüber jetzt noch beraten und entscheiden. Rechtlich bindend wäre die Notbremse nicht, doch es wäre eine wichtige Richtungsentscheidung.

Auch Italien und Österreich schränkten ihre Verbindungen nach Südafrika ein. Wer in den vergangenen 14 Tagen in Südafrika, Lesotho, Botswana, Simbabwe, Mosambik, Namibia und Eswatini gewesen sei, könne nicht nach Italien einreisen, teilte das italienische Gesundheitsministerium mit. Es gelte "maximale Vorsicht". Österreicher und Österreicherinnen dürften noch in ihre Heimat zurückkehren, teilte das Wiener Ministerium mit. Sie müssten aber besonders strenge Quarantänebedingungen beachten.

Die Lufthansa will die Flugverbindungen nach Südafrika vorerst aufrechterhalten. "Wir setzen die Vorgaben um und werden weiter fliegen, auch um Menschen nach Hause zu bringen und Fracht zu transportieren", sagte ein Sprecher. Die Fluglinie beobachte die Lage intensiv und halte sich an alle gesetzlichen Auflagen und Regeln.

WHO prüft Gefährlichkeit der Virusvariante

Das südafrikanische Institut für Ansteckende Krankheiten NICD teilte mit, es seien in Südafrika erste 22 Fälle der neuen Variante nachgewiesen worden. Mit mehr Fällen sei im Zuge der laufenden Genomanalysen zu rechnen. "Obwohl die Datenlage noch beschränkt ist, machen unsere Experten mit allen Überwachungssystemen Überstunden, um die neue Variante und die damit möglicherweise verbundenen Implikationen zu verstehen", hieß es.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) prüft eigenen Angaben zufolge nun, ob die neue Variante als besorgniserregend eingestuft werden muss. Dabei würden auch Folgen für die Diagnostik, Therapien und die Impfkampagnen untersucht, sagte WHO-Expertin Maria van Kerkhove. "Es wird ein paar Wochen dauern, bis wir verstehen, welchen Einfluss diese Variante hat." Die WHO berief deswegen bereits ein Expertentreffen ein.

Gesundheitsminister Joe Phaahla sagte, die neue Variante bestätige die "Tatsache, dass dieser unsichtbare Feind sehr unvorhersehbar ist". Er rief die Südafrikaner auf, Masken zu tragen, Abstand zu halten und insbesondere sich impfen zu lassen. "Wir haben auch das zusätzliche Mittel der Impfungen, das uns helfen wird, schwere Erkrankungen zu vermeiden, einschließlich, dass wir in der Klinik enden oder sogar dem Virus zum Opfer fallen", sagte er.

Welchen prozentualen Anteil die Variante an den Neuinfektionen habe, müsse laut Phaahla noch geklärt werden. Erste Erkenntnisse deuteten laut einem Bericht der britischen Zeitung Financial Times unter Berufung auf südafrikanische Gesundheitsbehörden jedoch darauf hin, dass die neue Variante für rund 90 Prozent der neuen Ansteckungen verantwortlich ist.

Israel und Großbritannien schränken den Reiseverkehr ein

Israel stufte die Länder Südafrika, Lesotho, Botsuana, Simbabwe, Mosambik, Namibia und Eswatini als "rote Länder" ein. Ausländer dürften aus diesen Ländern nicht mehr nach Israel einreisen, teilte das Büro des Ministerpräsidenten Naftali Bennett mit. Israelis müssen bei einer Heimkehr aus diesen Ländern für bis zu 14 Tage in Quarantäne in ein Corona-Hotel, können sich aber nach einer Woche mit zwei negativen PCR-Tests freitesten. Man werde die neue Variante genau beobachten, um eine Ausbreitung in Israel zu verhindern, hieß es.

Die britische Regierung schränkt wegen der neuen Virusvariante den Flugverkehr aus Südafrika, Lesotho, Botswana, Simbabwe, Eswatini und Namibia ein. Zudem gelte für Ankommende eine strenge Pflicht zur Hotelquarantäne, teilte Gesundheitsminister Sajid Javid mit. Es gebe Hinweise darauf, dass B.1.1.529 noch ansteckender sei als die Delta-Variante und dass die verfügbaren Impfstoffe weniger wirksam seien. Der Flugverkehr aus den sechs Ländern solle von Freitagmittag an eingestellt werden.

Bislang wurden in Großbritannien keine Fälle mit der neuen Variante festgestellt, die etwa 30 Mutationen aufweisen soll. Doch täglich kommen laut der Nachrichtenagentur PA 500 bis 700 Menschen allein aus Südafrika in dem Land an. Über die Weihnachtszeit wird mit einer höheren Zahl gerechnet. PA zitierte einen Experten der britischen Behörde für Sicherheit im Gesundheitswesen mit der Einschätzung, bei B.1.1.529 handele es sich um "die schlimmste Variante", die bisher gesehen wurde. Bislang gebe es nur bestätigte Fälle in Südafrika, Botswana und Hongkong.

Nach einer Zeit relativ niedriger Corona-Zahlen mit durchschnittlich um die 200 Neuinfektionen pro Tag wurden in Südafrika am Mittwoch mehr als 1.200 und am Donnerstag 2.465 Fälle gemeldet. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die hohe Zahl der Neuinfektionen auf diese Variante zurückzuführen sei, sagte Ravindra Gupta, Forscher an der Universität Cambridge. "Das ist eindeutig eine Variante, die wir sehr ernst nehmen müssen."