Nach dem Abschluss meines Bachelors in Betriebswirtschaftslehre wollte ich mich nicht gleich ins Masterstudium stürzen. Ich hatte nicht das Gefühl, zu wissen, was ich vom Berufsleben zu erwarten hatte und welche Arbeit mir Spaß machen würde, obwohl ich schon während des Studiums drei kürzere Praktika absolviert hatte. Ich beschloss deshalb, für ein Jahr längere Praktika zu machen, um die Arbeit in verschiedenen Branchen genauer kennenzulernen.

Ich bewarb mich im ganzen Bundesgebiet und erhielt schon bald Einladungen zu Vorstellungsgesprächen. Schließlich bekam ich die Zusage einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Ich freute mich, denn es war eine namhafte Firma, ein großes Unternehmen mit vielen interessanten Einsatzbereichen. Mit Sicherheit würde ich dort wertvolle Erfahrungen sammeln.

Ich hatte mir ausgerechnet, dass ein viermonatiges Praktikum mir genügend Einblick verschaffen würde, doch im Vorstellungsgespräch fragte mich mein zukünftiger Chef, ob ich nicht auch sechs Monate Zeit hätte. Die ersten zwei Monate verbrächte man sowieso nur mit der Einarbeitung, und je länger ich bliebe, desto interessantere Aufgaben würden mir übertragen. Das ergab Sinn, ich vertraute ihm.

Im Sommer 2014 zog ich nach München. Ich war hochmotiviert und wollte zeigen, was ich konnte. Doch schon die erste Woche war ernüchternd. Ich lernte meine Teamkollegen, die bei einem der Kunden waren, nur übers Telefon kennen. Ich musste alleine im Büro sitzen und Arbeiten erledigen, die mir per E-Mail zugeschickt wurden. Die Arbeiten beschränkten sich auf das Erstellen von PowerPoint-Folien und das Korrekturlesen von Präsentationen. Später durfte ich zwar mit meinen Kollegen in einem Büro sitzen, aber an meinen Aufgaben änderte sich die nächsten sechs Monate nicht viel.

"Die Scheißarbeit macht der Praktikant"

Natürlich war mir während der ersten Wochen die Stumpfsinnigkeit der Arbeit bewusst, doch ich sagte mir, dass sie mich eben testen wollten, ob ich selbst die einfachen Arbeiten fehlerfrei und diszipliniert erledigen würde. Leider dämmerte es mir erst später: Die Firma benutzte mich als Billiglöhner. Für ein überschaubares Salär macht der unverbrauchte und motivierte Praktikant alles, was sonst niemand machen will, so schien die Devise zu sein. Ein befreundeter Kollege, ehemals selbst Praktikant, berichtete mir von seinem Einweisungsgespräch, in dem der Vorgesetzte wörtlich sagte: "Wenn es irgendwelche Arbeiten gibt, die langweilig sind und lange dauern, gib sie den Praktikanten. Du bist jetzt teuer." Ein anderer Kollege erzählte, wie mein Vorgesetzter beim Mittagessen prahlte: "Die Scheißarbeit, die gebe ich immer dem Prakti!"

Die Wertschätzung meiner Arbeitskraft konnte ich leicht mithilfe der täglichen Arbeitsanweisungen entschlüsseln: "Bitte mal diese Ordner einscannen", "Bitte mal diese Seite ausdrucken" oder "Kannst du das bitte sortieren, du kostest ja nichts". Mehrfach wurde mir die Zuteilung einer stupiden Aufgabe damit begründet, dass ich der Billigste im Team sei. Kollegen gaben mir gegenüber offen zu, dass sie ihre Projekte ohne Praktikanten gar nicht innerhalb des Budgets schaffen würden.

Natürlich weiß ich, dass es auch gute Praktika gibt, aber wahrscheinlich überwiegen die schlechten. Daher möchte ich allen zukünftigen Praktikanten raten: Lasst nicht alles mit euch machen, erst recht nicht für das wenige Geld! Fordert früh anspruchsvolle Aufgaben, und falls sich nichts ändert, kann es durchaus sinnvoll sein, zu kündigen. Ein Praktikum ist nur dann sinnvoll, wenn es euch persönlich weiterbringt.

Der Autor schreibt unter einem Pseudonym. Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt.