Sie sind nicht viele, aber sie sind da: 15 Prozent der Wahlberechtigten sind zwischen 18 und 30 Jahren alt. Was wollen Parteien für sie tun? Um das herauszufinden, haben wir mit Politikwissenschaftlern die Wahlprogramme von Union, SPD, Grüne, FDP und der Linken gelesen und mit jungen Politikern und Spitzenkandidatinnen gesprochen. Wir wollten von ihnen wissen: Warum sollten junge Menschen Sie wählen?  

SPD

Eigentlich die Partei für 

Industriearbeiter, Bildungsaufsteigerinnen und Angehörige der Mittelschicht. Soziale Gerechtigkeit ist das Herzensthema der SPD, der mitgliederstärksten und ältesten noch bestehenden Partei Deutschlands. Seit jeher setzt sie sich für gerechte Löhne, Demokratie und Chancengerechtigkeit ein – und stellte mit Friedrich Ebert den ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik. 

So oft kommen junge Menschen im Wahlprogramm vor 

Aus Respekt vor deiner Zukunft ist der Titel des 66-seitigen SPD-Wahlprogramms, das die Partei selbst "Zukunftsprogramm" nennt. Junge Menschen, Studierende und Azubis spricht sie darin mindestens 54-mal an – und widmet ihnen ein ganzes Kapitel mit dem Titel "Gut Aufwachsen". Darin fordert sie unter anderem mehr Familienzeit, eine Reform des Kindergeldes und mehr Wohnheimplätze für Studierende. 

Das sagen sie zu:

Klima 

Klimaneutralität bis 2045 und mindestens 65 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030 fordert die SPD. Schon 2040 soll der Strom aus erneuerbaren Energien kommen. Erreichen will die Partei das durch den massiven Ausbau von erneuerbaren Energien und mehr Tempo beim Ausbau von Infrastruktur wie Bahnstrecken oder Ladesäulen für E-Autos. Um den Klimawandel sozial gerecht zu gestalten, will die SPD die EEG-Umlage – eine Stromgebühr für Verbraucher, die den Ausbau erneuerbarer Energien finanziert – in ihrer jetzigen Form bis 2025 abschaffen. Mehrkosten will sie durch einen steigenden CO2-Preis abfangen und einen Pro-Kopf-Bonus "prüfen", der die Einnahmen aus der höheren CO2-Bepreisung an die Bürgerinnen und Bürger zurückzahlen soll.

Bildung 

Die SPD setzt sich für eine Ausbildungsgarantie und ein Recht auf Weiterbildung und beruflichen Neustart in allen Lebensphasen ein. Sie will ein neues Kindergeld schaffen, das aus einem monatlichen Basisbetrag von 250 Euro besteht und bei Bedarf um mindestens 500 Euro erhöht werden soll. Junge Menschen in Ausbildung sollen obendrauf Bafög bekommen – und es langfristig nicht mehr zurückzahlen müssen. Außerdem sollen alle Menschen unter 27 die Möglichkeit haben, einen Freiwilligendienst zu absolvieren. 

Wohnen 

Die SPD fordert ein "Mietenmoratorium", also einen Mietenstopp: In "angespannten Wohnlagen" wie zum Beispiel in Berlin-Mitte sollen die Mieten für fünf Jahre eingefroren werden – und nur noch mit der Inflation steigen dürfen. Damit Kommunen mehr Wohnraum schaffen können, sollen sie ein Vorkaufsrecht für Grundstücke bekommen. Außerdem fordert die SPD den Bau von 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr und mehr Wohnheimangebote für Auszubildende und Studierende. Wie viele das sein sollen, schreiben sie nicht.

Rente 

Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters lehnt die SPD ab. Sie will das Rentenniveau, also die Höhe einer durchschnittlichen Rente nach 45 Beitragszahlungen, von 48 Prozent langfristig sichern. Dafür sollen alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen – auch Selbstständige, Beamte, Freiberuflerinnen und Abgeordnete. Bei der privaten Altersvorsorge bleibt die Partei vage, sie plant ein "standardisiertes Angebot", das kostengünstig, digital und grenzüberschreitend von einer öffentlichen Institution angeboten werden soll.

Gleichheit 

Die SPD fordert ein "Jahrzehnt der Gleichstellung" und will bis 2030 die Gleichstellung von Männern und Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen erreichen. Das Transsexuellengesetz, das die Änderung des Vornamens oder des Personenstands von Betroffenen regelt, will die SPD reformieren und die Gutachtenpflicht zur Feststellung der Geschlechtsidentität abschaffen. Das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche soll gestrichen werden. Die Partei fordert eine kritische Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit Deutschlands und die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Verfolgung von Antisemitismus und Rassismus.

Und sonst so? 

Wer neben der Arbeit nahe Angehörige pflegt, soll künftig 15 Monate Anspruch auf staatliche Unterstützung bei gleichzeitiger Arbeitszeitreduzierung haben. Die SPD will den Mindestlohn auf mindestens zwölf Euro pro Stunde anheben und eine Vermögenssteuer von einem Prozent einführen. Hartz IV soll einem unkomplizierten Bürgergeld weichen. Auffallend am diesjährigen Wahlprogramm ist auch die starke Betonung von Werten wie Respekt und Solidarität.

