Mein Mann ist acht Jahre jünger als ich. Jetzt, wo ZEIT ONLINE nach Erfahrungsberichten von Frauen mit jüngeren Männern fragt, fällt es mir wieder ein. Ist das etwas Besonderes? Für ihn hat unser Altersunterschied noch nie eine Rolle gespielt. Oder ich habe nichts davon mitbekommen. Für mich war es anfangs schwierig. Ich habe ein halbes Jahr gebraucht, bis ich mir eingestehen konnte, dass ich mit diesem Menschen zusammen sein wollte. Wir verbrachten längst jede Minute miteinander und ich sagte immer noch: Er ist ein Freund. Als wir zusammenziehen wollten, konnte ich es vor mir selbst nicht mehr leugnen: Er ist mein Freund. 

Aber warum war es eigentlich so schwierig, mir das einzugestehen? Was hielt mich ab? Für meine Freunde war die Sache längst klar. Sie freuten sich für mich. Niemand machte einen blöden Kommentar. Nur ich hatte das Gefühl, es gehöre sich nicht. Dieses Gefühl hatte ich zum ersten Mal, als ich feststellte, dass meine Großmutter genau ein halbes Jahr älter war als mein Großvater, ihr Mann. Sie erklärten mir, das sei eben nach dem Krieg, nach der Flucht, manchmal so gewesen. Es war eine Notlösung, aber nicht das Ideal, folgerte ich. Dass mein Vater 14 Jahre älter als meine Mutter war, beeinflusste meinen Alltag viel stärker, irritierte mich aber viel weniger.

Also, was hinderte mich? Neben meiner kindlichen Abneigung gegenüber dieser Konstellation gab es noch eine andere. Sie rührte aus dem Tonfall von Boulevardmagazinen her, die über Frauen mit jüngeren Männern berichten. Madonna sorgt nach wie vor für Schlagzeilen, mit inzwischen 30 Jahre jüngeren Männern. Der Toyboy – das war ein Eindruck, den ich auf keinen Fall erwecken wollte. Ich wollte nicht, dass jemand so über uns dachte. Weil ich den Menschen gefunden hatte, mit dem ich leben wollte, den ich liebte, bei dem es mir gut ging und dem es gut mit mir ging. Eine seltene Begegnung, die so kostbar ist, dass ich sie keinem Spott, keiner Unterstellung, keinem Gerede preisgeben wollte. Und auch keiner blöden Frage.

Zum Glück entdeckte ich in meinem Umfeld sehr ähnliche Konstellationen. Ein Ehepaar aus meiner Kirchengemeinde lernte sich im gleichen Alter kennen wie wir, sie war dreißig, er Anfang zwanzig. Heute haben sie ein Haus mit wunderschönem Garten und drei Kinder, die gerade flügge werden. Auch meine Praktikumsmentorin heiratete einen acht Jahre jüngeren Mann.

Der Altersunterschied macht meinen Mann auch interessanter. Ich bin noch in der DDR aufgewachsen, er in der Nachwendezeit. Es ähnelt sich erstaunlich viel, manches kennt er aber doch nicht mehr, was zu meiner Kindheit noch dazugehörte. Außerdem ist es spannend, seine Entwicklung mitzuverfolgen. Gelegentlich muss ich mich gegen ein mütterliches Gefühl wehren, das ihm gerne gute Ratschläge geben möchte, genau weiß, was gut für ihn wäre oder worum er sich doch mal kümmern sollte.

Er darf scheitern, wie ich es durfte, er darf Termine versäumen, wie jeder welche versäumt, er darf verschlafen, wie alle anderen auch, er darf Entscheidungen rückgängig machen und etwas Neues ausprobieren. Und ich werde mich da nicht reinhängen. Ich habe tiefes Vertrauen in ihn und seinen Charakter, er geht einen guten Weg. Ohne diese Freiheit und ohne dieses Vertrauen würde unsere Beziehung nicht funktionieren. Aber gilt das nicht für jede Beziehung?

Unser Freundeskreis hat eine große Altersspannbreite. Ich hatte eine Reihe älterer Freunde und einige gleichaltrige. Mit den Freunden meines Mannes kamen jüngere dazu. Und ja, es ist manchmal seltsam, jedes Wochenende sich ähnelnde Partygeschichten zu hören. Aber stören tut es mich nicht. Es wird nicht immer so bleiben. Sie werden ja auch älter.

Mein Mann und ich sind uns ähnlich, und wir unterscheiden uns. Wir geben uns Geborgenheit, ein Zuhause und Entfaltungsräume – gegenseitig. Er hat eine starke Persönlichkeit und einen ausgeprägten Willen. Er ist meinungsstark. Das liebe ich. Wir können uns auseinandersetzen. Mich schätzt er, weil er mich für klug hält, nicht für altersweise oder erfahrener. Einen unsicheren Mann hätte ich nicht gewollt, egal welchen Alters. Für mich spielt unser Altersunterschied keine Rolle. Es sei denn, es fragt mich jemand danach.