Niemand weiß, wie genau sie aussehen, aber es ist klar, dass sie schon heute zirkulieren: Coronaviren, die das Potenzial haben, auf den Menschen überzuspringen – und eine neue Pandemie auszulösen. Sie oder ihre Vorfahren vermehren sich längst, in Fledermäusen oder anderen Wildtieren, unbeobachtet, aber hochgefährlich.

"Sars-1, Mers und nun Sars-2 – momentan scheint jedes Jahrzehnt ein neues Coronavirus aufzutauchen", sagt Richard Hatchett, der Chef der Impfstoffinitiative Cepi. Und auch Sars-CoV-2 selbst entwickelt sich weiter. Nicht auszuschließen, dass Varianten entstehen, die dem Schutz, den jetzige Impfstoffe bieten, noch stärker entgehen als Omikron.

"Spielen wir doch Wuhan im Kopf noch einmal durch. Nur dass wir dieses Mal einen breit wirksamen Impfstoff haben, den man jedem in der Stadt im Dezember 2020 hätte geben können." Wuhan, China, der ganzen Welt, will Hatchett sagen, wäre viel Leid erspart geblieben.

Nicht nur Hatchett ist überzeugt, dass es neue Impfstoffe braucht. Auch der bekannte US-amerikanische Infektiologe und Pandemieerklärer Anthony Fauci sprach sich vor Kurzem in einem Beitrag im New England Journal of Medicine dafür aus (Morens et al., 2022). Fauci und die anderen Autoren schreiben, es müsse mehr unternommen werden, um die Corona-Impfstoffforschung voranzubringen. Ein universeller Coronavirus-Impfstoff sei dringend nötig.

Doch schon dort – bei der Definition – beginnen die Probleme. 

Denn was genau ist ein universeller Corona-Impfstoff? Einer, der alle Sars-CoV-2-Varianten abdeckt, alle Coronaviren, die Sars-CoV-2 stark ähneln: die sogenannten Sarbecoviren? Oder sollte er noch breiter sein und gegen alle Betacoronaviren oder gleich alle Coronaviren wirken – ein Schweizer Taschenmesser der Impfstoffe sozusagen? Es sei wichtig, diese Definitionen sauber zu trennen und keine falschen Versprechen zu machen, twitterte der Impfstoffforscher Florian Krammer von der New Yorker Icahn School of Medicine.

Und dann sind da noch die fundamentalen biologischen Probleme: Wie schafft man es, eine breite, aber gleichzeitige robuste Immunantwort herbeizuführen? Noch, sagt selbst Hatchett, "sei es keinesfalls eine ausgemachte Sache, dass es uns gelingt". Und das Unterfangen wird schwieriger, je umfassender der Schutz sein soll.

Die allermeisten stehen noch ziemlich am Anfang.
Friedemann Weber, Virologe

Tatsächlich arbeiten weltweit Forscherinnen und Forscher daran, genau diese breite und gleichzeitig robuste Immunantwort möglich zu machen. Dafür kommt ein ganzes Arsenal von Technologien zum Einsatz. "Das Feld ist ziemlich unübersichtlich", sagt Friedemann Weber, Leiter der Virologie an der Universität Gießen. Die Palette reicht von Impfstoffkandidaten, die auf mRNA basieren, über Protein-Nanopartikel bis zu Vektorviren und Impfstoffen, die an der Schleimhaut wirken. Weber selbst forscht mit einem Team an einem universellen DNA-Impfstoff. Der basiert auf ringförmigen DNA-Molekülen, die in den Zellkern gelangen, wo mRNA aus ihnen gemacht wird. Mit der mRNA verfährt der Körper dann wie bei Impfstoffen von BioNTech und Moderna: Sie wird in Proteine übersetzt, auf die das Immunsystem reagiert. 

Auf welcher Technik schlussendlich ein künftiger breit schützender Corona-Impfstoff basieren werde, lasse sich noch nicht vorhersagen, sagt Weber. "Die allermeisten stehen noch ziemlich am Anfang."

Die Ansätze unterscheiden sich auch darin, gegen welche Virusstrukturen eine Impfung das Immunsystem in Stellung bringen soll. Einige Forschende setzen so wie die meisten bisherigen Impfstoffe auf das Spikeprotein, mit dem Sars-CoV-2 sich Zutritt zu Zellen verschafft. Andere haben weitere Eiweiße des Virus zum Ziel, etwa das N-Protein, das das Erbgut des Virus verpackt. Oder das M-Protein, das wichtig für den Zusammenbau neuer Viruspartikel ist. 

Bei der Suche nach Impfstoffen der nächsten Generation ist vor allem eine Frage entscheidend: Wie bringt man das Immunsystem überhaupt dazu, ein Corona-Allrounder zu werden – es also zu Immunantworten zu bewegen, die möglichst langlebig sind und sich gegen möglichst viele Coronaviren richten?

Dem Immunsystem eine Palette an Varianten zeigen

Vielversprechend erscheinen vor allem zwei Strategien. Die erste ist, dem Immunsystem winzige Partikel hinzuwerfen, die über und über mit dem Stachelprotein oder Teilen davon bestückt sind. Dieser monotone Aufbau reizt das Immunsystem so sehr, dass die Immunantwort besonders breit zu werden scheint.

Eine Reihe von Arbeitsgruppen verfolgt diesen Ansatz. Besonders weit gediehen ist der Impfstoffkandidat, an dem Forschende vom Walter Reed Army Institute im US-amerikanischen Maryland arbeiten. Dieser Impfstoff basiert auf einem Molekül namens Ferritin, eigentlich ein Eisenspeicher und -transporter, der sich auch bei der Entwicklung eines Pan-Influenza-Impfstoffs als vielversprechend herausgestellt hat. Ferritin sieht ein wenig aus wie ein Fußball, kugelrund mit 24 Seiten. Und genau an diese Stellen heften die Wissenschaftler um Kayvon Modjarrad das Spikeprotein von Sars-CoV-2, und zwar viele Male. Sie versahen den Fußball also mit Stacheln. 

Rhesusaffen, die den Impfstoff zweimal im Abstand von vier Wochen erhielten und die man dann das Virus in hohen Dosen einatmen ließ, konnten es effektiv bekämpfen, krankhafte Veränderungen im Lungengewebe waren – anders als bei den ungeimpften Tieren – nicht nachweisbar. Die Tiere bildeten T-Zellen und Antikörper, die tatsächlich breit wirksam waren. Sie richteten sich gegen Sars-CoV-2 und seine Hauptvarianten (Omikron wurde für diese Studie noch nicht getestet) sowie Sars-CoV-1 (Science Translational Medicine: Joyce et al., 2021).

Aktuell werten die Forschenden ihre Phase-I-Studie an Menschen aus, die vor allem auch die Verträglichkeit der Impfung untersucht. Zu den Ergebnissen will sich das Team nicht äußern, bevor sie veröffentlicht sind, auch eine Anfrage von ZEIT ONLINE blieb unbeantwortet.

Gibt man eine solche Impfung als Booster, könnte sie eine noch breitere Wirkung erzielen als die bisherigen Boosterimpfungen. Darauf deuten Daten von Forschern der Duke University hin, die ihren eigenen Ferritin-Nanopartikel-Impfstoff Primaten verabreichten, die vorher einen mRNA-Impfstoff erhalten hatten (Nature: Saunders et al., 2021).