Als ihre Kolleginnen und Kollegen wissen wir: Rose zu fragen, ist immer eine gute Idee. In dieser Reihe teilen wir ihre Tipps, Lifehacks und Einfälle. Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende , Ausgabe 46/2023.

Im Großen und Ganzen sind Ihre Schülerinnen und Schüler liebe junge Menschen. Sie hören meistens zu, verprügeln sich in der Pause nicht und nutzen ChatGPT nur gelegentlich, um ihre Hausaufgaben zu erledigen. Auch der Unterricht verläuft meistens ohne Probleme. Es sei denn, das interaktive Whiteboard, die iPads oder die innovative Lernsoftware spinnen. Wenn wirklich gar nichts mehr geht, müssen Sie auf altertümliche Mittel zurückgreifen. Mit einem Tafelbild versuchen Sie, Ihren Unterricht zu bebildern. Doch was ist das eigentlich, das Sie da krakeln? Ein Monster? Ein Spiegelei? Manchmal sehen Ihre Zeichnungen versehentlich wie ein Pimmel aus. Die Kids lachen sich tot, und es dauert Stunden, bis sie wieder zur Ruhe kommen. Vielleicht wäre Pantomime weniger riskant …

Bevor Sie sich in experimentellen Theatertechniken weiterbilden, lesen Sie lieber weiter. Denn es gibt einige Tricks, die Sie anwenden können, um Bilder zu zeichnen, mit denen Sie zufrieden sind. Der erste Schritt ist eher eine philosophische Übung der Selbstreflexion. Als Kinder lernen wir eine künstlerische Kurzschrift für Motive, die in unseren Leben häufig vorkommen: Ein Haus ist ein Dreieck auf einem Rechteck, ein Baum ist ein Stiel mit Kringeln obendrauf, ein Vogel ist ein gebogenes V. Viele von uns benutzen diese Kurzschrift auch nach der Kindheit. Und hier liegt das Problem. Wir müssen von diesen Mustern wegkommen und stattdessen aktiv beobachten, wie diese Motive tatsächlich aussehen. 

Wer seine Umwelt aufmerksam beobachtet, kann seinen Zeichenstil verbessern. © ZEIT ONLINE

Sieht ein fliegender Vogel wirklich aus wie ein V? Welche Form hat ein Haus in der Realität? Stellen Sie sich den Gegenstand oder das Lebewesen klar vor und versuchen Sie, den Umriss davon zu zeichnen. Verzichten Sie dabei auf Gekritzel wie Strichmännchen. So kommen Sie weg vom kindlichen Zeichenstil und entwickeln langsam eine künstlerische, ästhetische Wahrnehmung der Welt.

Steve Jobs sagte, dass Picasso sagte, dass "gute Künstler kopieren und große Künstler stehlen". Ob Picasso das tatsächlich gesagt hat, ist umstritten, aber das Prinzip ist hilfreich. Allerdings müssen wir keine großen Künstler werden – gut reicht völlig aus. Also können wir ruhig kopieren. Oder noch besser: mit Backpapier nachzeichnen.

Mit einem Stück Backpapier kann man ganz leicht gedruckte Motive kopieren. Einfach das Motiv aussuchen, das Sie interessiert, und darüber das Backpapier legen. Es ist leicht transparent, also sind die Linien darunter noch sichtbar. Jetzt können Sie mit einem Bleistift die Kontur auf dem Backpapier nachzeichnen. Werden Sie kreativ und kombinieren Sie mehrere Motive, um neue Bilder zu gestalten: Sie könnten zum Beispiel ein Foto einer alten Ruine auf Backpapier nachzeichnen und eine interessante Landschaft dahinter malen. Anschließend wenden Sie das Backpapier und legen es auf ein neues Stück Papier. Wenn Sie nun mit etwas Hartem, etwa einer Münze oder einer Teetasse stark über das Backpapier reiben, wird Ihre Zeichnung auf das Papier transferiert.

Falls Sie kein Backpapier zu Hause haben oder lieber ein digitales Bild kopieren möchten, können Sie Ihr Handy oder iPad in ein Kunstwerkzeug umwandeln. Mit den Apps Artist Lightbox für iOS oder Tracer! für Android funktionieren Sie Ihr Gerät zu einem Leuchtkasten um: einfach die App aktivieren und dann das Bild, das Sie kopieren möchten, auf das Gerät legen. Wenn Sie ein zweites Stück Papier darauf platzieren, sollte das Bild dank des Lichts weiterhin sichtbar sein, sodass Sie das Motiv nachzeichnen können. Die Apps deaktivieren die Touch-Funktion des Bildschirms, damit Sie in Ruhe zeichnen können, ohne versehentlich den Touchscreen zu benutzen. Außerdem können Sie Ihre eigenen Bilder in der App öffnen und auf Papier nachzeichnen.

Bilder auf diese Weise zu kopieren, ist eine sehr effektive Methode, um ein Gefühl für Formen und Linien zu entwickeln. Sie gewöhnen sich daran, einen Stift zu halten und ihn über das Papier gleiten zu lassen. So trainieren Sie die motorischen Fähigkeiten und die innere Ruhe, die Sie brauchen, um ein Bild aus dem Kopf aufs Papier zu bringen. Je öfter Sie mit diesen Techniken experimentieren, desto besser werden Ihre Zeichnungen. Bald werden Sie in der Lage sein, Ihre kopierten Motive mit freihändig skizzierten Details zu ergänzen oder sogar Motive ohne Backpapier oder Smartphone-Leuchtkasten nachzumalen.

Heute mussten Sie ein Diagramm des menschlichen Verdauungssystems skizzieren. Es war ein großer Test Ihrer neuen Fähigkeiten -- und Sie haben ihn bestanden! Ihr Tafelbild zeigt eindeutig ein biologisches System, bei dem alle Bestandteile erkennbar sind und niemand etwas Derbes hineininterpretieren kann. Die Kids sind enttäuscht. Sie haben einen unterhaltsamen Misserfolg erwartet. Nun sollen alle Schüler das Tafelbild kopieren und die Verdauungsorgane kennzeichnen. Sie gehen langsam durch den Raum und freuen sich darüber, dass die Kinder ihre motorischen Fähigkeiten üben. Jonas scheint besonders stolz auf seine Zeichnung zu sein, er zeigt sie grinsend seinen Kumpels. Ach so. Ein Pimmel.

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