Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius will die Wehrpflicht wieder einführen. Was manche begrüßen, ist für junge Menschen jedoch ein Schock. Und eine weitere Ungerechtigkeit. Denn die junge Generation wird bereits durch das jüngste Rentenpaket II belastet, auch Vorschläge wie ein verpflichtendes soziales Jahr oder eben die Wiedereinführung der Wehrpflicht würde die junge Generation und künftige Generationen für die Fehler der Babyboomer aufkommen lassen. Das wäre falsch. Die Babyboomer sollten ihre Fehler selbst korrigieren und sie nicht auf künftige Generation abschieben. Denn in den vergangenen 200 Jahren hat keine andere Generation so viele Krisen und Risiken hinterlassen. 84 Prozent der Deutschen sind heute davon überzeugt, dass es künftigen Generationen schlechter gehen wird.

Immerhin gestehen viele Ältere ein, dass sie ihren Kindern und Enkelkindern eine schlechtere Welt hinterlassen werden, eine Welt, die von Naturkatastrophen geprägt sein wird, die von politischen Konflikten bestimmt werden wird und in der die soziale Polarisierung zunimmt und die Demokratie geschwächt wird.

Wie konnte es dazu kommen? Selten standen die Zukunftschancen besser als 1990, nach dem Ende des Kalten Krieges. Die westlichen Demokratien nutzten die Friedensdividende, um ihre Verteidigungsausgaben und -fähigkeiten massiv zu reduzieren und sich bei der Sicherheit vor allem auf die USA zu verlassen. Gerade Deutschland hat den Ostblock und China primär als eine riesige wirtschaftliche Chance verstanden und einen wirtschaftlichen Merkantilismus verfolgt, bei dem es um Exporte und Marktanteile ging und nicht um eine werteorientierte Außenpolitik. "Wandel durch Handel" war der Leitsatz. Man dachte, auf diese Weise könnten autokratische Länder demokratisiert und geopolitische Konflikte verhindert werden. Es wurde nicht für notwendig erachtet, diese Länder als politische Partner auf Augenhöhe zu behandeln und sie in globalen Institutionen stärker mit in die Verantwortung zu nehmen. China und Russland sind so letztlich autokratischer geworden und haben sich vom Westen und von demokratischen Werten noch weiter entfernt, ihre eigenen Netzwerke aufgebaut und westliche Volkswirtschaften, allen voran Deutschland, von sich abhängig gemacht – bei Energie und wichtigen Vorleistungen für europäische Unternehmen.

Die Boomer halten an ihrer Denke fest

Zudem haben die verantwortlichen Babyboomer in Wirtschaft und Politik die ökologischen und digitalen Transformationen verschlafen. Diese seien zu teuer und würden kurzfristig den wirtschaftlichen Wohlstand reduzieren, lautete lange Zeit das Argument. Nun soll die junge Generation sicherstellen, dass Abhängigkeiten reduziert werden und der Rückstand bei Klima- und Umweltschutz aufgeholt wird, beispielsweise durch massive Subventionen energieintensiver und industrieller Unternehmen.

Bei all den globalen wirtschaftlichen Erfolgen haben die Babyboomer weniger Kinder bekommen und wollen trotzdem weiterhin an einem konservativen Familienmodell in Deutschland festhalten. Frauen sollten gefälligst arbeiten, sich aber gleichzeitig doch bitte um die Kinder kümmern. Investitionen in eine gute Infrastruktur und Qualität bei Kitas und Schulen waren und sind keine Priorität. Und viel mehr Migration, um die demografische Lücke zu schließen, will man auch nicht, vor allem nicht von Menschen, die eine andere Religion haben und nicht exzellent ausgebildet sind.

Die Lösung mancher in der älteren Generation: Die junge Generation solle mehr Leistungsbereitschaft zeigen und ihre Arbeitsstunden erhöhen. Und gleichzeitig sollen die Sozialsysteme die Umverteilung von Jung zu Alt verstärken, so wie dies jüngst im Rentenpaket II passiert ist. Verzicht auf manche soziale Leistung, eine Kürzung der Renten oder ein späterer Renteneintritt für die Babyboomer? Fehlanzeige.

Die Älteren sollten endlich mehr Verantwortung übernehmen

Damit bloß niemand auf die Idee kommt, unsere Gesellschaft könnte ja die notwendigen Investitionen in Bildung, Verteidigung, Infrastruktur, Klimaschutz oder Soziales durch höhere Steuern für Spitzenverdienerinnen und -verdiener – sprich: gut verdienende und vermögende Babyboomer – finanzieren, werden Steuererhöhungen von Regierungsparteien kategorisch abgelehnt und wurde die Schuldenbremse so im Grundgesetz verankert, dass sie kaum sinnvoll reformierbar ist. Oder anders ausgedrückt: Die Babyboomer weigern sich vehement und erfolgreich, für ihre Fehler und Versäumnisse zu zahlen und dafür, dass sie selbst über ihre Verhältnisse leben. Dies sollen nun die kommenden Generationen ausbügeln.

Auch aus dieser Perspektive ist die Forderung nach einer Wiedereinführung der Wehrpflicht unverantwortlich. Natürlich müssen Europa und insbesondere Deutschland deutlich mehr in Verteidigung und Sicherheit investieren. Aber die Lösung ist nicht die Wiedereinführung einer Wehrpflicht, sondern eine andere: Zuallererst sollte die Europäische Union sich auf eine gemeinsame Armee und auf eine gemeinsame Beschaffung von Technologien und Ausstattung für die Verteidigung einigen. Die 27 EU-Länder geben zusammengenommen bis zu dreimal mehr für Verteidigung aus als Russland. Die Bundesregierung sollte mit den europäischen Partnern diese Reformen angehen und nicht weiterhin nationale Alleingänge verfolgen und eine nationale Rüstungslobby finanziell stützen.

Vor allem aber sollten die Babyboomer mehr Verantwortung für ihre Entscheidungen der Vergangenheit übernehmen. Dies bedeutet deutlich mehr Investitionen, sowohl in Verteidigung als auch für Klimaschutz, Bildung und eine gute Infrastruktur zu tätigen, finanziert durch höhere Steuern für gut verdienende Babyboomer und auch durch einen Verzicht auf eine stärkere Belastung der jungen und künftigen Generationen. So würden die Babyboomer ihren Teil des Generationenvertrags wieder ein wenig besser erfüllen.