Das ist ein neues, junges Gesicht: Annika Klose

Annika Klose kandidiert für die SPD in Berlin-Mitte. © Annika Klose

Insgesamt 34 Kandidatinnen und Kandidaten unter 30 treten bei der Bundestagswahl für die SPD an, eine davon ist Annika Klose, 29, studierte Sozialwissenschaftlerin und Gewerkschaftssekretärin. Zuletzt war sie Berliner Landesvorsitzende der Jusos, der Jugendorganisation der SPD. Jetzt kandidiert sie in Berlin-Mitte für den Bundestag – und ihre Chancen stehen gut. Klose sagt: "Ich möchte Hartz IV abschaffen und mich für bezahlbare Mieten einsetzen." Wohnen sei in ihrem Wahlkreis eines der wichtigsten Themen, viele Menschen hätten Angst, ihr Zuhause zu verlieren. "Deshalb setze ich mich für einen bundesweiten Mietenstopp ein." Mit der SPD will sie außerdem darum kämpfen, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. "In der Politik muss man manchmal kleine Schritte machen – was frustrierend ist –, aber ich möchte, dass diese Schritte größer werden und die SPD mutiger wird", sagt sie. Das gelte auch für ein weiteres Thema, für das sie sich starkmacht: die Situation an den EU-Außengrenzen. 2017 war sie selbst Teil einer zivilen Seenotrettungsmission. "Was ich im Mittelmeer erlebt habe, werde ich mit in den Bundestag nehmen – und mich dort dafür einsetzen, dass die Situation vor Ort sich schnellstmöglich ändert", sagt sie.

"Ich möchte Hartz IV abschaffen und mich für bezahlbare Mieten einsetzen."
Annika Klose, SPD

Das sagt Spitzenkandidat Olaf Scholz:

"Bei dieser Wahl geht es um richtig viel. In den nächsten Monaten und Jahren müssen wir die entscheidenden Weichen dafür stellen, Klimaschutz wirksam umzusetzen und Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. 250 Jahre lang basierte unser Wohlstand darauf, dass wir Kohle, Erdöl und Erdgas genutzt haben. Innerhalb von nicht mal 25 Jahren wollen wir komplett klimaneutral werden. Deshalb reicht es nicht, sonntags von Klimaschutz zu reden. Von Montag bis Sonntag müssen wir ihn auch durchsetzen. Wir brauchen kraftvolle Entscheidungen und ein Jahrzehnt, in dem wir massiv in unser Land investieren – in eine bessere Infrastruktur, mehr Windkraft und Sonnenenergie und ein leistungsfähiges Stromnetz. Und Klimapolitik muss für alle funktionieren, unabhängig davon, was sie verdienen. Höhere Preise sind kein Konzept, es geht darum, konkret Windkraftanlagen und Solardächer zu bauen.

Ich möchte, dass kein Kind in Armut aufwächst. Ich will dafür Sorge tragen, dass es überall in unserem Land gute Bildungschancen gibt, mit gebührenfreien Kitas und schulischen Ganztagsangeboten, mit gut ausgestatteten Schulen. Junge Menschen sollen selbst entscheiden, wie es nach der Schule weitergeht. Deshalb werden wir einen Ausbildungsplatz garantieren. Außerdem reformieren wir das Bafög, damit es nicht mehr zurückgezahlt werden muss und sich mehr Leute ein Studium leisten können. Mir geht es um mehr Respekt in unserer Gesellschaft, um ein neues Miteinander. Niemand soll sich für etwas Besseres halten aufgrund seiner Herkunft, seiner Ausbildung oder seines Lebensstils. All das will ich anpacken. Bundestagswahl ist Kanzlerwahl."

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CDU/CSU

Eigentlich die Parteien für

Konservative, Rentnerinnen, Landwirte. Die CDU gründete sich 1945 als Sammelbecken für Wähler mit christlich-bürgerlichen Werten. Seitdem hat sie von allen Parteien die längste Zeit regiert: 52 Jahre, zusammen mit ihrer Schwesterpartei aus Bayern, der CSU. Als Volkspartei will die CDU für möglichst viele Menschen Politik machen. Das heißt auch: möglichst viele Interessen vereinen.

So oft kommen junge Menschen im Wahlprogramm vor

Junge Menschen werden auf rund 30 der 140 Seiten des Wahlprogramms von CDU und CSU erwähnt. Oft nur in kurzen Unterpunkten oder indirekt, wenn von "kommenden Generationen" die Rede ist. Meistens geht es um Kinder und Jugendliche oder um Berufseinsteiger. Konkrete Anliegen von Studierenden werden in nur wenigen Absätzen, zum Beispiel zum Bafög erwähnt.

Das sagen sie zu:

Klima 

Der Klimaschutz aka die "Bewahrung der Schöpfung" ist im Wirtschaftsprogramm verankert. Am neuen Klimaschutzgesetz hält die Union fest: Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden. Dafür setzt die Union auf neue Technologien, zum Beispiel zur sicheren Speicherung von CO2 in unterirdischen Lagern, auf Innovation, zum Beispiel aus der Clean-Tech-Forschung, und auf den europäischen Emissionshandel. Den will sie auf Verkehr und Wärme ausweiten. Die Gewinne daraus sollen indirekt an die Bürger fließen: durch die Abschaffung der EEG-Umlage, also durch billigeren Strom. Beim CO2-Preis bleibt die Union vage: Der werde ansteigen, einen Preis vorgeben will sie aber nicht. Wind- und Sonnenenergie sollen ausgebaut werden, in welchem Ausmaß wird nicht gesagt. Den Kohlekompromiss will die Union beibehalten, das heißt: Kohleausstieg bis 2038. Ein Tempolimit und Dieselfahrverbot lehnt sie ab.

