Erst die Welle von Atemwegsinfekten durch Sars-Cov-2, RS-Viren und zuletzt Influenza, jetzt scheint eine weitere Heimsuchung die Republik zu erfassen: Magen-Darm-Infektionen. Was ist dran an dem Eindruck? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Welche Erreger kursieren gerade?

Es sind die üblen Verdächtigen: Noro- und Rotaviren, die häufigsten Auslöser von Magen-Darm-Infektionen, auch Gastroenteritis genannt. Sie werden über Tröpfchen von Mensch zu Mensch übertragen oder gelangen über kontaminierte Oberflächen auf die Hände und von dort über Essen, das wir anfassen, weiter in den Verdauungstrakt.

Noro- und Rotaviren sind typisch im Winter. Bakterielle Erreger wie Salmonellen, Campylobacter und Escherichia coli sind deutlich seltener und haben eher im Sommer Saison, weil sie sich in und auf Lebensmitteln tummeln und besser vermehren, wenn Kühlketten nicht eingehalten werden.

Vor allem das Norovirus hat besonders leichtes Spiel mit uns: Es ist sehr beständig und kann gerade bei kühleren Temperaturen über Tage auf Türklinken und Legobausteinen auf sein nächstes Opfer warten. Es reichen bereits zehn Viren, um eine Infektion auszulösen. Noro beginnt typischerweise sehr plötzlich mit häufigem Erbrechen und Durchfall und klingt nach wenigen Stunden bis Tagen wieder ab. Weil das Norovirus so ansteckend ist, sind Mini-Epidemien eher die Regel. Dann erkranken ganze Teams oder alle Kinder einer Kita und deren Angehörige. Bei Kindern und Säuglingen ist das Rotavirus zudem sehr häufig.

Nach oben Link kopieren

Wie kann ich mich schützen?

Schutz gegen eine Ansteckung oder zumindest einen schweren Verlauf bietet bei Rotaviren immerhin eine Impfung. Sie ist allerdings nicht für Erwachsene vorgesehen, sondern für Säuglinge und Kinder, da der Flüssigkeitsverlust durch eine Rota-Infektion für sie schneller zur Gefahr wird. Sie müssen deshalb eher im Krankenhaus behandelt werden. Erwachsene stecken Rota-Infektionen im Vergleich dazu ganz gut weg. Für Säuglinge empfiehlt die Stiko die Schluckimpfung schon ab einem Alter von sechs Wochen. Sie muss, je nach Präparat, insgesamt zwei- oder dreimal im Abstand von vier Wochen verabreicht werden.

Gegen alle anderen Viren schützen nur altbewährte Hygienemaßnahmen, also regelmäßig Hände waschen, Abstand halten zu erkrankten Familienmitgliedern, da deren Ausscheidungen besonders viele Viren enthalten, und Räumlichkeiten und Gegenstände großzügig desinfizieren. Wobei Noro auch da hartnäckiger ist als andere Viren: Gängige Desinfektionsmittel helfen nicht. Zur Händedesinfektion braucht es gegen Noro eine Lösung mit 95 Prozent Ethanol, für Oberflächen ebenfalls ein spezielles Mittel.

Nach oben Link kopieren

Leiden gerade besonders viele Menschen an Durchfallerkrankungen?

Auch wenn es vielleicht so scheint, als grassierten Magen-Darm-Infektionen gerade heftig, täuscht dieser Eindruck. Das Robert Koch-Institut (RKI) verzeichnet diesen Winter nicht mehr Magen-Darm-Infektionen als vor der Pandemie, eher sogar weniger. Die Zahlen seien allerdings nur eine Orientierung, sagt die RKI-Sprecherin und Biologin Susanne Glasmacher – bei gastrointestinalen Infekten gebe es eine große Untererfassung. "Wenn in einem Pflegeheim zehn Leute erkranken, aber nur eine Stuhlprobe eingeschickt wird, wird dem RKI nur diese eine labormedizinisch bestätigte Infektion übermittelt. Auch wenn bei den anderen sicher das Gleiche vorliegt", sagt Glasmacher. Die Untererfassung, also eine Art Dunkelziffer, dürfte aber alle Jahre ähnliche Ausmaße haben.

Vermutlich hat Corona schlicht unsere Wahrnehmung verzerrt: Wegen der Maßnahmen gegen das Sars-CoV-2-Virus gab es in den Pandemiewintern auch ungewöhnlich wenige Magen-Darm-Infektionen, ähnlich war es bei den Atemwegserkrankungen. Jetzt kommen die üblichen Krankheiten zurück.

