Die Bundesregierung hat sich für eine "gezielte und funktionale" Einschränkung des internationalen Zahlungssystems Swift als Sanktion gegen Russland ausgesprochen. Man arbeite "unter Hochdruck daran, wie die Kollateralschäden einer Abkopplung (Russlands) von Swift so eingegrenzt werden können, dass sie die Richtigen trifft", teilten Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen mit.

Zuvor wurde aus französischen Regierungskreisen bekannt, die Diskussionen innerhalb der Europäischen Union über einen Ausschluss Russlands seien weit fortgeschritten. "Kein EU-Mitgliedsstaat" blockiere einen solchen Schritt, sagte ein Vertreter des Pariser Präsidialamts.

Baerbock hatte am Freitag in der ARD vor "massiven Kollateralschäden" durch einen Swift-Ausschluss Russlands gewarnt und verwies auch auf mögliche Energieengpässe. Deutschland war zuletzt das letzte EU-Land, das einen Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungsnetzwerk Swift nicht befürwortete.

Auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hatte zugesagt, alle Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland mitzutragen. Was die EU vereinbaren könne, das akzeptiere und unterstütze Ungarn, sagte er bei einem Besuch an der ukrainisch-ungarischen Grenze. "Dies ist die Zeit, um vereint zu sein, es ist ein Krieg", sagte Orbán. Friedensbemühungen seien das Wichtigste.

Tschechien sprach sich bereits zuvor für Sanktionen aus. "Bloße Worte" würden nicht mehr reichen, die russische Invasion in der Ukraine zu stoppen, sagte der tschechische Präsident Miloš Zeman bei einer Onlinekonferenz mit Staats- und Regierungschefs osteuropäischer Nato-Staaten. Der bislang häufig als russlandfreundlich kritisierte Staatschef veränderte damit seine Linie und kritisierte die bisher verhängten Sanktionen als zu inkonsequent.

"Vergessen Sie nicht, dass die Russen schon an Sanktionen gewöhnt sind", sagte Zeman. "Mein Vorschlag ist daher ganz einfach: Es gibt eine ernsthafte Sanktion namens Swift. Ich weiß sehr gut, dass diese Sanktion schmerzhaft ist." Zwar hätte ein Swift-Ausschluss auch ernsthafte Folgen für die Nato-Staaten. "Aber es kann funktionieren, während Worte allein nicht funktionieren."

Italien schließt sich Forderung an

Auch Lettland hat sich für einen Ausschluss Russlands aus dem Netzwerk eingesetzt. Außenminister Edgars Rinkēvičs hat zudem gefordert, dass außer Russland auch Belarus von dem System ausgeschlossen wird. "Da das Lukaschenko-Regime an der Aggression gegen die Ukraine beteiligt ist, muss auch Belarus von Swift getrennt werden", schrieb er auf Twitter. Lettland hatte die Maßnahme unmittelbar nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine gefordert.

Auch Lettlands Präsident Egils Levits rechnet mit weiteren EU-Sanktionen. Beim Nato-Gipfel am Freitag habe er gefordert, Russland von Swift auszuschließen, und sei dabei von anderen Staatschefs unterstützt worden, sagte er im ZDF-Morgenmagazin. "Ich glaube, wir kommen auch zur Abschaltung von Swift für Russland, was natürlich noch einen besonderen Einschnitt in die russische Ökonomie bedeuten wird."

Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zufolge hat sich Italien, das den Schritt zunächst abgelehnt hatte, ebenfalls für die Maßnahme ausgesprochen. Ministerpräsident Mario Draghi habe in einem Telefonat mit ihm seine Unterstützung dafür bekundet, schrieb Selenskyj auf Twitter. "Das ist eine neue Seite in der Geschichte unserer Staaten", schrieb Selenskyj dazu.

Das Politikteil - Der Politikpodcast von ZEIT und ZEIT ONLINE: Haben wir die Ukraine im Stich gelassen?

Deutschland war lange gegen Swift-Ausschluss

Deutschland hatte den Swift-Ausschluss lange abgelehnt. In Litauen demonstrierten mehrere Dutzend Menschen gegen Deutschlands Position. Rund 100 Personen versammelten sich litauischen Medienberichten zufolge am Samstag vor der deutschen Botschaft in Vilnius. Auf Plakaten forderten sie Deutschland auf, seine Vorbehalte gegen den Ausschluss Russlands aus Swift aufzugeben. Viele Demonstranten trugen ukrainische und litauische Flagge, wie im Internet veröffentlichte Bilder zeigen.

Auch Zypern hat mitgeteilt, das Sanktionsinstrument zu unterstützen. Finanzminister Konstantinos Petrides stellte klar, sein Land werde einer solchen Entscheidung nicht im Wege stehen. "Im Namen der Einheit der EU und der Solidarität mit dem ukrainischen Volk hat Zypern KEINEN Einspruch gegen EU-Sanktionen erhoben, einschließlich des Ausschlusses Russlands aus Swift", schrieb er auf Twitter. "Alles ist auf dem Tisch." Zypern ist als Finanzplatz mit besonders engen Beziehungen zur russischen Oligarchie bekannt.

Auf der Plattform Change.org verbreitete sich eine an Bundeskanzler Olaf Scholz gerichtete Petition, den Swift-Ausschluss Russlands zu unterstützen. "Jetzt ist nicht die Zeit für Appeasement-Politik und Zurückhaltung, sondern die Zeit, einheitlich und stark eine vereinigte Front gegen Russland zu zeigen. Und dazu gehören massive Sanktionen", heißt es im Text der Petition, die bislang knapp 50.000-mal unterzeichnet wurde. 

FDP-Fraktionschef Christian Dürr verteidigte die bis dahin beschlossenen Sanktionen des Westens. Das "schärfste Schwert" sei tatsächlich das Blocken der russischen Banken gewesen, sagte Dürr im Bayerischen Rundfunk. "Bei Swift ist die Sache komplizierter, da geht es auch um die Frage, inwieweit noch Rechnungen bezahlt werden können." Ob und wann auch Swift auf den Tisch komme, lasse sich derzeit nicht sagen, sagte Dürr weiter. "Auch Herr Putin sagt ja nicht, was er vorhat", sagte der FDP-Fraktionschef im BR. "Wenn wir den Eindruck hätten, dass Swift das schärfste Schwert wäre, dann würden wir es ziehen, aber so ist es leider nicht." 

Der Ausschluss von Swift gilt als schärfstes Sanktionsinstrument gegen Russland. Damit würden russische Banken vom globalen Finanzsystem abgeschnitten. Das gilt auch für Zahlungen in das Land hinein, etwa deutsche Zahlungen für den russischen Gasexport. Die Bundesregierung befürchtete zunächst Heiz- und Stromknappheit im Fall der Maßnahme. Zudem begründete Außenministerin Annalena Baerbock den Verzicht darauf damit, dass die erlassenen Sanktionen gegen russische Banken zielgenauer seien.