Bildung

Für das Bildungssystem sieht die Union kaum Veränderungen vor. Sie fordert, dass Deutsch vor Schulbeginn gezielter gefördert wird und digitale Kompetenzen auf die Lehrpläne kommen. Für die Zeit nach der Schule plant die Union mehr duale Studiengänge, für Fächer wie Informatik, BWL oder Ingenieurwissenschaften. Außerdem sollen Azubis in Gesundheitsberufen wie Physiotherapie und in der Pflege kein Schulgeld mehr zahlen, sondern ein Gehalt bekommen. Bafög soll flexibler werden: mit Rückzahlung bis zum Renteneintritt, für Personen auch ab 35. Exzellenzunis will die Union weiterhin stärken. Ihr Ziel: mindestens eine deutsche Uni unter den Top 20 der Welt. Die Ausgaben für Erasmus+ will sie verdoppeln. Interrail-Tickets sollen für 18-Jährige umsonst sein.

Wohnen

Einen Mietendeckel wird es mit der Union nicht geben. Stattdessen soll gebaut werden: 1,5 Millionen neue Wohnungen bis 2025. Die Logik dahinter: Mehr Wohnraum schafft günstigere Mieten. Mit "attraktiven" Mietkaufmodellen, also Monatsmieten als Anzahlung, sollen sich auch junge Menschen Wohneigentum leisten können. Außerdem will die Union Berufseinsteiger aufs Land locken: Sie verspricht schnelles Internet, auch für mehr Coworking-Spaces, und Zulagen für Start-ups, die in Dörfern gegründet werden.

Rente

Auch für die Rente plant die Union keine großen Umbrüche. Das Eintrittsalter bleibt bei 67 Jahren, die drei Säulen der Altersvorsorge bleiben bestehen: gesetzlich, betrieblich, privat. Eine vierte will die Union prüfen lassen: die Generationenrente. Die Idee: Von der Geburt jedes Kindes an zahlt der Staat monatlich in einen Pensionsfonds ein, das Geld wird angelegt und vermehrt sich.

Gleichheit

Die Union will gleiche Chancen für Männer und Frauen. Und beruft sich dabei vor allem auf Gesetze, die sie bereits verabschiedet hat: für gleich besetzte Führungsetagen und transparente Gehälter, die Arbeitgeberinnen begründen und regelmäßig in Berichten offenlegen müssen – ab 500 Beschäftigten. Zukünftig soll noch die Kinderbetreuung flexibler werden, zum Beispiel an Hochschulen. Gegen rassistische und antisemitische Gewalt will die Union mit Extremismusberichten vorgehen, die "regelmäßig" dem Bundestag vorgelegt werden. Für Personen "mit Zuwanderungsgeschichte" plant sie ein Gründerprogramm und wünscht sich mehr von ihnen im öffentlichen Dienst – wie, steht nicht im Programm. Menschen mit Behinderung sollen höhere Löhne in Werkstätten erhalten und besser in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Wie hoch diese Löhne sein soll, steht auch nicht im Programm. Für queere Menschen oder BIPoC setzt sich die Union nicht gezielt ein.

Und sonst so?

CDU und CSU wollen die Bundeswehr auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten aufstocken. Der freiwillige Wehrdienst wird fortgeführt, Jugendoffiziere sollen weiterhin in Schulen von ihren Einsätzen erzählen. Die Union sagt außerdem der Einsamkeit den Kampf an: Zwar plant sie keine eigene Ministerin wie in Großbritannien, dafür will sie Ursachen untersuchen und Mobilität und Nähe fördern, etwa durch generationenübergreifendes Wohnen.

Das ist ein neues, junges Gesicht: Philipp Albrecht

Philipp Albrecht kandidiert für die CDU in Delmenhorst. © Foto- und Bilderwerk

Die Union hat 37 Kandidaten unter 30 aufgestellt. Fast zwei Drittel von ihnen kandidieren über die Landesliste der CSU – ohne Chance auf ein Mandat. Philipp Albrecht, 25, ist CDU-Direktkandidat in Delmenhorst – Wesermarsch – Oldenburg-Land, einem Wahlkreis westlich von Bremen. Seit 2009 geht das Direktmandat an die CDU. Philipps Chancen stehen also nicht schlecht. Im Bundestag will er besonders junge Menschen vertreten, die wie er auf dem Land leben: "Wir müssen auch ihnen Perspektiven bieten", sagt Philipp. Und zwar mit schnellem Internet, sicheren Arbeitsplätzen und Freizeitangeboten. Philipp will, dass der Mobilfunk in unterversorgten Regionen gezielt ausgebaut wird. Für mehr Jobs will er den Mittelstand stärken und Gründer aufs Land holen. Die Bürokratie soll dafür reduziert, Onlinegründungen ermöglicht und Homeoffice steuerlich gefördert werden. Außerdem fordert Philipp mehr Fördermittel für Tennisclubs oder Schützenvereine: "Die sorgen gerade auf dem Land für Zusammenhalt."

Das sagt Spitzenkandidat Armin Laschet

"Ich will Deutschland zum klimaneutralen Industrieland machen, damit die Jüngeren eine Zukunft in einer lebenswerten Umwelt mit sicheren Arbeitsplätzen haben. Zukunft entsteht nicht am politischen Reißbrett. Sie ist offen und wird vom Leben gefüllt. Gerade die junge Generation verdient die Freiheit, über ihre eigene Zukunft zu entscheiden. Was wir dafür brauchen? Eine Politik, die ihnen etwas zutraut; eine Politik, die Chancen zum Gestalten des eigenen Lebens und unseres Landes bietet – egal, woher Sie kommen, woran Sie glauben, wen Sie lieben. Sie sollen Ihr Leben leben, nicht die Erwartung anderer! Deshalb sind mir gute und sichere Arbeitsplätze wichtig. Deshalb will ich solide Finanzen statt immer neuer Schulden. Deshalb werbe ich dafür, dass Deutschland weltoffen ist und Verantwortung in Europa und der Welt übernimmt – für Klimaneutralität, Frieden und Wohlstand, für Sicherheit, Demokratie und Menschenrechte."

