Die Unionsfraktion möchte nach britischem Vorbild Asylverfahren in Drittstaaten auslagern. Aus einem Papier von CDU und CSU geht hervor, dass die Ampelregierung dazu aufgefordert werden soll, "Gespräche zwischen der EU und Ruanda sowie weiteren Drittstaaten anzustoßen, um mit diesen Staaten über die Implementierung eines Drittstaatsmodells zu verhandeln". Demnach soll eine "umfassende Partnerschaft auf Augenhöhe begründet werden", die sich nicht auf eine Zusammenarbeit bei der Migration beschränke, sondern auch die Bereiche Wirtschaft, Handel, Sicherheit und gegebenenfalls der Entwicklungszusammenarbeit umfasse.

Bis zur Einführung eines Drittstaatenmodells sollen laut der Union kurzfristig Maßnahmen zur signifikanten Verringerung der irregulären Migration nach Deutschland durchgesetzt werden. Sie fordert, dass bis zu einem "funktionierenden Schutz der EU-Außengrenzen" Kontrollen an den Binnengrenzen möglich bleiben sollen. Demnach sollen Menschen bei der Einreise zurückgewiesen werden können, die bereits von einem anderen Land einen Aufnahmestatus zuerkannt bekamen oder die in dem Land einen Asylantrag stellen können, aus dem sie einreisen.

Länderchefs und Scholz beraten am Donnerstag über Drittstaatenmodell

Die Ministerpräsidenten wollen am Donnerstag mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über die Auslagerung von Asylverfahren sprechen. Dazu wird Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Ergebnisse einer Prüfung vorlegen. Ihr Ministerium war in den vergangenen Wochen damit beauftragt worden, festzustellen, inwiefern das sogenannte Drittstaatenmodell möglich ist.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion Thorsten Frei (CDU) sagte dem Handelsblatt: "Die Ampel hat in Berlin über Monate geprüft und währenddessen in Brüssel alles unternommen, um die Einführung solcher Drittstaatenlösungen unmöglich zu machen." Er verwies auf ein Schreiben an die EU-Kommission, in dem sich 15 Mitgliedstaaten für die Auslagerung von Asylverfahren an Drittländer ausgesprochen hätten. Das Schreiben zeige nach der Meinung von Frei, dass ein entsprechendes Gesetz auf EU-Ebene rasch verabschiedet werden könne, wenn die Bundesregierung ihren Widerstand aufgebe.

Über 300 Organisationen kritisieren Pläne zu Asylverfahren

Widerstand kam indes von zahlreichen Verbänden. Über 300 Organisationen wandten sich in einem offenen Brief an Scholz und die Länderchefs. "Bitte erteilen Sie Plänen zur Auslagerung von Asylverfahren eine klare Absage", heißt es in dem Schreiben. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Amnesty International Deutschland, Ärzte ohne Grenzen und Pro Asyl.

Die Verfasser argumentieren, Aufnahme und Teilhabe funktioniere, wenn alle an einem Strang zögen. "Pläne, Flüchtlinge in außereuropäische Drittstaaten abzuschieben oder Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen, funktionieren hingegen in der Praxis nicht", schreiben sie. Die Verfahren seien extrem teuer und stellten eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit dar. 

Sie führten absehbar zu schweren Menschenrechtsverletzungen wie pauschale Inhaftierung oder dass Menschen in Länder abgeschoben werden, in denen ihnen menschenunwürdige Behandlung oder Verfolgung drohten, heißt es weiter. Die aktuelle Debatte hat den Verfassern zufolge bereits Auswirkungen. "Bei Geflüchteten lösen solche Vorhaben oft große Angst aus und erhöhen die Gefahr von Selbstverletzungen und Suiziden."