Nach oben Link kopieren

Wie kommt es überhaupt zu Durchfall und Erbrechen?

Gastrointestinale Viren greifen die Dünndarmschleimhaut an und bringen komplexe Prozesse der Wasseraufnahme und Abgabe durcheinander. Diese funktioniert über den Transport von Natrium- und Glukosemolekülen durch Enzyme in den Zellwänden: Rund 65 Prozent des Wassers, das wir zu uns nehmen, wird über die Schleimhaut des Dünndarms aufgenommen. Hinzu kommen noch Sekrete aus Galle und Bauchspeicheldrüse, sodass rund neun Liter Flüssigkeit pro Tag im Dünndarm umgesetzt werden.

Eine Restaktivität dieses Wassertransports bleibt bei Infekten allerdings erhalten. Daher ist es wichtig, trotz Durchfall und Erbrechen Wasser und gesüßte Getränke zu sich zu nehmen, um den Flüssigkeitsverlust so weit es geht zu begrenzen. Hinzu kommt, dass die Viren die Magen- und Darmmuskulatur überstimulieren. Wir spüren die Bauchkrämpfe, auch Übelkeit und Erbrechen sind darauf zurückzuführen.

Nach oben Link kopieren

Wann sollte ich zur Ärztin gehen?

Durchfall und Erbrechen sind für die meisten Menschen zwar ärgerlich, aber harmlos, zumal die akuten Beschwerden einer Noro- oder Rota-Infketion in der Regel rasch abklingen. Carolin Manthey ist niedergelassene Fachärztin für Innere Medizin und Gastroenterologie in Witten und hat die Leitlinien zur Behandlung von gastrointestinalen Infektionen mitentwickelt. Manthey rät vor allem Risikogruppen zu einer medizinischen Vorstellung. "Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes, Menschen mit einem geschwächten Immunsystem und nach Einnahme von Antibiotika sollten einen Arzt aufsuchen", erklärt Manthey.

Weitere Alarmzeichen seien blutige Durchfälle, anhaltendes Fieber und wenn es schlicht nicht gelinge, den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Säuglinge und Kinder sind dann ungewöhnlich schläfrig, trinken wenig und haben trockene Schleimhäute. Auch ältere Menschen sind gefährdet, Komplikationen zu entwickeln.

Wegen der demografischen Entwicklung in Deutschland hat sich die Zahl der stationären Aufnahmen aufgrund einer akuten infektiösen Durchfallerkrankung zwischen 2001 und 2011 auf 282.199 Fälle mehr als verdoppelt, die Sterblichkeitsrate hat sich verzehnfacht, insbesondere in der Gruppe der älteren Patienten über 65 Jahre. In diese Untersuchung sind allerdings auch bakterielle Infektionen eingeflossen.

Nach oben Link kopieren

Ergibt es Sinn, Kitas oder Schulen kurzzeitig zu schließen?

In Krankenhäusern und Pflegeheimen ist es Standard, Patienten zu isolieren, die an einer infektiösen Gastroenteritis leiden. Es gilt, die vielen anderen, vulnerablen Patienten und Bewohnerinnen zu schützen. Bei Ausbrüchen in Schulen und Kitas gestaltet sich die Abwägung allerdings anders, es gibt keine bundeseinheitlichen Vorgaben. Heidrun Schudak ist Umwelt- und Sicherheitsingenieurin und hat sich als Fachkraft für Arbeitssicherheit auf Einrichtungen der Kinderbetreuung spezialisiert.

Sie berät Kitas und Schulen in sechs Bundesländern, darunter Berlin und Brandenburg. "In den letzten 16 Jahren habe ich es nur einmal erlebt, dass ein Gesundheitsamt die Schließung einer Kita angeordnet hatte. Die Einrichtung wurde ein Norovirus über vier Monate nicht los", sagt Schudak. Generell seien Gesundheitsämter sehr zurückhaltend, Schließungen anzuordnen.

Viele überließen die Entscheidung den Einrichtungen selbst. Heidrun Schudak rät, einen hauseigenen Hygieneplan mit Regeln vorzuhalten, in dem beispielsweise die speziellen Desinfektionsmittel für Noroviren vermerkt sind. Kinder sollten mindestens 48 Stunden symptomfrei sein, wenn sie in die Betreuung zurückkehren.

Nach oben Link kopieren