"Gerade die junge Generation verdient die Freiheit, über ihre eigene Zukunft zu entscheiden."
Armin Laschet, CDU

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Bündnis 90/Die Grünen

Eigentlich die Partei für 

Klimaschützer, Gutverdiener und Gebildete. Die Grünen gründeten sich in Westdeutschland 1980 aus der Friedens-, Antiatomkraft- und Umweltbewegung, das ostdeutsche Bündnis 90 ging aus der Bürgerbewegung der DDR hervor. 1993 folgte der Zusammenschluss. In der Partei gibt es zwei Flügel, die sich traditionell viel streiten: Linksgrüne stehen eher für Oppositionsarbeit, Realos streben nach Regierungsbeteiligungen. 

So oft kommen junge Menschen im Wahlprogramm vor 

Deutschland. Alles ist drin heißt das Wahlprogramm der Grünen. Auf den insgesamt 272 Seiten adressiert die Partei mindestens 144-mal junge Menschen, Studierende und Azubis. Das Kapitel "Bildung und Forschung ermöglichen" widmet sich auf 19 Seiten Themen wie Digitalisierung, Wissenschaftsfreiheit und einer Grundsicherung für Auszubildende und Studierende.

Das sagen sie zu:

Klima 

Das Pariser Klimaabkommen und das 1,5-Grad-Ziel bilden das Fundament des grünen Wahlprogramms. Bis 2030 sollen 70 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 ausgestoßen werden und der Kohleausstieg vollendet sein. Den CO2-Preis wollen die Grünen erhöhen, den ÖPNV ausbauen, Solardächer zur Norm machen. Zentrales Wahlversprechen: Der Klimaschutz wird sozial gerecht. Helfen soll dabei ein sogenanntes Energiegeld. Die Einnahmen aus der höheren CO2-Bepreisung sollen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgezahlt werden. Das kommt Geringverdienenden zugute: Wer weniger Auto fährt oder fliegt und deshalb weniger CO2 verbraucht, für den bleibt mehr vom Energiegeld.

Bildung 

Die Grünen fordern eine Ausbildungsgarantie für junge Menschen und ein allgemeines Recht auf Weiterbildung – egal in welchem Alter. Das Bafög wollen sie zu einer Grundsicherung für Studierende und Azubis umbauen, die aus einem Garantiebetrag für alle besteht und bei Bedarf durch einen Zuschuss ergänzt wird. Außerdem fordert die Partei je eine Mindestausbildungsvergütung von mindestens 80 Prozent der Durchschnittstarife, mehr Mittel für Auslandsaufenthalte und mehr unbefristete und familienfreundliche Stellen in der Wissenschaft, besonders für Universitätsmitarbeiter ohne Professur. Alle, die möchten, sollen außerdem einen Freiwilligendienst in Deutschland oder Europa absolvieren können.

Wohnen 

Länder und Kommunen sollen die Möglichkeit bekommen, Mietobergrenzen festzulegen. Die Mietpreisbremse wollen die Grünen entfristen, reguläre Mieterhöhungen sollen nur bis zu maximal 2,5 Prozent jährlich und innerhalb des örtlichen Mietspiegels möglich sein. Die Partei will außerdem die Mittel für sozialen Wohnungsbau erhöhen und kostenfreie Mietberatungen einführen. Gegen Spekulation mit Immobilien und Grundboden wollen die Grünen stärker vorgehen, indem sie Immobilienbesitz bei Unternehmensverkäufen anteilig besteuern. Ein Immobilienregister soll Klarheit über die Besitzverhältnisse schaffen.

Rente 

Wer 45 Jahre lang arbeitet und Rentenbeiträge zahlt, soll im Ruhestand mindestens 48 Prozent des Durchschnittsverdienstes als Rente erhalten. Um das zu ermöglichen, will die Partei den Mindestlohn auf zwölf Euro anheben und ein Einwanderungsgesetz schaffen. Die Rentenversicherung will sie zu einer Bürgerversicherung weiterentwickeln, in die langfristig gesetzlich und privat Versicherte einzahlen. Die Riester-Rente, eine staatlich geförderte, private Altersvorsorge, wollen die Grünen durch einen öffentlich verwalteten Bürgerfonds ersetzen: Wer nicht aktiv widerspricht, zahlt automatisch in einen Fonds ein, der anhand von sogenannten ESG-Kriterien in nachhaltige und umweltschonende Anlagen investiert – und bekommt daraus später Geld.

Gleichheit 

Die Grünen fordern Frauenquoten für Unternehmen und öffentliche Institutionen, mehr unabhängige Forschung zu Postkolonialismus, Rassismus und Diskriminierung sowie ein Ministerium, das sich um Diskriminierung, Vielfalt, Teilhabe und Gleichberechtigung kümmert. Das Transsexuellengesetz, das die Namens- und Personenstandsänderungen von Betroffenen regelt, wollen sie aufheben und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen. Es soll einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt geben. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) wollen die Grünen aufwerten und mit mehr Personal, Budget und Kompetenzen ausstatten.

Und sonst so? 

Bei einer grünen Regierungsbeteiligung könnten Soja- und Hafermilch günstiger werden: Vegane Milchalternativen will die Partei steuerlich mit Milchprodukten gleichstellen, die bereits den reduzierten Mehrwertsteuersatz bekommen. Außerdem fordern die Grünen ein Wahlrecht ab 16 Jahren und eine Vermögensteuer von einem Prozent. Migrantinnen und Migranten mit vorübergehendem Duldungsstatus sollen nach fünf Jahren ein Bleiberecht bekommen.

