Führende Migrationsexperten halten das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) in Hinblick auf die geltende Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte für problematisch. Das ist eine Kernaussage des Reports Globale Flucht und Migration 2024. Erhebliche Zweifel werden darin auch mit Blick auf die Umsetzbarkeit der EU-Asylreform geäußert.

"Inhaltlich weist die Reform eine deutliche Schieflage auf", sagte der Mitherausgeber des Reports, Franck Düvell. So sei bei GEAS "das Motiv der Schutzgewährung ins Hintertreffen geraten". Düvell verwies auf mit der Reform verbundene Gefahren für das Kindeswohl sowie fehlende Möglichkeiten des Rechtsbehelfs für Schutzsuchende. Er wandte sich auch gegen eine Externalisierung von Verfahren in Drittstaaten, wo teils schwere Menschenrechtsverletzungen drohten.

Die umstrittene Neuordnung des EU-Asylrechts ist Mitte Mai im Rat der Europäischen Union final beschlossen worden. Im Dezember hatten sich die Mitgliedsstaaten nach jahrelangem Streit grundsätzlich geeinigt, Anfang April folgte die Abstimmung im Europaparlament. Mit der Reform sind einheitliche Verfahren in Transitlagern an den EU-Außengrenzen und ein verbesserter Verteilungsmechanismus geplant. Menschen mit geringen Aufnahmechancen sollen künftig direkt an den Außengrenzen abgeschoben werden.

Weitere Eskalation in der Ukraine könnte Fluchtbewegung verstärken

Der Report verlangt nach Angaben von Düvell eine "Rückbesinnung auf menschenrechtliche Standards in der EU statt einer Konzentration auf Abschreckungsmaßnahmen". Die EU-Staaten müssten hier ihrer globalen Verantwortung gerecht werden. In dem Bericht wird zudem die Befürchtung geäußert, dass auch das angestrebte Ziel einer faireren Verteilung von Geflüchteten zwischen den EU-Staaten nicht erreicht werden dürfte.

Düvell warnte vor einer neuen Fluchtbewegung aus der Ukraine, sollte der russische Angriffskrieg weiter eskalieren. "Wir müssten, wenn Russland gewinnt, mit Millionen weiteren Menschen rechnen", sagte der Wissenschaftler. Er rief die europäischen Regierungen zu mehr Anstrengungen auf, einer solchen Eskalation entgegenzutreten.

Der Report Globale Flucht wird jährlich von einem wissenschaftlichen Netzwerk aus 37 beteiligten Autoren veröffentlicht. Auftraggeber ist das Projekt Flucht- und Flüchtlingsforschung: Vernetzung und Transfer (FFVT). Der Bericht soll einen Überblick über zentrale Debatten, aktuelle Entwicklungen und Hintergründe zum Thema Flucht bieten.