Let's be honest, niemand freut sich über schreiende Kinder. Ob im Restaurant, in der Bahn, im Flugzeug oder im Wartezimmer beim Arzt: Fängt ein Kind an zu brüllen, reagieren die meisten Umstehenden mit Augenrollen, und die Eltern bekommen rote Flecken im Gesicht vor lauter Hektik, das Kind schnell ruhigzustellen. Nur gut, dass es seit 2010 ein Zaubermittel gibt, das die Schreihälse in einen tranceartigen Zustand der Stille versetzt und den Eltern wie auch anderen Personen im Umfeld eine entspannte Zeit im öffentlichen Raum beschert: Das iPad ist nicht weniger als die Noise-Cancelling-Funktion für schreiende Kinder. Kurz Peppa Wutz auf zwölf Zoll angeschaltet, schon ist Ruhe. Wer weiß, wie viel mehr iPads verkauft würden, wäre das der Werbeslogan.

Nun könnte man meinen, dass es allein Sache der Eltern ist, wie sie ihr Kind erziehen und womit sie es ruhigstellen. Immerhin gibt es gefühlt mehr Erziehungsratgeber als zu erziehende Kinder überhaupt, das sollte doch ausreichen. Doch von Kindererziehung fühlen sich sogar diejenigen getriggert, die zum Großteil selbst erst in einigen Jahren das Vergnügen der Elternschaft haben werden: die Gen Z.

Mitglieder ebendieser Generation machen sich in ihrem Heimstadion auf TikTok – ja, das findet auch auf einem Bildschirm statt – über die Eltern der Generation Alpha lustig, weil diese ihre Kinder zu "iPad-Kids" erzogen hätten. "Eure Kinder können nicht lesen. Ihr zieht die Gen Alpha groß und sie sind bizarr und benehmen sich schrecklich", rantet ein TikToker namens gabesco. Er beschreibt die typische Restaurantszene: Mama und Papa haben das Kind vorm iPad geparkt. "Könnt ihr eure Kinder nicht dazu bringen, sich länger als fünf Minuten zu benehmen? Könnt ihr eurem Kind nicht Aufmerksamkeit schenken und euch mit ihm unterhalten? Warum müsst ihr ihm ein iPad geben, damit es den Mund hält?" iPad-Kids könnten keine Fantasie entwickeln, wenn sie auf Bildschirme gucken, seitdem sie denken können. Jeder aus seiner Generation müsse ihm versprechen, dass man keine iPad-Kids erziehe.

Seitdem das Video veröffentlicht wurde, hat es lauter Reaktionen nach sich gezogen. Bisher hat es mehr als 18 Millionen Klicks, knapp fünf Millionen Likes. Ich habe eins von ihnen verteilt. Denn der User hat völlig recht – das weiß ich als Vertreter der Gen Z nur zu gut.

"Kurz TikTok checken" wird schnell zum einstündigen Dauerscrolling

Seit Jahren wird meiner Generation, ungefähr Jahrgang 1995 bis 2010, vorgerechnet, dass wir mehr Zeit am Bildschirm verbringen als alle Generationen vor uns. Was nur logisch ist, wir sind schließlich die erste, die vollkommen digitalisiert aufgewachsen ist. Die sozialen Medien sind unser Jugendclub, wir netflixen, statt auf den Tatort um 20.15 Uhr zu warten, und hören Podcasts statt 1live. Natürlich wird das nicht einfach nur festgestellt, nein, uns wird gerne auch eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne unterstellt, dass wir nomophob sind, also Angst vor der Abwesenheit des Handys haben, und natürlich, dass wir alle nur Selbstdarstellerinnen sind, die ihr Leben auf sozialen Netzwerken mit Filtern verschönern.

Ich könnte das jetzt schnell zu widerlegen versuchen mit dem Hinweis, dass der Generationenbegriff sowieso kompletter Humbug ist, weil eine Generation mindestens so divers ist wie ein TikTok-Feed, dass schnell von Smartphonesucht gesprochen wird, es aber nicht mal eine anerkannte Diagnose ist, dass es wissenschaftlich keine eindeutigen Belege gibt, was Smartphonenutzung mit der Aufmerksamkeitsspanne macht, und, natürlich, dass es nicht darauf ankommt, wie viel man auf den Bildschirm starrt, sondern was man dort macht. Es ist ein großer Unterschied, ob ich mir satisfying-glass-breaking-TikToks anschaue oder Insta-Reels von ZEIT und ZEIT ONLINE.

Aber ganz offen gesagt kann ich viele Sorgen um Smartphonenutzung, vor allem in den Jahren frühkindlicher Prägung, schon verstehen. Zwar raste ich nicht aus, als würde meine Mannschaft ein Gegentor in der letzten Minute bekommen, wenn mir mein iPad weggenommen wird, und starre auch nicht mit einem Abstand auf den Bildschirm, wie ich ihn beim Absuchen von Hautunreinheiten im Spiegel einnehmen würde. Freudensprünge sollte man aber auch von mir nicht erwarten, nähme man mir mein Smartphone weg. Das wäre auch schwierig, schließlich ist mir mein Smartphone fast wie ein neues Körperteil an die Hand gewachsen. 

Denn ich schaue zwar erst, seit ich 14 bin, auf Handybildschirme – davor gab es kaum Smartphones oder iPads –, aber es fällt mir schon schwer, mal einen handyfreien Tag, geschweige denn handyfreie Stunden einzulegen. Ich schäme mich so sehr für meine Bildschirmzeit, dass ich mich gar nicht erst traue, sie auszuchecken. Ich habe natürlich einen Smartphone Pinky, also die kleine Delle im kleinen Finger, mit der ich mein Smartphone vorm Fallen schütze, und selbstverständlich ertappe ich mich manchmal, dass "kurz TikTok checken" in einem einstündigen Dauerscrolling und mit einem Daumenkrampf endet.