Eine Jugendliche hat ihren Unterschenkel entblößt. Sorgsam sticht ein Tätowierer eine schwarze Ranke in ihre Haut. Einen Stuhl weiter liegt ein Jugendlicher und lässt sich gerade den Arm verzieren. Das Tattoostudio im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg ist am Montag vor Weihnachten gut besucht. Auf einem Sessel im Eingangsbereich wartet bereits eine französischsprachige Touristin auf ihr Tattoo. Kataloge zeigen die beliebtesten Motive: Wolfsgesicherter, Schlangen, Totenköpfe, bunte Schmetterlinge und Blumen.

Nichts erweckt den Anschein, dass die Tattooszene in Aufruhr ist. Dabei ist sie das: Infolge einer EU-Verordnung sind ab dem 4. Januar 2022 viele Inhaltsstoffe in Tattoofarben in der Europäischen Union nicht mehr erlaubt oder werden mit Grenzwerten belegt. Für viele bisher gebräuchliche Produkte bedeutet das faktisch das Aus. "So gut wie keine derzeit am Markt befindliche Farbe ist mit den Anforderungen kompatibel", heißt es in einer Stellungnahme des Bundesverbandes Tattoo. Onlinehändler liefern Produkte nicht mehr aus. Tattoostudios und Händler zeigten sich auf einer Branchenveranstaltung im Herbst 2021 bestürzt über die Tragweite der Verordnung. Abgekürzt heißt das Regelwerk Tattoo-Reach. Es ist eine Verordnung, die im Kontext der Regelung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien – aus dem Englischen abgekürzt: REACH – erlassen wurde.