In diesem Sommer beschäftigen wir uns in einer Serie mit der Frage, ob das Jura-Studium reformiert werden muss. Start war ein Plädoyer zur Abschaffung des Staatsexamens. Nun veröffentlichen wir die kleinen Geschichten und großen Vorschläge unserer Leser.

Ich komme aus einer armen Familie und hatte Glück, dass meine Eltern ein Darlehen bekamen, so konnte ich die ersten zehn Monate in Deutschland überleben, ohne zusätzlich arbeiten zu müssen. 

In der Stadt Plovdiv habe ich an einem Fremdsprachengymnasium Deutsch gelernt und kam dann mit 19 Jahren nach Deutschland. Es war der 02. Oktober 2011. Ich musste in Bonn mein Jura-Studium anfangen, obwohl viele Leute mich davor gewarnt haben, dass der Studiengang schwer ist

Ich kannte mich nicht gut mit dem öffentlichen Verkehr aus und kam vom Flughafen Köln/Bonn über Köln nach Bonn. In Bonn stellte sich heraus, dass die Wohnung, die ich haben sollte, nicht mehr zur Verfügung stand. Ich war ohne Wohnung, nur mit zwei Koffern und der Telefonnummer einer Bekannten aus Bulgarien, die mir geholfen hat, ein Hotel zu finden.

Danach begannen die existenziellen Schwierigkeiten. Es war schwer, zu Beginn des Semesters eine Wohnung in Bonn zu finden. Zugleich musste ich mit dem Jura-Studium klarkommen. Das war aufgrund der mangelnden Sprachkenntnisse die größte Herausforderung meines bisherigen Lebens.

Im ersten Semester habe ich drei Klausuren und eine Hausarbeit geschrieben, durch zwei Klausuren bin ich gefallen. Viele an meiner Stelle hätten mit Jura aufgehört und vielleicht einen anderen Studiengang angefangen. Selbst mein Professor hat uns direkt gesagt: "Jura ist nicht für jedermann, viele schaffen es gar nicht zum Staatsexamen. Vielleicht müssen sich viele von Euch überlegen, ob es sich lohnt." Aber mich hat das nur motiviert, zu zeigen, dass ich auch was kann.

Nun hatte ich gerade meine mündliche Examens-Prüfung. Ich bekam 11 Punkte im Vortrag und 11 Punkte im Gespräch. Zusammen mit den Klausuren komme ich auf ein Prädikatsexamen: Vollbefriedigend, 9,5 Punkte. Nebenbei mache ich meinen Schwerpunkt in Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht.

Wie habe ich das geschafft? Unsere Repetitoren sagten: "Klausuren schreiben ist das Wichtigste!". Ich habe mehr als 60 Klausuren geschrieben, davon vielleicht nur ein Drittel bestanden und nur drei von diesen mit mehr als 10 Punkten. Das war aber die beste Lernerfahrung. Ich habe mehr aus diesen nicht bestandenen Klausuren gelernt, als aus allen anderen Fällen, Skripten oder Karteikarten. Darüber hinaus habe ich nur mit Fällen gelernt, die mir von dem Repetitorium ausgehändigt wurden, ohne zusätzliche Literatur zu benutzen. Die Repetitorien sind seit vielen Jahren auf dem Markt und haben sich auf das wichtigste konzentriert, sodass man auch "nur" mit deren Unterlagen ein Prädikatsexamen schreiben kann.

Ich habe insgesamt 18 Monate für die Klausuren gelernt, meinen Schwerpunkt mache ich erst nach den Examensklausuren. In dieser Zeit habe ich jeden Tag gelernt, außer an den Tagen, an denen ich arbeiten musste. Ich habe mich strategisch für mehrere Termine entschieden und die Klausuren im öffentlichen Recht nach hinten verschoben.

Darüber hinaus ist es einfach wichtig, dass man lernt. Viele Juristen sagen: "Ich habe zehn oder zwölf Stunden an einem Tag gelernt." Aber wie viel ist das eigentlich netto? Wie viel Zeit sitzt man auf seinem Platz und guckt auf sein Handy, ohne tatsächlich zu lernen? Oder die stundenlangen Pausen mit Kommilitoninnen und Kommilitonen, die auch als "Lerngruppe" zählen?

Die Schlussfolgerung ist: Jura ist ein Fach für fleißige Menschen, dann ist es einfach. Das hat nicht viel mit Intelligenz zu tun. Deshalb ist das Staatsexamen eine gute Möglichkeit, um zu testen, wer fleißig gelernt hat und ein grundsätzliches Verständnis hat. Das Staatsexamen bringt junge Juristen dazu, zu improvisieren. Die Fragestellung ist komplex und kann nicht auf den ersten Blick beantwortet werden. Vielmehr verlangt das juristische Staatsexamen, dass die Prüflinge die juristische Methodik verstanden haben und so zu einer vertretbaren Lösung kommen.

Das Jurastudium ist Disziplin und Durchhaltevermögen. Man muss sich auf einen Marathon einstellen, nicht auf einen Sprint.