Das ist ein neues, junges Gesicht: Jamila Schäfer

Jamila Schäfer kandidiert für die Grünen in München. © Elias Keilhauer

Bei der Bundestagswahl 2021 treten so viele junge Menschen für die Grünen an wie nie zuvor, mehr als 70 Kandidaten sind jünger als 35 Jahre. Jamila Schäfer, 28 und Bundestagsdirektkandidatin der Grünen im Wahlkreis München-Süd, ist eine von ihnen. Sie sagt: "Ich will die Art und Weise, wie Politik gemacht wird, verändern." Jamila Schäfer ist in München aufgewachsen, studierte in Frankfurt am Main Soziologie und Philosophie und war von 2015 bis 2017 Bundessprecherin der Grünen Jugend, der Jugendorganisation der Grünen. Seit 2018 ist sie stellvertretende Bundesvorsitzende und internationale Koordinatorin ihrer Partei. Ihre Themen bislang: Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, Flucht, Migration und globale Gerechtigkeit. Im Bundestag möchte sie sich dafür einsetzen, dass sich das Wirtschaftssystem an den Menschenrechten sowie an Klima- und Nachhaltigkeitszielen orientiert – also zum Beispiel ohne Kinderarbeit und ohne Anreize für klimaschädliches Verhalten auskommt. Außerdem habe die Not der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gezeigt, dass die Politik Klimaschutz und Maßnahmen zur Klimaanpassung zusammenführen und dabei auch an die sozialen Folgen denken müsse. Schäfer sagt: "Wir sind die Partei, die soziale Gerechtigkeit und ökologische Politik auf der Höhe der Zeit zusammenbringt."

Das sagt Parteivorsitzender Robert Habeck:

"Zwei Vorbemerkungen: Die Bürgerinnen und Bürger sind mündige Menschen, sie werden selbst wissen, wen sie am besten wählen, und ganz sicher werden sie es nicht tun, weil ich sage, dass sie es tun sollen. Zweitens ist die eigentliche Frage bei einer Wahl aus meiner Sicht nicht so sehr: Was bekommt diese oder jene Gruppe? Sondern: wie entsteht ein Wir, in dem die Menschen solidarisch sind, Junge mit Älteren, Männer und Frauen, Menschen ohne und Menschen mit Migrationsgeschichte? Das gesagt: Die große politische Aufgabe besteht darin, in etwa 20 Jahren eine Industrienation klimaneutral umzubauen.

Darauf haben wir uns seit drei Jahren vorbereitet. Und in dem Sinn ist die Bundestagswahl eine Richtungsentscheidung: Wenn wir jetzt in unsere Zukunft investieren, in Klimaschutz, in eine starke EU, in eine soziale Infrastruktur mit bezahlbarem Wohnraum, in ein Bafög, das Studieren und Ausbildung ohne Sorgen ermöglicht, dann sichern wir Zukunft und Zusammenhalt. Während der Pandemie wurde den jungen Menschen enorm viel abverlangt. Sie hat da genauso wie auf der Straße bei Fridays for Future eine politische Reife und eine Solidarität den Tag gelegt, die bemerkenswert ist. Die logische Konsequenz ist, das Wahlalter auf 16 abzusenken."

Wir haben Spitzenkandidatin Annalena Baerbock um ein Statement gebeten. Geantwortet hat Robert Habeck. Die beiden führen gemeinsam die Partei.

"Die logische Konsequenz ist, das Wahlalter auf 16 abzusenken."
Robert Habeck, Die Grünen

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FDP

Eigentlich die Partei für

Unternehmer, kreative Köpfe, Selfmademillionäre und solche, die es werden wollen. Ganz im Sinne der Freiheit steht die FDP für Selbstverwirklichung und sozialen Aufstieg. Sie versprechen: Jeder kann es schaffen. Neben der Wirtschaft liegen der FDP aber auch Bürgerrechte am Herzen: Privatsphäre, Datenschutz, bloß keine Ausgangssperren. Ihr liberaler Gedanke geht weit über die Gründung 1948 in die Zeit der Aufklärung zurück.

So oft kommen junge Menschen im Parteiprogramm vor

Das Wahlprogramm der Freien Demokraten ist 68 Seiten lang. Auf etwa 20 davon tauchen die Anliegen junger Menschen auf. Ihnen hat die FDP auch drei eigene Kapitel gewidmet: mit Ideen für die Bildung von Schülerinnen und Schülern, Azubis und Studierenden.

Das sagen sie zu:

Klima 

Die FDP bekennt sich zu Klimaneutralität bis 2050. Auf dem Weg dorthin soll der Staat möglichst wenig eingreifen. Die FDP lehnt einen nationalen CO2-Preis ab. Und setzt stattdessen auf Erfindergeist und Kreativität. Um den Wettbewerb der Ideen zu befeuern, will sie den Emissionshandel ausweiten: Der Staat soll ein jährliches CO2-Limit festlegen, für ihren Ausstoß müssen alle Sektoren, zum Beispiel Verkehr oder Gebäude, Zertifikate kaufen. Die Einnahmen sollen die Bürger erhalten, durch einen jährlichen Pauschalbetrag: die "Klimadividende". Wie viel das sein könnte, gibt die FDP nicht an. Innovationen sollen mehr genutzt werden: etwa synthetische Kraftstoffe oder CO2-removal-Technologien, die CO2 wieder aus der Atmosphäre ziehen. Verbrennungsmotoren will die FDP nicht verbieten, dafür sollen die Züge der Deutschen Bahn privatisiert und Radwege ausgebaut werden.

