Die Zahl der Menschen, die durch illegale Substanzen sterben, steigt seit zehn Jahren und war 2023 so hoch wie noch nie. 2.227 Fälle hat die Polizei bundesweit erfasst. Wenn nichts passiert, wird diese Entwicklung ungebremst weitergehen. 

Lange lag der Fokus auf Repression, noch heute fließt viel Geld in die Verfolgung von Händlern und Konsumenten. Wie viel genau, weiß niemand. Die Idee dahinter: Wo keine Drogen verfügbar sind, kann sie auch niemand nehmen. Offensichtlich führt dieser Weg nicht zum Ziel. Nicht nur die Drogentoten, auch Abwasseruntersuchungen und Drogenfunde der Polizei zeigen das umgekehrte Bild: Der Markt schrumpft nicht, er wächst und mit ihm auch die Zahl der verfügbaren Stoffe. Das Durchschnittsalter der Drogentoten liegt bei etwas mehr als 40 Jahren. Viele dieser Menschen konsumieren seit Jahren – und zwar alles, was es gibt. Zwei Drittel aller Drogentoten haben zuvor mehr als eine Droge konsumiert. 

Da Repression nicht zum Ziel führt, würde es helfen, mehr Geld für andere Ansätze der Drogenpolitik auszugeben: etwa Beratung, Behandlung und Schadensbegrenzung, also etwa Programme mit der Ersatzdroge Methadon. Drogenkonsumräume helfen bei allen drei dieser Ansätze. Dort können Konsumierende unter Aufsicht Drogen nehmen, duschen, etwas essen. Sie werden dort beraten und im Falle einer Überdosis können die Mitarbeitenden schnell eingreifen. In Drogenkonsumräumen in Frankfurt am Main wurden Notfälle gezählt: jeder 500. Drogenkonsum dort hätte auf der Straße zum Tod führen können. Im Konsumraum kann er sofort behandelt werden.

Es gibt in ganz Deutschland lediglich 31 solcher Räume, die Hälfte aller Bundesländer hat gar keine. Als erste Maßnahme müssen also alle Bundesländer diese Räume ermöglichen und finanzieren. Und zwar mit passenden Öffnungszeiten. Viele öffnen wegen fehlendem Personal und Geld erst mittags und schließen am frühen Abend. Süchtige können sich nicht an diese Öffnungszeiten halten. 

Ein zweiter Punkt, der einfach umzusetzen wäre: frei verfügbarer Zugang zu einem Nasenspray namens Naloxon. Viele Konsumierende sterben an einem Atemstillstand, ausgelöst durch eine Überdosis mit Opioiden wie Heroin oder Methadon. Naloxon hebt die Wirkung der Opioide sofort auf. Wer keine genommen hat, bei dem passiert bei der Einnahme des Sprays gar nichts. Dennoch ist das Spray noch rezeptpflichtig. Alle Sicherheitskräfte sollten standardmäßig damit ausgestattet sein. An Süchtige sollte es frei verteilt werden. In einem Modellversuch in Bayern wurde das in 92 Notfällen erfolgreich eingesetzt und konnte so Leben retten. 

Es gibt noch einige weitere Ansätze, die helfen könnten, aber sie haben alle eins gemeinsam: Sie kosten Geld, und es braucht den Paradigmenwechsel. Süchtige sind keine Kriminelle, sondern Patienten. Portugal hat schon 2001 vorgemacht, wie es funktionieren kann. Drogen sind dort nicht legal, aber wer geringe Mengen besitzt, wird nicht automatisch verfolgt. Stattdessen entscheidet eine Kommission aus einem Sozialarbeiter, einem Psychologen und einem Staatsanwalt, was passieren soll. Das können Strafen wie Geldbußen sein, aber auch Hilfsprogramme für Süchtige. So ist es Portugal gelungen, die Zahl der Toten durch illegale Drogen zu senken. Es wäre ein Weg, den auch Deutschland gehen könnte.  

Gerade im Land des Reinheitsgebots wäre aber auch ein ehrlicher Blick auf zwei Substanzen nötig, die zwar legal, aber ungleich tödlicher sind als alle illegalen Drogen zusammen: Alkohol und Tabak. Gemeinsam sind sie für etwa 150.000 Todesfälle im Jahr verantwortlich. Die Zahlen sind seit Jahren relativ konstant, werden aber mit einem Schulterzucken hingenommen. Ist halt so. Legal. Kulturgut. Dabei wäre es auch hier mit strengeren Verkaufsregeln und weniger Werbung möglich, die Zahlen zu senken. Und der Staat könnte die gut zehn Milliarden Euro aus Tabak- und Alkoholsteuer in Prävention und Hilfsprogramme investieren.