Deutschland will nicht für die von der EU-Kommission vorgeschlagene sogenannte Chatkontrolle zur Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Kinder stimmen. "Die sogenannte Chatkontrolle lehnen wir ab", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Deutschland werde im Rat deshalb mit Nein stimmen, wenn es beim aktuellen Vorschlag bleiben sollte. 

Verschlüsselte private Kommunikation von Millionen Menschen dürfe nicht anlasslos kontrolliert werden, sagte Faeser. Gleichzeitig müsse bedacht werden, dass hinter jedem schrecklichen Foto und Video Opfer entsetzlicher sexueller Gewalt stünden. Deswegen sei es wichtig, hiergegen auch europäisch vorzugehen und Onlineplattformen in die Pflicht zu nehmen, damit derartige Inhalte entdeckt, gelöscht und die Täter verfolgt würden.

In einem offenen Brief haben 36 Politikerinnen und Politiker aus Europa an die EU-Mitgliedsstaaten appelliert, gegen die sogenannte Chatkontrolle zu stimmen. Man sei überzeugt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen mit den europäischen Grundrechten unvereinbar seien, hieß es in dem Papier. "Wir setzen uns für den Schutz des Rechts auf anonyme und pseudonyme Nutzung des Internets sowie für die Stärkung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ein." Alle verhandelnden Regierungen seien aufgerufen, die aktuellen Pläne abzulehnen, hieß es weiter.

Grüne und FDP gegen den Entwurf

Zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern gehören unter anderem die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und ihr Parteikollege Konstantin Kuhle sowie Konstantin von Notz und Emilia Fester von den Grünen. Neben Politikern aus nationalen Parlamenten wie beispielsweise Deutschland und Österreich unterzeichneten auch Europaabgeordnete das Papier.

Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sprach sich gegen die EU-Pläne aus. "Kein Mensch würde auf die Idee kommen, dass ich einem staatlichen Aufseher etwa mein Fotoalbum zur Vorabkontrolle vorlegen müsste, bevor ich einem Freund meine jüngsten Urlaubsfotos zeige", sagte er.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr bekräftigte den entschlossenen Widerstand seiner Partei gegen eine allgemeine Kontrolle von Messengerdiensten zur Bekämpfung von Missbrauchsdarstellungen. "Wir werden uns mit aller Kraft dafür einsetzen, die europäische Chatkontrolle zu verhindern", sagte Dürr. Die Vorstellung, dass die Betreiber Chatnachrichten oder versendete Bilder ohne Anlass mitlesen könnten, sei "geradezu absurd". Der aktuelle Gesetzesvorschlag würde zu massiven Eingriffen in die Grundrechte führen. "Die angebliche Option, die Überwachung auf dem eigenen Gerät ablehnen zu können, ist in Wahrheit keine Option, sondern ein Zwang. Denn wer ablehnt, darf keine Bilder und Videos mehr verschicken", sagte Dürr.

Kritiker fürchten Überwachung

Die EU-Kommission hatte 2022 einen Vorschlag vorgelegt, wonach Anbieter wie Google oder Facebook unter bestimmten Umständen verpflichtet werden können, ihre Dienste mithilfe von Software nach Inhalten mit sexueller Gewalt an Kindern zu durchsuchen. Kritiker sprechen von einer "Chatkontrolle" und fürchten eine unkontrollierte Überwachung. An diesem Donnerstag wollen sich die EU-Staaten erneut mit dem Thema befassen.