Bildung

Die FDP will den Bildungsföderalismus reformieren. Das heißt: einheitliche Abschlussprüfungen für Mittlere Reife und das Abitur im ganzen Land und mehr Finanzierung durch den Bund. Ein Prozent aus der Mehrwertsteuer will sie ins Bildungssystem investieren: Das wären 2,5 Milliarden Euro. Damit will sie zum Beispiel Deutschtests einführen, die schon ein Jahr vor der Einschulung Förderbedarf identifizieren, und Schulen für Kinder mit niedrigem sozioökonomischen Status mehr Geld geben, sie nennen das den "German-Dream-Zuschuss". Wie hoch der ausfallen soll, wird nicht gesagt. Die FDP plant auch einen Digitalpakt für Schulen: Laptops und Fortbildungen für Lehrer, digitales Lernmaterial. Wie hoch die Förderung sein soll, steht allerdings auch nicht im Programm. Ausbildungsberufe will sie attraktiver machen: etwa mit einem Deutschlandstipendium und staatlich geförderten Auslandsaufenthalten für Azubis. Für Studierende fordert die FDP ein elternunabhängiges Bafög, außerdem will sie allen Studierenden monatlich 200 Euro zahlen. Auch hier bleibt die Finanzierung unklar. Erasmus soll es auch in Ländern wie England oder der Schweiz geben.

Wohnen

Für "bezahlbare" Mieten will die FDP (wie die Union), dass mehr und schneller gebaut wird. Wie viel und wie schnell, bleibt offen. Ebenso, was "bezahlbar" heißt. Damit schneller gebaut wird, fordert die FDP, dass Kommunen leichter Bauland freigeben können, Anträge digitalisiert und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Bauen soll außerdem billiger werden, was genau das heißt, bleibt aber auch offen. Den bundesweiten Mietendeckel will die FDP verhindern, die Mietpreisbremse abschaffen.

Rente

Für eine "enkelfitte" Rente will die FDP die Altersvorsorge modernisieren. Einen Teil der gesetzlichen Rente will sie zum Beispiel in einem staatlichen Aktienfonds anlegen und so die Beträge steigern: "Aktienrente" nennt sie das. Für mehr Generationengerechtigkeit will sie außerdem den sogenannten Nachholfaktor wieder in die Formel einführen, mit der die jährliche Rentenanpassung berechnet wird. Damit sollen die Renten nicht mehr stärker steigen als die Löhne.

Gleichheit

Die FDP bekennt sich zu einem "liberalen Feminismus". Gesetzliche Quoten für Frauen lehnt sie allerdings ab. Und setzt darauf, dass Unternehmen sich selbst verpflichten. Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs will die FDP abschaffen: Arztpraxen dürften dann auf ihren Websites über Abtreibung informieren. Um die LSBTI-Community zu stärken, will sie Artikel drei des Grundgesetzes ergänzen: keine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität. LSBTI-feindliche Straftaten sollen von der Polizei eigens erfasst werden und ins Strafgesetzbuch eingehen. Für trans Personen fordert die FDP mehr rechtliche Selbstbestimmung. Menschen mit Behinderungen sollen vermehrt in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden, durch mehr Geld für Beratung und Arbeitsvermittlung. Um Betroffene vor Rassismus und Antisemitismus zu schützen, sollen Rechtsextreme besser beobachtet werden.

Und sonst so?

Die FDP will jüngeren Menschen mehr erlauben: Führerschein ab 16. Wählen ab 16, zumindest für den Bundestag und das Europaparlament. Die FDP will außerdem Cannabis legalisieren. Durch die Steuereinnahmen erhofft sie sich bis zu eine Milliarde Euro pro Jahr. Und um politische Entscheidungen auf ihre Nachhaltigkeit zu prüfen, fordert die FDP eine Generationenbilanz im Parlament: eine verbindliche Analyse, die langfristig Leistungen und Lasten durch ein Gesetz vergleicht. 

Das ist ein neues, junges Gesicht: Ria Schröder

Ria Schröder kandidiert für die FDP in Hamburg. © Patrick Lux

Fast 100 Kandidierende schicken die Jungen Liberalen, die Jugendorganisation der FDP, in den Wahlkampf. Etwa ein Dutzend der unter 30-Jährigen könnte es also ins Parlament schaffen – weil sie einen guten Listenplatz haben. Eine von ihnen ist Ria Schröder, 29. Sie kandidiert für die FDP in Hamburg auf Listenplatz zwei. Bis 2020 war sie Vorsitzende der Jungen Liberalen. Rias Herzensthema ist Bildung: die Grundlage für Chancengerechtigkeit. "Wir wollen das Aufstiegsversprechen wieder mit Leben füllen", sagt sie. Wirtschaft soll Schulfach werden: Damit jeder lernt, was Zinsen sind, wo Steuern abgehen, wie man fürs Alter vorsorgt. "Jeder sollte die Chance haben, den Umgang mit Geld zu lernen, unabhängig von den Eltern", sagt Ria. Bundesweit sollen außerdem Talentschulen in Stadtteilen mit hoher Armut entstehen, wie bereits in NRW. Ria fordert auch, dass Mädchen und Frauen in Mint-Fächern stärker gefördert werden, zum Beispiel durch Schulbesuche von Ingenieurinnen oder Physikerinnen. Ansonsten stehen auf ihrer Liste: Internet als Grundversorgung, eine Klimapolitik, die garantiert, dass die Klimaziele eingehalten werden, und Wählen ab 16.

