Die Spitzen von Bund und Ländern haben sich auf eine Reihe von neuen Maßnahmen verständigt, um eine vierte Infektionswelle nach den Ferien abzuwenden – und die Impfquote in Deutschland zu erhöhen. Nach ihren Beratungen mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Bedeutung des Impfens: "Wir müssen dafür werben, dass geimpft wird", sagte sie, "weil es einfach ein Schutz für uns alle ist."

Testpflicht und Ende der Kostenübernahme

Die zentralen Beschlüsse der Runde zielen dabei auf die Gruppe der Ungeimpften, vor allem auf all jene, die sich trotz verfügbarer Impfangebote nicht gegen das Virus immunisieren lassen wollen. Für sie gelten demnächst gleich zwei neue Regelungen. Zum einen müssen sie die Kosten für Corona-Bürgertests ab dem 11. Oktober selbst tragen, Gratistests gibt es dann nur noch für Menschen, die nicht geimpft werden können oder für die es keine allgemeine Impfempfehlung gibt – "insbesondere Schwangere, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren", wie es in dem Beschluss von Bund und Ländern heißt.

Zum anderen beschlossen Bund und Länder eine neue Testpflicht für Ungeimpfte: Wer nicht gegen das Coronavirus immunisiert ist, muss ab dem 23. August und einer Inzidenz von 35 für Veranstaltungen in Innenräumen einen negativen Corona-Test vorlegen. Ausgenommen von der Regelung sind Kinder bis zum sechsten Lebensjahr und Schüler.

Obligatorisch werden diese Tests für den Zugang zu Krankenhäusern sowie Alten- und Pflegeheimen, zur Innengastronomie, Sport- und Freizeitveranstaltungen, Gottesdiensten, für körpernahe Dienstleistungen wie Friseure sowie bei der Beherbergung in Pensionen und Hotels. Ungeimpfte müssen demnach einen negativen Antigen-Schnelltest, der nicht älter ist als 24 Stunden, oder einen negativen PCR-Test, der nicht älter ist als 48 Stunden, vorlegen. Bei Hotelaufenthalten muss nach der Anreise zweimal pro Woche während des Aufenthalts ein Test gemacht werden.

"Impfen, Impfen, Impfen ist das Gebot der Stunde"

Die neuen Regeln sollen nach Worten von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) helfen, flächendeckende Corona-Beschränkungen zu vermeiden. Er warnte vor einer "Pandemie der Ungeimpften", appellierte im Anschluss an die Beratungen, das Impfangebot anzunehmen, und betonte: "Wenn nicht ausreichend geimpft wird, besteht immer die Gefahr von Mutationen." Auch wenn es einen weiteren Lockdown nicht geben werde – dies sei verfassungsrechtlich nicht möglich, sagte Söder mit Blick auf Geimpfte und Genesene: Das Impfen sei das leichteste Mittel, die Freiheit zurückzugewinnen.

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) verteidigte die Entscheidung zum Ende der kostenlosen Corona-Bürgertests. Wer sich gegen ein Impfangebot entscheide, könne nicht auf Dauer damit rechnen, dass ihm die "Solidargemeinschaft" die Folgen seiner Entscheidung finanziere, sagte er und mahnte: "Impfen, Impfen, Impfen ist das Gebot der Stunde." Besuche im Theater, Kino oder von Sportveranstaltungen seien weiter möglich. "Aber wir müssen uns das erhalten", sagte Müller und verteidigte so die neuen Maßnahmen. "Es ist richtig, diesen Schritt zu gehen."

Merkel äußerte die Hoffnung, "dass sich die Impfquote noch mal deutlich steigert". Derzeit seien rund 55 Prozent der Bürger voll geimpft. Ziel sei es, die Impfquote "deutlich über 70 Prozent hin zu 80 Prozent" zu steigern, sagte die Kanzlerin und kalkulierte: "Wir werden weniger Infektionen haben, wenn wir mehr Geimpfte haben." Merkel betonte: Eine Impfpflicht werde es nicht geben – allerdings sei letztlich jeder selbst für die Impfentscheidung verantwortlich. Merkel sagte, "dass jeder dann damit leben muss mit den Folgen, wenn er sich oder sie sich nicht impfen lässt". Grundsätzlich wollten doch "alle, dass wir mit niedrigschwelligen Maßnahmen den Anstieg der Infektionszahlen eindämmen können".

Notlage verlängert – Inzidenzwert bald nicht mehr alternativlos

Die Frage, wann welche Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie in Kraft gesetzt werden, wollen Bund und Länder künftig nicht mehr allein vom Inzidenzwert abhängig machen. Auch Kennzahlen wie die Impfquote, die Zahl der schweren Krankheitsverläufe und die Auslastung der Intensivstationen sollten "berücksichtigt" werden, wie es in dem Beschluss heißt. Verbindliche Größen legten die Regierungschefs dabei aber noch nicht fest.

Die Regierungschefs sprachen sich zudem für eine Verlängerung der sogenannten epidemischen Notlage über den September hinaus aus. Als Rechtsgrundlage für die "zu ergreifenden Maßnahmen" im Kampf gegen die Corona-Pandemie sei die Feststellung der Notlage durch den Bundestag "weiterhin erforderlich", heißt es in dem Beschluss. An die Feststellung der Notlage sind eine Reihe von Anti-Corona-Maßnahmen gekoppelt, welche die Behörden im Kampf gegen die Pandemie erlassen können.

"Die Pandemie ist leider noch nicht vorbei", sagte Merkel. Deshalb seien weiter einschränkende Maßnahmen notwendig. Einen weiteren Lockdown werde es aber voraussichtlich nicht geben, solange der Impfstoff wirkt. "Wir wollen alle, dass wir mit niedrigschwelligen Maßnahmen den Anstieg der Infektionszahlen eindämmen können."

Die Beschlüsse erfolgen vor dem Hintergrund einer gesunkenen Impfbereitschaft und wieder steigender Corona-Infektionszahlen. Aktuell liegt die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) bei 23,5. Vor einer Woche lag der Wert noch bei 17,9.