Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 27/2024.

Der Anruf der Mathelehrerin kam für Katja Mühlheim* überraschend. Ihr Sohn habe die Mathearbeit zerknüllt, ihr vor die Füße geschmissen und sich für den Rest des Vormittags dem Unterricht verweigert. Und er habe sie auch schon öfter mit englischen Schimpfwörtern beleidigt.

Katja war geschockt. "Das passte so gar nicht zu dem Bild, was ich von Jannick hatte", erzählt die Mutter von drei Kindern. Als sie mit ihrer Familie 2018 nach einer längeren Zeit im Ausland nach Deutschland zurückkehrte, war Jannick sieben Jahre alt und kam in die zweite Klasse. Bis dahin dachte Katja Mühlheim, er sei ein ganz normaler Junge – freundlich, neugierig und pfiffig. Doch der Anruf der Mathelehrerin zeigte ein anderes Bild. "Vielleicht ist Ihr Sohn im Schulalltag über- oder unterfordert", sagte die Lehrkraft. "Gehen Sie mit ihm mal zum Psychologen und lassen Sie ihn auf ADHS oder Hochbegabung testen!". Mühlheim war perplex. Noch nie hatte sie sich darüber Gedanken gemacht. Der Arzt bestätigte die Vermutung der Lehrerin: ADHS hatte Jannick zwar nicht, aber er war mit einem IQ von 131 hochbegabt. Vor allem der räumlich-visuelle Teilbereich war mit 142 Punkten außergewöhnlich stark ausgeprägt.