Bei der Europawahl am 9. Juni dürfen in Deutschland zum ersten Mal Jugendliche ab 16 Jahren ihre Stimme abgeben – die Bundesschülerkonferenz fordert dies nun für alle Wahlen. "Wir denken, dass es sehr sinnvoll ist und die politische Partizipation junger Menschen stärkt", sagte Generalsekretärin Louisa Basner den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Junge Menschen erlebten dadurch direkten Einfluss, indem sie an der Demokratie beteiligt seien.

Laut Statistischem Bundesamt lebten Ende 2023 etwa 1,4 Millionen 16- und 17-jährige Erstwähler in Deutschland, die bei der Europawahl abstimmen dürfen. Basner kritisierte, dass im Politikunterricht die Verankerung des Wahlrechts im Grundgesetz zwar thematisiert werde, oft aber der direkte Bezug zur Europawahl fehle. Ob überhaupt die Europawahl thematisiert werde, hänge von der jeweiligen Lehrkraft ab. "Das ist von Klasse zu Klasse unterschiedlich", sagte sie.

Lehrerverband hält schulischen Beitrag zur politischen Bildung für ausreichend

Der Deutsche Lehrerverband äußerte sich unterdessen skeptisch über die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei der Europawahl. "Ob es gut war, das Wahlalter abzusenken, da bin ich hin- und hergerissen", sagte Verbandspräsident Stefan Düll den Funke-Medien. Zwar gebe es viele Jugendliche, die sich sehr mit ihrem Wahlrecht auseinandersetzen. "Aber ein großer Teil interessiert sich eben auch nicht die Bohne für Politik mit ihren vielen Facetten", sagte Düll. Das Interesse könne auch nicht die Schule erzwingen. Es komme auch auf das Elternhaus, die Gesellschaft und die Jugendlichen selbst an. Die Schule tue jedenfalls genug für die politische Bildung.

Der Lehrerpräsident sprach sich dagegen aus, auch bei Bundes- und Landtagswahlen Jugendliche wählen zu lassen. "Verantwortung über die eigene Person hinaus für das gro��e Ganze zu übernehmen, ist etwas, das reifen muss", sagte er. Nicht umsonst sei die Volljährigkeit erst mit 18 Jahren erreicht.

Unterstützt wird die Forderung der Schüler unter anderem von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Sie spricht sich seit Längerem für eine Absenkung des Wahlalters aus.

Studie sieht geringe Wahlbereitschaft bei jungen Menschen

Eine Studie der Bertelsmann Stiftung sieht derweil eine geringe Wahlbereitschaft bei den jungen Menschen in Deutschland, die bei der Europawahl erstmals ihre Stimme abgeben dürfen. 57 Prozent der bundesweit Befragten im Alter von 16 bis 25 Jahren gaben demnach an, am Sonntag wählen zu wollen. Von den Befragten zwischen 26 und 69 Jahren wollen sich der Umfrage zufolge dagegen 62 Prozent an der Wahl beteiligen. EU-weit sind die Werte ähnlich, insgesamt aber leicht höher.

Trotz der unterdurchschnittlichen Wahlbereitschaft sind junge Menschen der Studie zufolge grundsätzlich proeuropäischer eingestellt als ältere. Die Frage, ob sie bei einem Referendum für den Verbleib ihres Landes in der Europäischen Union stimmen würden, bejahten EU-weit 78 Prozent der 16- bis 25-Jährigen. Bei den älteren Befragten waren es nur 65 Prozent.

Jüngere Menschen wählen zudem kaum aus Protest. Nur 23 Prozent der Befragten gaben EU-weit an, mit ihrer Wahl ihre Missbilligung der aktuellen Politik ausdrücken zu wollen. Bei den 26- bis 69-Jährigen waren es dagegen 30 Prozent.