"Jeder sollte die Chance haben, den Umgang mit Geld zu lernen, unabhängig von den Eltern."
Ria Schröder, FDP

Das sagt Spitzenkandidat Christian Lindner:  

"Deutschland muss moderner, digitaler und freier werden. Damit das gelingt, müssen wir einiges tun: Für bessere Bildung, für das Klima, für eine nachhaltige Altersvorsorge. Wir setzen uns zum Beispiel für ein elternunabhängiges Baukasten-Bafög ein. Die freie Wahl des Studiums darf nicht länger von der Unterstützung der Eltern abhängen. Studierende sollten analog zum bisherigen Kindergeld oder Kinderfreibetrag der Eltern einen monatlichen Sockelbetrag von 200 Euro erhalten. Berufseinsteiger wollen wir von hohen Steuerabgaben entlasten. Es muss möglich sein, sorgenfrei zu studieren, gut im Job anzukommen und sich etwas ansparen zu können. Das ist wichtig, weil es selbst für Akademikerinnen und Akademiker zurzeit kaum möglich ist, sich mit Ende 30 Wohneigentum zu leisten und damit im Alter mietfrei zu leben. Außerdem sehen wir uns in der Verantwortung, den Klimawandel klug und gesellschaftlich verträglich zu bewältigen. Wir wollen zum Beispiel ein CO2-Budget entsprechend der Pariser Klimaziele festlegen. Jeder, der CO2 ausstößt, müsste dann Erlaubnisscheine kaufen. Ein solcher Emissionshandel würde klare Anreize für klimafreundliche Innovationen setzen. Klimaneutralität sollte durch Fortschrittsfreundlichkeit und nicht durch Verbote erreicht werden. So entstehen Arbeitsplätze, die den Wohlstand der künftigen Generationen sichern. Denn das ist es, was mich antreibt, seit ich Politik mache: Menschen zu ermöglichen, ihr Potenzial auszuschöpfen, unabhängig von ihrer Herkunft. Der Staat sollte ihnen dabei so wenige Hindernisse wie möglich in den Weg stellen."

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Die Linke

Eigentlich die Partei für

Arbeiter und von Armut Betroffene. Mittlerweile aber eher eine Partei für Rentnerinnen im Osten und Jüngere im Westen. Das lässt sich historisch erklären: Die Vorgängerpartei der Linken war die DDR-Staatspartei SED und viele wählen auch noch drei Jahrzehnte später im hohen Alter links. In den alten Bundesländern wandten sich nach der Agenda 2010 viele SPD-Wähler an die Linken. Denn sie waren von dem von der SPD-Regierung beschlossenen Reformpaket enttäuscht, das für prekäre Arbeitsverhältnisse im großen Stil sorgte: Leiharbeit, befristete Jobs und Löhne unter Tarif. Die Linken nennen das: "eine Politik der sozialen Grausamkeiten". Und trotzdem bleibt die Partei im Westen eine Splitterpartei, während sie im Osten noch in allen Landtagen vertreten ist.

So oft kommen junge Menschen im Wahlprogramm vor

"Wir für dich!", "Mit dir!", "Du hast die Wahl!": Ziemlich viel direkte Ansprache bei den hierarchiefernen Linken. Junge Menschen werden insgesamt 79-mal in dem aus 168 Seiten bestehenden Wahlprogramm erwähnt. Vor allem im Kapitel über Bildung, in dem es um die "Schüler*innen" (13-mal) und "Studierenden" (elfmal) geht. Für eine Arbeiterpartei kommt erstaunlich selten (siebenmal) das Wort "Auszubildende" oder "Azubis" vor. Dafür werden die "Junglandwirte*innen" extra genannt – und gegendert wird im ganzen Text.

Das sagen sie zu:

Klima 

Ein klimaneutrales Deutschland soll mit der Linken schon bis 2035 erreicht werden. Und zwar mit Frackingverbot und schnellerem Ausstieg aus der Kohle. Die Atomkraftwerke sollen sofort abgeschaltet und die großen Energiekonzerne vergesellschaftet werden. Mit 20 Milliarden Euro im Jahr sollen Betriebe, vor allem Autozulieferer, dabei unterstützt werden, ökologisch umzusatteln. Doch Geld gibt's nur, wenn sie auch wirklich ökologisch umbauen und sichere Arbeitsplätze garantieren. Die Mobilitätswende gelingt mit dem Verbot für Neuzulassungen für Autos mit Verbrennern und einem Sozialticket für den kostenlosen Nahverkehr für alle. Und die arbeitslosen Kohlearbeiter? Vielleicht liegt ihre Zukunft im Hanfanbau. Eine Alternative, die selbst von dem Braunkohleunternehmen LEAG in der Lausitz ernsthaft diskutiert wird.

Bildung

Man könnte sagen, die Linke will eine Bafög-Revolution oder eben ein Bafög so wie früher: elternunabhängig, bedarfsgerecht, ohne Altersbeschränkung und so lange wie man studiert. Aber vor allem soll keiner mehr das Bafög zurückzahlen müssen. Die Studiengebühren sollen komplett gestrichen und kein Studium mehr am Numerus clausus scheitern. Für die Azubis sollen anonymisierte Bewerbungsverfahren Standard werden, damit keiner mehr wegen seines Aussehens oder des Namens diskriminiert werden kann. Und sie sollen mit einer Mindestvergütung abgesichert werden, die sich an den tariflichen Ausbildungslöhnen orientiert.

Wohnen 

Gerade weil das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel, für den die Berliner Linken gekämpft hatten, im April einkassierte, kämpfen die Sozialisten nun auf Bundesebene für ihn. 15 Milliarden Euro wollen sie für den sozialen Wohnungsbau aufwenden, um die geringverdienenden Menschen vor Mieten auf dem freien Markt zu schützen. Um Spekulationen mit Immobilien einzudämmen, soll der Staat mit zwei Milliarden Euro jährlich selbst Boden erwerben. Und durch ein Antispekulationsgesetz wird den Immobilien- und Hedgefonds Wohnraum abgenommen, der nur der Wertsteigerung dient. Für die Studierenden will die Linke mehr bezahlbare Zimmer in Wohnheimen, die neu gebaut werden sollen. Wie viele genau, bleibt offen. Ebenso, was konkret "bezahlbar" heißt.

