Alle Kinder und Jugendlichen ab zwölf Jahren können sich künftig gegen das Coronavirus
impfen lassen. "Es werden nunmehr alle Länder Impfungen für Zwölf- bis 17-Jährige auch in Impfzentren oder auch mit anderen niedrigschwelligen Angeboten anbieten", heißt es im einstimmigen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz, der ZEIT ONLINE vorliegt. Voraussetzung sei eine Zustimmung der Sorgeberechtigten und eine ärztliche Aufklärung. Auch bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten können die Kinder und Jugendlichen demnach flächendeckend geimpft werden.
Die Länder verständigten sich laut Beschluss zudem darauf, Studierenden sowie Berufsschülerinnen und Berufsschülern "strukturierte, niedrigschwellige Angebote oder solche in Kooperation mit den Impfzentren" zu machen. Auch Kindern könnten "niedrigschwellige Angebote" gemacht werden. Diese müssten aber so ausgestaltet sein, "dass die Freiwilligkeit der Annahme dieses Impfangebots nicht in Frage gestellt wird".
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) bezeichnete das Impfangebot für Kinder ab zwölf Jahren als einen "Baustein, um einen sichereren Start in den Lehr- und Lernbetrieb nach den Sommerferien zu ermöglichen". Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte: "Auch Zwölf- bis 17-jährige Kinder und Jugendliche, die sich nach
ärztlicher Aufklärung für eine Impfung entscheiden, können sich und
andere mit einer Impfung schützen." Es sei "genügend Impfstoff für alle Altersgruppen" vorhanden.
Jeder zehnte Zwölf- bis 17-Jährige bereits vollständig geimpft
In Deutschland leben rund 4,5 Millionen Zwölf- bis 17-Jährige. Dem Beschluss zufolge sind von ihnen bereits 20,5 Prozent einmal geimpft; etwa jede und jeder Zehnte dieses Alters ist bereits vollständig geimpft.
Für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren sind bislang die
Impfstoffe
von BioNTech/Pfizer und Moderna durch die Europäische Arzneimittelagentur Ema
zugelassen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat bisher keine
allgemeine Impfempfehlung für sie ausgesprochen. Ein Grund dafür ist,
dass sehr wenige Kinder und Jugendliche in dieser Altersgruppe schwer
erkranken.
Der Deutsche Hausärzteverband kritisierte deshalb die Entscheidung der Gesundheitsminister von Bund und Ländern. "Diese Diskussion unter Missachtung der Kompetenz der Ständigen Impfkommission kann eher zur Verunsicherung führen, als dass sie der Impfkampagne hilft", sagte der Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Für Kinder und Jugendliche mit hohem Risikopotenzial gebe es ja bereits eine Impfempfehlung, sagte Weigeldt. "Warum eine Empfehlung der Stiko dazu zunächst nicht abgewartet werden kann, die sich auf Basis von fundierten Studien zeitnah äußern will, ist mir schleierhaft. Das Ganze klingt ein wenig nach Wahlkampfgetöse."
Auch auf Seiten der Stiko sorgt der Beschluss für Unverständnis.
Martin Terhardt, Kinderarzt und Stiko-Mitglied, sagte ZEIT ONLINE: "Die
Politik missachtet medizinische Expertise und hat sich immer wieder in
unsere Arbeit eingemischt. Das ist anmaßend und verstörend." Die Krankheitslast und das größere Infektionsrisiko gehe von
Erwachsenen aus, sagte Terhardt: "Das sagen uns alle Studien und
Modellierungen."
Stiko-Mitglied verweist auf mangelnde Daten für generelle Empfehlung
Außerdem reichten die bisherigen Daten der Kommission für eine
allgemeine Impfempfehlung nicht aus. Insbesondere fehle es an
konsistenten und belastbaren Daten zu Long Covid bei Kindern, sagte
Terhardt. Zudem gebe es nicht genügend Daten zu seltenen Komplikationen
der Impfung – vor allem zu Herzmuskelentzündungen – die zwar meist
harmlos verliefen, aber infolge der mRNA-Impfungen von BioNTech/Pfizer
und Moderna gehäuft auftreten.
Statt einer Impfkampagne solle sich die Politik darum kümmern, die Schulen infektionssicher zu machen,
sagte Terhardt. "Das ist die seit Wochen betriebene Ablenkungsstrategie
vom eigenen Versagen hinsichtlich der Planung und Umsetzung schon lange
vorliegender Handlungsleitlinien für den sicheren und hygienischen
Betrieb von Kitas und Schulen."
Stiko-Chef Thomas Mertens sagte dem Spiegel, die Entscheidung der Gesundheitsminister sei "eine politische Entscheidung". "Es ist die Freiheit der Politik so etwas im Sinne der allgemeinen Gesundheitsvorsorge anzubieten."
Stiko dämpft Erwartungen
Die Stiko empfiehlt die Impfung mit dem Wirkstoff von BioNTech/Pfizer derzeit nur für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren, die bestimmte Vorerkrankungen oder engen Kontakt zu Menschen mit einem hohen Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben. Über eine Empfehlung des Impfstoffs von Moderna für diese Altersgruppe wird derzeit beraten.
Mertens dämpfte im Spiegel die Erwartungen an eine überarbeitete Impfempfehlung für Jugendliche. "Ich hoffe, dass wir das in den nächsten zehn Tagen schaffen." Eine grundsätzliche Änderung der Empfehlung könne er aber nicht versprechen.
Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hob die Bedeutung der Stiko bei Entscheidungen über den Einsatz der Vakzine hervor. "Die Stiko ist eine unabhängige wissenschaftliche Kommission, die absolut entscheidend ist bei der Frage, welche Impfungen empfohlen werden und nicht", sagt er dem Sender RTL. "Und danach richten sich Medizinerinnen und Mediziner in Deutschland. Und das muss auch so bleiben."
Dritte Impfung für besonders gefährdete Menschen
Die Gesundheitsministerinnen und -minister von Bund und Ländern beschlossen zudem
Auffrischungsimpfungen für besonders gefährdete Menschen. Damit soll im
September begonnen werden.
"Erste Studienergebnisse weisen darauf hin, dass es bei bestimmten Personengruppen vermehrt zu einer reduzierten oder schnell nachlassenden Immunantwort nach einer vollständigen Covid-19-Impfung kommen kann", heißt es im Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz. Das gelte besonders "für die Gruppe relevant immungeschwächter Patientinnen und Patienten sowie für Höchstbetagte und Pflegebedürftige."
Alle Kinder und Jugendlichen ab zwölf Jahren können sich künftig gegen das Coronavirus
impfen lassen. "Es werden nunmehr alle Länder Impfungen für Zwölf- bis 17-Jährige auch in Impfzentren oder auch mit anderen niedrigschwelligen Angeboten anbieten", heißt es im einstimmigen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz, der ZEIT ONLINE vorliegt. Voraussetzung sei eine Zustimmung der Sorgeberechtigten und eine ärztliche Aufklärung. Auch bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten können die Kinder und Jugendlichen demnach flächendeckend geimpft werden.