2020 war angeblich das Jahr, in dem die Welt Netflix leergeguckt hat. Wir haben auch ziemlich viel geschaut: hier die persönlichen Serien-Höhepunkte der Kritikerinnen und Kritiker von ZEIT und ZEIT ONLINE.

"Normal People"

Natürlich ist niemand normal in Normal People. Nicht die verhasste Einserschülerin Marianne (Daisy Edgar-Jones), nicht der introvertierte Rugbystar Connell (Paul Mescal) und schon gar nicht die Leute, die beide an der Uni in Dublin kennenlernen. Die Regisseure Lenny Abrahamson und Hettie Macdonald erzählen mit ihrer Adaption eines Romans von Sally Rooney jedoch keine Geschichte über stolzes Außenseitertum. Nichts erscheint adorkable an den Eigenheiten des jungen Liebespaars, das weder mit- noch ohne einander auszukommen scheint. Stattdessen beschreibt Normal People das Klassenbewusstsein der irischen Gesellschaft und ihrer Eliteunis als ultimativen Liebestöter.

Connells Mutter ist die Putzfrau von Mariannes Mutter. In seiner Familie fehlt es am Geld, in ihrer  an allem anderen. Niemals scheint die Beziehung der beiden über diesen Umstand hinwegzukommen. Obwohl sich Marianne im Lauf ihrer Unizeit von der eigenen Familie emanzipiert, obwohl sie und auch Connell eine Weltanschauung entwickeln, mit der sie den Erwartungen von Elternhäusern, Freundeskreisen und sonstiger Außenwelt doch eigentlich entkommen können müssten. Es ist verzwickt, und am Ende wird es auch tragisch. Vom Weg dorthin erzählt Normal People mit unfehlbarer Beobachtungsgabe für die Machtdynamiken einer jungen Beziehung und den Einfluss, den Status, Selbstwertgefühl und Sex darauf nehmen können.
(Daniel Gerhardt)

Die zwölf Episoden von "Normal People" laufen auf Starzplay via Amazon Prime.