Vor der Parlamentswahl in Großbritannien am 4. Juli wird kein Abschiebeflug das Land in Richtung Ruanda verlassen. Das bestätigte Premierminister Rishi Sunak in einem Interview mit dem Radiosender LBC. "Wenn ich gewählt werde, werden die Flüge abheben", versprach Sunak. Der Tory-Politiker machte deutlich, dass dies erst nach der Wahl passieren werde. Die Vorbereitungen seien jedoch getroffen worden. Es werde im Sommer "Schlag auf Schlag" gehen, sagte der Konservative.

Das britische Parlament hatte nach langer Debatte im April ein neues Asylgesetz beschlossen. Es sieht vor, irregulär eingereiste Menschen nach Ruanda zu bringen. Dabei ist egal, wo sie herkommen oder wie ihre persönlichen Umstände aussehen. Sie sollen dort einen Asylantrag stellen, um im Zweifel in Ruanda bleiben zu können. Eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen.

Bislang nur eine freiwillige Ausreise nach Ruanda

Obwohl im Rahmen der Vereinbarung mit Ruanda bereits 240 Millionen Pfund (rund 280 Millionen Euro) an das ostafrikanische Land geflossen sind, konnte bisher mit Ausnahme einer freiwilligen Ausreise kein Migrant dorthin abgeschoben werden. 

Laut Sunak soll das neue Asylgesetz eine abschreckende Wirkung haben. Dafür gibt es bisher jedoch keine Belege. Experten bezweifeln, dass es Migrantinnen und Migranten davon abhalten wird, die gefährliche Überfahrt in kleinen Booten über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu wagen.

Die Vereinten Nationen, Menschenrechtsorganisationen und die Opposition in Großbritannien kritisieren das Projekt. Das oberste Gericht in dem Land hatte das Vorhaben wegen Bedenken hinsichtlich des Asylverfahrens in Ruanda für rechtswidrig erklärt. Die Regierungsmehrheit im Parlament verabschiedete daraufhin gegen den Widerstand des Oberhauses ein Gesetz, mit dem Ruanda für sicher erklärt wurde.

Am Mittwoch hatte der Premierminister unerwartet den Termin für die Parlamentswahl bekannt gegeben. Für Sunak ist die Bekämpfung der irregulären Migration über den Ärmelkanal eines der Hauptthemen im Wahlkampf. Bei der Wahl in sechs Wochen hat die Konservative Partei jüngsten Umfragen zufolge schlechte Chancen auf einen Sieg. Mit etwa 20 bis 25 Prozent liegt sie deutlich hinter der oppositionellen Labourpartei, die in Umfragen zuletzt auf 40 bis 45 Prozent kam.