In den vergangen zehn Jahren hat sich gut etwas getan: Deutlich mehr Kinder gehen in die Kita und streben in der Schule das Abitur an. Immer mehr Menschen studieren nach einer Berufsausbildung, Ausbildungsplätze und Jugendliche finden ein bisschen besser zueinander. Das sind die guten Nachrichten, die der Nationale Bildungsbericht zeigt – ein Rundumschlag von der Kita bis zur Weiterbildung Erwachsener, diesmal mit dem Schwerpunkt berufliche Bildung. 

Auf 264 Milliarden Euro sind 2022 die Ausgaben für Bildung in Deutschland gestiegen.

Viel Geld wurde in den vergangenen zehn Jahren ins Bildungssystem investiert. Die Ausgaben sind in den zehn Jahren bis 2022 um fast 50 Prozent gestiegen. Rechnet man sie aufs Bruttoinlandsprodukt um, ist die Zahl deutlich kleiner. Wegen der gestiegenen Wirtschaftsleistung sind Bildungsausgaben dann nur um 0,2 Prozentpunkte höher. 

Was sich laut Bericht nicht geändert hat: In allen Altersgruppen bleibt das deutsche Bildungssystem ungerecht. Gelungene Bildung für alle Menschen ist aber nicht nur dringend notwendig, weil Fachkräfte fehlen. Die Autoren zeigen, wie wichtig sie für den sozialen Zusammenhalt ist: Menschen mit höherem Bildungsabschluss interessieren sich nicht nur mehr für Politik, sondern sie denken auch demokratischer und haben mehr Vertrauen in demokratische Institutionen wie den Bundestag oder das Bundesverfassungsgericht. 

Drei zentrale Herausforderungen stellen die Autoren heraus:

1. Migration und Armut

20,2 Millionen Personen mit Einwanderungsgeschichte leben in Deutschland.

Menschen, die geflüchtet oder aus anderen Gründen eingewandert sind, werden nicht gut integriert. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre ist die Gruppe migrantischer Kinder deutlich gewachsen. Sie bekommen seltener einen Kitaplatz als Nichtmigranten, obwohl der für sie so besonders wichtig wäre, um früh die deutsche Sprache zu lernen. Sie bekommen seltener eine Gymnasialempfehlung, und sie scheitern häufiger dabei, eine Ausbildung abzuschließen. Dabei können sie noch so intelligent sein; wenn ihnen Deutschkenntnisse fehlen, verstehen sie die Aufgaben nicht. Ihr Potenzial wird auch im Ausbildungsmarkt nicht ausgeschöpft, heißt es im Bericht, denn Migranten lernen oftmals Berufe, in denen viele Ausbildungsstellen nicht besetzt werden können, scheitern aber zu oft.

Die fehlende Sprache ist nicht ihr einziger Nachteil: Kinder von Migranten sind zu 60 Prozent von einer der drei sogenannten Risikolagen für gelingende Bildung betroffen: Sie haben gering qualifizierte Eltern, Mutter und Vater arbeiten nicht oder sind arm. Nichtmigranten betrifft das zu 20 Prozent. Besonders gefährdet sind also außerdem nach wie vor Kinder aus großen Familien, alleinerziehender und ungebildeter Eltern.

Benachteiligte Eltern lesen ihren Kindern seltener vor, nutzen selten präventive Angebote für Familien oder schicken ihre Kinder seltener in Sportvereine, in eine Musikschule oder zu sonstigen Freizeitaktivitäten. Nicht alles kann die Schule ausgleichen. Diese Familien müssen laut den Autoren der Studie also gezielter gefördert werden, denn oft wissen sie gar nicht, was angeboten wird und was ihnen zusteht.  

2. Digitalisierung

Die zweite Herausforderung ist die Digitalisierung. Sie könnte laut Bericht sowohl Lehrkräfte von Verwaltungsaufgaben entlasten als auch pädagogisch wichtig sein, um Kinder gezielt zu fördern und sie auf die digitalisierte Welt vorzubereiten. Jedoch nutzt weniger als ein Fünftel der Grundschullehrkräfte digitale Medien für eine individualisierte Leseförderung. Knapp zwei Drittel der Lehrkräfte sagen, sie bräuchten mehr Fortbildung dazu. 

Nicht nur in der Schule, auch in der beruflichen Bildung und Weiterbildung könnten digitale Angebote Ungerechtigkeiten mildern, auch um etwa mehr Menschen auf dem Land zu erreichen.

3. Personalmangel

Drittens bleibt der Personalmangel etwa bis 2035 brisant. In den Berufsschulen unterrichten jetzt schon 21 Prozent der Lehrkräfte ohne Lehramtsausbildung. Trotz des Ausbaus brauchen mehr Kinder einen Kita- und Grundschulplatz, sowohl wegen des Anstiegs der Geburten als auch wegen der Geflüchteten. Erzieher und Erzieherinnen fehlen bundesweit. Die geburtenstarken Jahrgänge drängen nun außerdem in die weiterführenden Schulen. Der Personalmangel wird sich laut Bericht weiter verschärfen, weil Eltern ab 2026 einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz haben. 

Der Personalmangel ist an den Schulen sehr unterschiedlich verteilt. In Brandenburg und Sachsen-Anhalt wurden 2023 um die 50 Prozent Seiteneinsteiger eingestellt, in Bayern war es nur ein Prozent der Lehrkräfte. Insgesamt waren es 2023 zwölf Prozent. Seiteneinsteiger müssen laut den Autoren dringend angemessen aus- und weitergebildet werden, damit die Kinder keine Nachteile haben. Potenzial gäbe es laut Bericht bei den zugewanderten Lehrkräften. Nur 14 Prozent von ihnen schafften es 2022, dass ihre Anträge als gleichwertig anerkannt werden.