Rente

Die Linke will die private Altersvorsorge wie die Riester-Rente nicht mehr subventionieren. Die gesetzliche Rentenversicherung soll die Rente für alle sichern. Und zwar dadurch, dass alle einzahlen – auch Beamte, Spitzenverdiener und Politikerinnen. Altersarmut soll es so nicht mehr geben. Denn auch Azubis und Studierende sammeln Rentenpunkte: mehr Rentenpunkte, mehr Rente.

Gleichheit 

Ostdeutsche, Frauen, Kinder, LSBTIQA* (lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche, queere und asexuelle Personen) oder Geflüchtete – für sie fordert die Linke Gleichberechtigung. Sie wollen den Paragrafen 218 abschaffen, nachdem ein Schwangerschaftsabbruch strafbar ist. Sie wollen das Recht auf künstliche Befruchtung für alle und nicht nur für heterosexuelle Paare und dass sie umsonst ist. Sie wollen Co-Elternschaft und die Kindertagesbetreuung ausbauen. Sie möchten, dass trans Personen ihren Namen ändern können ohne ärztliches Gutachten. Und sie möchten ein Abschiebestopp für queere Geflüchtete. Weil vor allem Frauen im Schnitt 18 Prozent weniger verdienen, wollen sie einen gerechteren Arbeitsmarkt. Und das heißt: Abschaffung des Niedriglohnsektors, in dem nicht nur überwiegend Frauen, sondern auch Arbeitsmigranten, Jüngere und Ungelernte für weniger als den Mindestlohn arbeiten. Dieser soll übrigens von 9,60 Euro auf 13 Euro die Stunde angehoben werden.

Und sonst so?

20 Milliarden für den ökologischen Umbau der Wirtschaft, 15 Milliarden für den sozialen Wohnungsbau, das kostenlose Bafög und Bahn- und Busfahren umsonst? Es bleibt unklar, ob all das allein durch Umverteilung von oben nach unten finanziert werden kann: mit der Wiedereinführung der Vermögensteuer, einer Vermögensabgabe, einer höheren Erbschaftsteuer und höheren Unternehmenssteuern. Viele Forderungen bleiben also utopisch, denn auf eine Regierungsbeteiligung hoffen die Linken ohnehin nicht.

Das ist ein neues, junges Gesicht: Mizgin Ciftci

Mizgin Ciftci kandidiert für die Linke in Osterholz-Scharmbeck. © Mizgin Ciftci

Man muss lange durch die Landeslisten klicken, bis ein Linker auftaucht, der nach der Wende geboren ist und trotzdem Chance auf ein Mandat hat: Mizgin Ciftci, 29. Geboren, aufgewachsen und wohnhaft im niedersächsischen Osterholz-Scharmbeck. Sohn geflüchteter Kurden, Arbeiterkind und Bildungsaufsteiger – also in vielfacher Hinsicht ein "Exot", sagt er. Ob die Welt mit Klimawandel und sozialen Spannungen überhaupt noch eine Zukunft hat: "Diese Frage wird JETZT entschieden!", sagt Mizgin getreu dem Slogan seiner Partei: "Jetzt! Machen wir das Land gerecht." Mizgin ist schwer erreichbar. Nicht wegen Wahlkampf, sondern weil er mit Kassiererinnen für Tariflöhne streikt. So will er nach der Wahl auch den Niedriglohnsektor beseitigen. Denn dort arbeiteten auch viele Studierende weit unter den Tariflöhnen, so Mizgin. Außerdem will er Bildungsgerechtigkeit. Damit nicht jeder so viel Glück braucht wie er: Ein Genosse erzählte ihm von dem Stipendium für Arbeiterkinder. Und ohne das hätte er nicht studieren können. Mizgin besetzt den vierten Platz der niedersächsischen Länderliste und wird aktuellen Umfragen zufolge im Herbst in den Bundestag einziehen.

Wir setzen uns dafür ein, den gesetzlichen Mindestlohn auf 13 Euro zu erhöhen."
Janine Wissler, Die Linke

Das sagt Spitzenkandidatin Janine Wissler:

"Junge Menschen sollten die Linke wählen, weil es uns um eine gerechte Zukunft für alle geht. Wir wollen die wichtigen Zukunftsfragen anpacken, die unter der Großen Koalition vernachlässigt wurden: zum Beispiel Klimaschutz. Die nächste Bundesregierung muss alles tun, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen. Die jungen Menschen heute und die, die noch nicht geboren sind, werden die Auswirkungen des Klimawandels dramatisch erleben, wenn wir jetzt nicht umsteuern.

Es geht um die Frage einer solidarischen und gerechten Gesellschaft. Ich habe noch nie verstanden, was daran generationengerecht sein soll, wenn wir die Infrastruktur vor die Hunde gehen lassen mit dem Argument: Wir wollen den kommenden Generationen keine Schulden vererben. Kaputte Brücken, marode Schulen und verschleppte Investitionen in Klimaschutz sind nicht generationengerecht. Und der dritte Punkt: Wir wollen, dass die Menschen gute Arbeit haben und fair bezahlt werden. Viele junge Menschen sind von befristeter Beschäftigung, Leiharbeit und Werkverträgen betroffen. Deshalb setzen wir uns dafür ein, Tarifverträge zu stärken, Befristungen einzudämmen und den gesetzlichen Mindestlohn auf 13 Euro zu erhöhen."

Wissenschaftliche Beratung:  Sandra Plümer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl "Politisches System der Bundesrepublik Deutschland und moderne Staatstheorien" an der Universität Duisburg-Essen (CDU/CSU),  Hendrik Träger, Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Leipzig (Die Linke),  Hans Vorländer, Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte an der TU Dresden (FPD) und  Michael Weigl, Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Politikwissenschaft der Universität Passau (SPD und Grüne).

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